# taz.de -- Science-Fiction-Hörspiel: Der Zauberschädel | |
> „Demolition“ wurde 1973 mit der damals revolutionären Kunstkopfmethode | |
> aufgenommen. Durchgesetzt hat sie sich nicht. | |
Bild: Kein Kunstkopf | |
Ben Reich ist ein gieriger Monopolist. Und er ist gefährlich. Reich | |
herrscht im 24. Jahrhundert über den Konzern „Monarch“. Um die kommerzielle | |
Kontrolle über den Planeten zu ergattern, muss er allerdings noch | |
D’Courtney ausschalten. | |
Reich ist nach einem scheinbar abgelehnten Fusionsangebot ziemlich | |
angefressen und will seinen letzten Konkurrenten persönlich umlegen. Gäbe | |
es da nicht die „Esper-Gilde“, eine Art telepathische Super-NSA, deren | |
Mitglieder zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung Gedanken lesen können. | |
Totalitäre Überwachungsfantasien wie diese aus dem Roman „The Demolished | |
Man“ des US-Autors Alfred Bester gehen aus aktuellem Anlass gerade gut. | |
Besters 1953 erschienene Erzählung wurde zwanzig Jahre später als Hörspiel | |
vertont. Der damals neben dem Rias Berlin und dem WDR an der Produktion | |
beteiligte Bayerische Rundfunk sendet den futuristischen Krimi – | |
jubiläumsgerecht – am Samstag ab 15.05 Uhr auf Bayern 2. | |
Neben dem Geburtstagstermin und der aktuellen Debatte gibt es aber noch | |
einen dritten Aspekt, der „Demolition“, so der Titel des | |
Hörspielklassikers, besonders auszeichnet. Im Studio wurde damals zum | |
ersten Mal mithilfe der sogenannten „Kunstkopf-Stereophonie“ aufgezeichnet. | |
Die heute vergessene Audiotechnik galt Anfang der 1970er Jahre als | |
revolutionär. Sie löste auf der Funkausstellung 1973 in Berlin einen | |
kleinen Hype aus. Verantwortlich dafür war das Modell der Berliner | |
Akustiker Ralf Kürer, Georg Plenge und Henning Wilkens vom | |
Heinrich-Hertz-Institut. | |
Kunstkopf-Aufnahmen erfolgen mit einem aus Gips und Kautschuk dem | |
menschlichen Haupt nachempfundenen Dummy. In den Ohrmuscheln stecken zwei | |
hochsensible Mikrofone. Mit dieser Methode aufgezeichnete Hörstücke wurden, | |
grob mit den heute aus dem Kino bekannten Surround-Technologien | |
vergleichbar, somit räumlich erfahrbar. Einziger Haken: Köpfhörer sind | |
Pflicht, will man in den Genuss eines real erscheinenden Klangraums kommen. | |
## Unerhörte musikalische Räume | |
Der damalige Hörspiel-Chef beim Rias Berlin, Ulrich Gerhardt, der auch für | |
die Roman-Adaption von Alfred Bester verantwortlich war und zu einem | |
Verfechter der neuen Technologie wurde, schrieb 1974 in der Fachzeitschrift | |
Funkschau begeistert: „Hier kann man tatsächlich bisher un-erhörte | |
musikalische Räume auftun, die man nur träumen konnte, die mit anderen | |
Techniken nur unbeholfen angedeutet werden konnten.“ Schon ein Jahr zuvor | |
hatte der Spiegel den „Zauberschädel“ als mögliches Erfolgsmodell für den | |
experimentierfreudigen Rundfunk gehandelt. | |
Auch wenn bis Mitte der 80er Jahre viele Kunstkopf-Hörspiele entstanden, | |
konnte sich die Aufnahmemethode nicht durchsetzen. Neben dem Köpfhörerzwang | |
erwies sich auch die fehlende Vorne-Ortung für den Hörer, der das | |
akustische Geschehen überwiegend seitlich und von hinten wahrnimmt, als | |
problematisch. Auf der Technik basierende Produktionen gibt es dennoch | |
immer wieder. In diesem Jahr gewann das Kunstkopf-Hörspiel „Der Kauf“ von | |
Paul Plamper den Deutschen Hörspielpreis der ARD. | |
Insbesondere dessen erster Vorfahr, „Demolition“, zeigt die Vorzüge der | |
Technik. Das zwischen Bewusstseinsdrama und Überwachungsthriller | |
changierende Hörspiel gibt die von Autor Alfred Bester wendungsreich | |
erzählte Verfolgungsjagd zwischen Ben Reich und der Esper-Gilde gelungen | |
wieder. | |
14 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Jan Scheper | |
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