| # taz.de -- Rassismus in der Primera Division: Der Sündenbock von Sevilla | |
| > Beim Stadtderby wird Betis-Profi Paulão von den eigenen Fans mit | |
| > Affenlauten verhöhnt. Doch über den Rassismus auf den Rängen wird in | |
| > Spanien geschwiegen. | |
| Bild: Betis-Verteidiger Paulão muss mit Gelb-Rot vom Platz | |
| SEVILLA taz | Paulão hat Mist gemacht, er weiß das selbst am besten. Eine | |
| üble Sense gegen José Antonio Reyes hat dem brasilianischen Verteidiger von | |
| Betis im sevillanischen Derby die Gelb-Rote Karte eingehandelt. Er wird | |
| später erklären, so aufgeputscht gewesen zu sein, dass er seine erste | |
| Verwarnung wegen Meckerns schlichtweg vergaß. Jetzt sagt er gar nichts, er | |
| schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, trottet langsam vom Platz, legt | |
| sein Gesicht auf der Ersatzbank ab. Paulão weint. | |
| Das Stadtderby der andalusischen Metropole ist nichts für schwache Nerven. | |
| Auf dem Rasen wird die Grenze zur Gewalt tolerant ausgelegt, auf den Rängen | |
| herrscht elektrische Stimmung. So viel Stolz ist hier mit von der Partie, | |
| dass die Betis-Fans ihre Mannschaft bis zum Ende feiern, obwohl sie | |
| chancenlos mit 0:4 verliert. Den Triumph zu schweigen will man dem Sevilla | |
| FC nicht auch noch lassen. | |
| Nur mit Paulão gibt es keine Solidarität. Paulão wird bei seinem Abgang von | |
| so lauten Affenlauten begleitet, dass man sie auch unter dem Jubel der | |
| Mehrheit deutlich hören kann. Das Derby steigt in Sevillas Estadio Ramón | |
| Sánchez Pizjuán, von Betis sind vielleicht 2.000 Fans da. Sie demütigen | |
| ihren eigenen Spieler – weil er schwarz ist. | |
| Das Rassismusproblem im spanischen Fußball ist nicht neu. Samuel Eto’o war | |
| in seiner Zeit beim FC Barcelona mal kurz davor, aus Protest gegen die | |
| Affenlaute in Saragossa den Platz zu verlassen. Dieselben Geräusche aus | |
| Tausenden Kehlen bei einem Länderspiel in Madrids Estadio Santiago Bernabéu | |
| gegen England schockierten die Insel, und noch bei der Euro 2012 wurde der | |
| spanische Verband wegen gleichlautender Beleidigungen von Italiens Mario | |
| Balotelli durch spanische Fans beim Gruppenspiel in Danzig zu 20.000 Euro | |
| Strafe verurteilt. | |
| ## Systematisches Problem | |
| Dani Alves, brasilianischer Verteidiger des FC Barcelona, sagte vor einigen | |
| Monaten, es handele sich nicht um isolierte Vorfälle oder das Problem | |
| einzelner Fangruppen. „Es passiert generell und in allen Stadien.“ | |
| Illusionen mache er sich nach elf Jahren im Land keine mehr: „Meine Familie | |
| ist traurig darüber, aber ich versuche, es einfach auszublenden. Es (das | |
| Problem, d. Red.) ist unkontrollierbar. Es wird nicht aufhören.“ | |
| Geredet wird darüber trotzdem kaum. Anders als etwa in Italien negieren die | |
| meisten Medien, dass es überhaupt ein Problem gibt. Wagt ein Spieler wie | |
| Alves, das Thema anzusprechen, wird gern beschwichtigt, die Affenlaute | |
| seien doch nur eine Variante, den Gegner zu provozieren. | |
| Als vor einigen Jahren der frühere Nationaltrainer Luis Aragonés bei einem | |
| Training über den französischen Nationalspieler Thierry Henry als | |
| „Scheißneger“ sprach, wurde die Berichterstattung darüber als ausländisc… | |
| Propaganda abgetan. Spanien sei nicht rassistischer als andere Nationen. Im | |
| Alltag stimmt das wohl, Spanien hat weniger fremdenfeindliche Kriminalität | |
| als etwa Deutschland. | |
| Im Fußball stimmt es nicht. Der Fall von Paulão hätte ein Anlass zur | |
| Reflexion sein können. Es gibt sogar Fernsehbilder des übertragenden | |
| Senders Canal Plus, die die Sequenzen im Fanblock zeigen. Doch in der | |
| seitenlangen Derbynachlese der Gazetten fand sich am Montag darüber kaum | |
| ein Wort. Natürlich war Paulão trotzdem ein Thema – als Sündenbock. „Der | |
| Brasilianer ist für immer markiert als der negative Hauptdarsteller des | |
| 117. Derbys“, schreibt das Diario de Sevilla. | |
| Paulão selbst nahm die Rolle an und streute ebenfalls Asche auf sein Haupt, | |
| als er sich nach dem Schlusspfiff den Medien stellte: „Ich bitte meine | |
| Mitspieler und alle Betis-Fans um Entschuldigung. Der Schuldige des 0:4 bin | |
| ich.“ Über die Affenlaute sagte er nichts. Er wurde auch nicht danach | |
| gefragt. | |
| 25 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Florian Haupt | |
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