# taz.de -- Fernsehunterhaltung am Wochenende: Ach, Lanz, hör auf zu kämpfen | |
> Niemand guckt mehr „Wetten, dass . .?“, Markus Lanz will das nicht | |
> glauben. Sollte er aber. Die Samstagabendshow ist tot – und das zu Recht. | |
Bild: Humor wie bei Onkel Pelle: Lanz bei einer Wette auf Malle. | |
Früher, da war alles besser. Der samstägliche Fernsehabend zum Beispiel. Da | |
saß man dann gemeinsam in der Stube und war froh, dass die Großeltern den | |
Steckrübenwinter vor gut 50 Jahren überstanden hatten, Vati trank ab und an | |
einen Korn, Mutti nippte am Likör und füllte nach, wenn die Schmalzbrote | |
und die kleinen Frikadellchen auf der Etagere weggeputzt waren. Im | |
Fernsehen lief „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff. Herrlich | |
war das. Zumindest in der Rückschau. | |
Und heute? An diesem Samstag läuft zum letzten Mal in diesem Jahr „Wetten, | |
dass ..?“. Mittlerweile moderiert von einem gewissen Markus Lanz. Das haben | |
Sie womöglich der Fachpresse entnommen, gesehen haben Sie ihn vermutlich | |
nicht. Denn es guckt ja keiner mehr Fernsehen am Samstagabend! Und schon | |
gar nicht gemeinsam! Das Lagerfeuer der Nation ist erloschen. | |
„Wetten, dass ..?“ ist unter Lanz auf nur noch 6,55 Millionen Zuschauer | |
abgestürzt. Da half es auch nichts, dass sich der Moderator auf Mallorca | |
Eiswürfel in die Buxe schüttete oder gegen das Publikum Liegestützen | |
machte. Dafür gab es viel Kritik. | |
Doch Lanz wehrt sich. Er kämpft für seine Show. Er kämpft für den alle | |
Generationen verbindenden Fernsehabend am Samstag. Er findet es schade, | |
„dass man Millionen Menschen etwas kaputt schreibt“, sagte er dem Stern. | |
„Wenn Sie dauernd den Untergang herbeischreiben, dann kriegen Sie ihn | |
auch.“ | |
## „Heute so, morgen so“ | |
Ach Lanz, das müssen wir gar nicht kaputt schreiben. Der Samstagabend ist | |
längst untergegangen. Und das zu Recht. | |
Und wir hätten es vorhersehen können, wenn nicht gar müssen. Schließlich | |
hatte schon 1969 Roberto Blanco „Heute so, morgen so“ über den allem | |
innewohnenden Wandel gesungen. Damals, als noch alle gemeinsam die | |
„ZDF-Hitparade“ schauten. An einem Samstagabend. | |
Als Thomas Gottschalk Ende 2011 bei „Wetten, dass ..?“ aufhörte, wurde er | |
zum Messias stilisiert, dessen Abgang das Land in den Abgrund stürzen | |
würde. Dass die Show mit dem immer wieder kehrenden Status-quo-Medley, | |
anschließendem Talk mit Hollywood-Prominenz und/oder Peter Maffay, | |
Smokie-Medley, Fußpilz-am-Geschmack-erkennen-Wette und anschließendem | |
Rod-Stewart-Medley schon lange Unterhaltung für Leute ohne Humor war, wurde | |
in all dem Abschiedsbohei leider vergessen. | |
Gottschalk bewies bald darauf mit seinem Kurzzeit-Talkauftritt im | |
Vorabendprogramm der ARD, dass er vieles ist, aber kein Messias. Und der | |
Samstagabend, den haben die Fernsehverantwortlichen ebenso wie die | |
Fernsehfamilien doch schon lange abgeschrieben. | |
RTL zeigt seine große Abendshow mit Günther Jauch und Thomas Gottschalk | |
lieber am Montag, ProSieben sendet die für viel Geld eingekauften Filme | |
lieber am Sonntag – und die ARD, die zeigt am Samstagabend gerne | |
Volksmusik, Wiederholungen oder so miserable Degeto-Erstausstrahlungen, | |
dass sie damit das Lagerfeuer der Nation nicht nur langsam zu Ende glimmen | |
lässt, sondern mit Schmackes austritt. | |
