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# taz.de -- Die Wahrheit: Im Schlummer der Röhre
> Im Wissenschaftsbetrieb von Ruhpolding: Bitte nicht einschlafen. Bald
> wird die Wissenschaft den Ruhepol entdecken.
Bild: Schön muggelig hat es dieser Herr.
Während im hektischen Genf der entfesselte Teilchenbeschleuniger Cern immer
neue Beschleunigungsrekorde aufstellt, geht’s im Wissenschaftsbetrieb von
Ruhpolding deutlich beschaulicher zu. Dort wird ein Weilchen-Entschleuniger
erfolgreich getestet, der endlich dem Ruf der Zeit nach Entschleunigung
gerecht wird und den ruhelosen Rekordjägern vom Cern einen wirkungsvollen
Ruhepol entgegensetzt.
Die einzigen Teilchen, die in Ruhpolding beschleunigt werden, sind die
beliebten Streuselschnecken aus der nahe gelegenen Konditorei, die zügig
aus den Vitrinen verschwinden, weil sich die Teilchen eines regen Zuspruchs
der Wissenschaftler erfreuen. In entspannter Stimmung ist man so auf der
Suche nach den sogenannten Faulpelzteilchen, die im Gegensatz zu den rasch
zerfallenden Gottesteilchen der Genfer Forscher stabile Positronen sind,
auf die man sich verlassen kann.
„In der Ruhe liegt die Kraft“, wissen die Kraftruheforscher von Ruhpolding,
die ihre Ruhekraftteilchen in zwei Ruhepolen verorten, in denen wiederum
die kleineren Snarks und Stagninos schlummern, winzig kleine Nichtstuer,
die man gern als „Beamtenteilchen“ bezeichnet, da sie in vollkommener Ruhe
ihrer Pensionierung entgegenzudämmern scheinen, um dem Leser mal einen
anschaulichen Vergleich zu geben.
In Ruhpolding ist selbstverständlich auch keine milliardenteure,
kilometerlange Teilchenautobahn installiert wie in Genf, die bodenständigen
Ruhepolforscher vertrauen in ihrem Schlaflabor vielmehr auf eine kleine,
gemütliche Teilchenschlafkammer, in der man gerade mal aufrecht sitzen
kann. Die Schlummerröhre kann mit passender Tiefschlafmusik beschallt
werden. Dazu wird beispielsweise Mozarts „Kleine Nachtmusik“ oder auch
Musik der Traumprinzen eingespielt.
## Urknall ohne Stille? Undenkbar!
Draußen auf der Röhre haben die humorvollen Forscher eine anspielungsreiche
Reproduktion von Goyas „Schlaf der Vernunft“ angebracht. Darauf werfen sie
noch rasch einen Blick, bevor sie dann mit ihrem Lieblingsteilchen in die
mit Holzwolle und Daunenfedern gepolsterte Schlummerröhre verschwinden. Die
Forscher sind durch die Schlafbank weg eingefleischte Vorruheständler, die
die „Ruhe weg“ haben.
Im weichen Polster der Schlafröhre „sägen“ sie erst mal eine Runde, wie s…
den Schlafvorgang augenzwinkernd nennen. Wenn das kleine Teilchen in ihrem
Arm dann eingeschlafen ist, decken sie es liebevoll mit einer Decke zu, um
dann in aller Ruhe das Schlaflabor zu verlassen. Das kleine Ruheteilchen
lassen sie ungestört weiterschlafen.
Wie lange deren Schlaf dann dauern kann, weiß niemand, noch nicht einmal
Laborchef Holger Wind. Der ausgeschlafene Ruheteilchenforscher spricht
fordernd von einer Ausweitung der Ruhezone, die der Wissenschaft Not täte.
Alles spreche immer nur vom Urknall des Universums, aber von der großen
Ruhe vorher wolle keiner etwas wissen. Was wäre denn der Urknall gewesen
ohne die vorherige Stille? Warum kann die Wissenschaft sich nicht an den
Gedanken gewöhnen, dass sich das Universum wie im Schlaf ausdehnt? Was
sollen all die Krawalltheorien aus den Wurmlöchern eines völlig überdrehten
Wissenschaftsbetriebes?
Fragen über Fragen, die der eigentlich gemütliche Forscher sich und der
Welt stellt. Und für einen Moment sieht es so aus, als ob selbst ein Holger
Wind sich in Rage reden könnte. Aber immer mit der Ruhe: Wer einmal im
Weilchenentschleuniger von Ruhpolding zu Gast war, ahnt, dass die
Teilchenentschleunigungsforschung ein schlafender Riese ist. Ein Riese, der
allerdings irgendwann einmal von einem Traumprinzen wach geküsst werden
müsste. Niemand würde es jedoch wundern, wenn der noch unbekannte
Wachküsser aus Ruhpolding kommt!
4 Dec 2013
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