# taz.de -- Kommentar Steuerpolitik der Koalition: Ein neues Volk muss her | |
> Schämt euch, Wählerinnen und Wähler! Man muss ein Volk von Masochisten | |
> sein, wenn man die Privilegierten schont und sich selbst willig schröpft. | |
Bild: Närrisch, unfähig, masochistisch: deutsche Wähler | |
Achtung, dies ist eine Wählerbeschimpfung. Denn wie blöd kann man | |
eigentlich sein? Bekanntlich war die Mehrheit der Wähler dagegen, die | |
Steuern für die Reichen zu erhöhen – weswegen Union, FDP und AfD gemeinsam | |
auf 51 Prozent der Stimmen kamen. | |
SPD und Grüne hingegen wurden für ihre Steuerpläne abgestraft, so dass die | |
Lektion aus der Wahl lautet: Die Privilegierten müssen unbedingt geschont | |
werden. Seither tun die Sozialdemokraten geflissentlich so, als hätten sie | |
die Steuern nie steigern wollen. | |
Aber irgendwo müssen die Mittel ja herkommen. Also zahlt die Mittelschicht | |
nun selbst. Sie lässt es zu, dass ihre Rentenkasse geschröpft wird, um eine | |
Mütterrente zu finanzieren, die zwar richtig ist – aber als | |
„versicherungsfremde Leistung“ eigentlich aus Steuermitteln zu bezahlen | |
wäre. Und falls die Pkw-Maut kommt, ist auch keineswegs sicher, dass sie | |
aufkommensneutral ausfällt, sondern stattdessen dürfte sie die meisten | |
Autofahrer langfristig mehr belasten. | |
Der berühmte „Mittelstandsbauch“ konnte ebenfalls nicht geglättet werden, | |
der ausgerechnet die Normalverdiener bei den Steuern überproportional stark | |
heranzieht. Aber für eine Korrektur fehlte das Geld. Denn, wie gesagt, die | |
Reichen dürfen auf keinen Fall belastet werden. Man muss ein Volk von | |
Masochisten sein, wenn man die Privilegierten schont und sich selbst willig | |
schröpft. | |
## Die Bereicherung der Reichen | |
Noch erstaunlicher: Viele Deutsche sind offenbar unfähig, aus der | |
Geschichte zu lernen. Denn es ist nicht das erste Mal, dass die Reichen | |
profitieren, während die Mittelschicht zahlt. Legendär sind die rot-grünen | |
Steuerreformen, die vor allem Spitzenverdienern und Unternehmen | |
zugutekamen. Das kostet bis heute 50 Milliarden Euro im Jahr. Damit es | |
haften bleibt: 50 Milliarden Euro. Für die Reichen. Jedes Jahr. | |
Dieses großzügige Geschenk war nicht umsonst, sondern prompt klafften | |
Löcher in den staatlichen Kassen. Also wurde die Mehrwertsteuer von 16 auf | |
19 Prozent erhöht. Ein toller Einfall: Mehrwertsteuer für alle, damit | |
wenige Reiche es noch besser haben. | |
Aber wehe, die Bereicherung der Reichen soll korrigiert werden. Dann stimmt | |
die Mittelschicht sofort dagegen. Manchmal wäre es doch schön, wenn man | |
sich ein neues Volk wählen könnte. | |
29 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
## TAGS | |
Große Koalition | |
Steuern | |
Wolfgang Schäuble | |
Pkw-Maut | |
Sigmar Gabriel | |
Große Koalition | |
Bundestag | |
taz.gazete | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kritik an GroKo-Plänen: Schäuble schenkt nichts | |
Die Wirtschaftsverbände sind unzufrieden mit den schwarz-roten Plänen für | |
Arbeitsmarkt und Rente. Finanzminister Wolfgang Schäuble hält dagegen. | |
Klageandrohung vom Nachbarland: Österreich passt Pkw-Maut nicht | |
Sollte Deutschland eine Pkw-Maut nur für Ausländer einführen, wollen die | |
Österreicher klagen. Auch die Niederlande prüfen rechtliche Schritte. | |
Sigmar Gabriel im „heute-journal“: Die Slomka und der ganze Quatsch | |
Eigentlich wollte SPD-Chef Gabriel im ZDF über die Regionalkonferenzen der | |
Partei sprechen. Doch dann lieferte er sich lieber ein Duell mit | |
Moderatorin Slomka. | |
Schriftsteller über die Große Koalition: „Das ist keine Politik“ | |
Soll die SPD sich für eine Koalition mit der Union entscheiden? Der | |
Schriftsteller Ingo Schulze antwortet in einer kurzen, persönlichen | |
Geschichte. | |
Bundestag-Hauptausschuss: Raus aus dem Stand-by-Modus | |
Union und SPD setzen ein provisorisches Gremium ein, um die Arbeit der | |
Fachausschüsse weiter zu gewährleisten. Die Übergangsregelung ist einmalig, | |
aber sehr umstritten. | |
Kultur im Koalitionsvertrag: Muffensausen statt Staatsziel | |
Kultur sollte zum Staatsziel werden, im Koaltionsvertrag ist davon nichts | |
übriggeblieben. Stattdessen ist von „Investitionen in die Zukunft“ die | |
Rede. |