## Ein Haushalt, vier Geräte | |
## | |
Aber wollen wir Zuschauer überhaupt noch den gemeinsamen Abend vorm | |
Fernseher am Samstag? Wollen Sie mit ihrer 14-jährigen Tochter an diesem | |
Wochenende „Transformers“ gucken? Oder mit Ihrem Sohn „Das Supertalent“? | |
Oder wollt Ihr mit euren Eltern „Wetten, dass ..?“ schauen? Nein? Gut, dass | |
vier Fernseher im Haushalt stehen. | |
Die Geräte sind zur Massenware geworden. Jeder hat einen anderen Geschmack. | |
Unzählige Programme bedienen unzählige Zielgruppen. Und Schluss ist mit dem | |
heimeligen gemeinsamen Schauen der großen Samstagabendshow. | |
Fernsehen ist trivial, die meisten Sendungen sind so redundant, dass selbst | |
Sechsjährige ihnen leicht folgen können. Doch während dieses Prinzip von | |
Montag bis Freitag und am Sonntag eines der Erfolgsgaranten des Mediums | |
ist, wirkt es am Samstag völlig deplatziert. Unter der Woche ist die | |
wiederkehrende Serie mit den bekannten Charakteren tiefste Entspannung – | |
egal, wie nervenaufreibend, brutal oder tiefgründig sie sein mag. Das | |
Gleiche gilt für den „Tatort“ am Sonntag. | |
Doch am Samstagabend brauchen die Menschen keine Entspannung. Wovon sollen | |
sie sich erholen? Von der Bundesligakonferenz im Radio? Vom geistig wenig | |
fordernden Aufräumen, Putzen oder Einkaufen? Kaum einer geht doch noch am | |
Sonnabend einem Beruf nach. Spätestens seit den 70er Jahren gehört Vati | |
samstags mir. | |
Wie sollte demnach die Unterhaltungssendung aussehen, die am Samstagabend | |
einen möglichst großen Teil des Rests, der dann doch vor dem Fernseher | |
sitzt, bei sich versammeln kann? Nicht anbiedernd (wie „Wetten, dass ..?“), | |
nicht abstoßend (wie „Deutschland sucht den Superstar“, „Das Supertalent… | |
und andere) und nicht affektiert (wie alle Volksmusiksendungen) müsste sie | |
sein. Das ist doch eigentlich nicht zu viel verlangt. | |
## Außer Raab vielleicht | |
Die einzige Show, die zuletzt diese Attribute auf sich vereinte und das | |
Potenzial in sich barg, ein neues Lagerfeuer zu entzünden, war Stefan Raabs | |
„Schlag den Raab“: zusammenschaukompatibel, weil man sein Halbwissen | |
ausspielen konnte; spannend, weil man Raab abnahm, dass er wirklich | |
gewinnen will und keinen Cent zu verschenken hat; Freude bei Überziehung | |
der Sendezeit; und mit Matthias Opdenhövel hatte sie einen Moderator, der | |
dem schlagfertigen Raab gewachsen war und sich auf die Seite des Kandidaten | |
schlug – ohne den fürsorglichen Großonkel zu mimen. Doch Opdenhövel ist weg | |
und „Schlag den Raab“ nun auch schon mehr als sieben Jahre alt. | |
Immerhin: Die Sendung bewies, dass große Shows noch begeistern können – und | |
dass der Samstagabend für manche Formate eben doch der richtige Platz ist. | |
Die Schwäche von „Wetten, dass ..?“ müsste eigentlich die Konkurrenz dazu | |
animieren, Klügeres, Spannenderes und Witzigeres gegen die einst als ewige | |
Nummer eins gehandelte Show zu programmieren. Noch ist abgesehen von Raab | |
aber nichts zu sehen. Das Free-TV in Deutschland wirkt schlaff wie selten | |
zuvor. | |
So bleiben derzeit nur zwei Generationen verbindende und stets | |
wiederkehrende Fernsehereignisse: Fußball und „Tatort“. Sie sind die neuen | |
Lagerfeuer. Sie brennen mittwochs und sonntags. Auch schöne Tage. | |
14 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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