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# taz.de -- Politischer Streit im Südsudan eskaliert: Der Traum ist geplatzt
> Nach gut zwei Jahren Freiheit zerbricht Südsudan unter der Last seiner
> ungelösten Probleme. Die alten Warlords positionieren sich neu.
Bild: Präsident Salva Kiir ist in Bedrängnis geraten.
BERLIN taz | Was jubelten sie alle, als Südsudan am 9. Juli 2011 gegründet
wurde. Von Barack Obama bis Angela Merkel hieß die Weltgemeinschaft ihr
neuestes Mitglied willkommen. Als die bunte Flagge des freien Südsudan über
Juba in den Himmel stieg, rief Präsident Salva Kiir unter dem Jubel der
Bevölkerung: „Ein Traum ist wahr geworden!“
Jetzt ist der Traum geplatzt. Kämpfe und Massaker in Juba haben seit Montag
nach UN-Schätzungen rund 500 Tote gefordert. Das Ausland evakuiert seine
Staatsbürger – die Weltgemeinschaft verlässt das sinkende Schiff Südsudan.
Präsident Salva Kiir spricht von einem Putschversuch des geschassten
Vizepräsidenten Riek Machar, aber Beobachter sind sich einig: Hier ist ein
Machtkampf im Gange, in dem sich alte Warlords neu sortieren.
Jetzt rächen sich die Versäumnisse im Südsudan seit der Unabhängigkeit, die
auf sechs Jahre Autonomie und davor 22 Jahre entbehrungsreichen
Befreiungskampf gefolgt war. Als der Krieg zu Ende ging, zogen die
Guerillaführer der SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) sich zwar
Anzüge an und bauten sich Villen. Aber sie legten ihre Denkmuster aus
Kriegszeiten nicht ab, und ein ordentlicher Staat mit
rechenschaftspflichtigen Institutionen entstand nicht.
Je besser es dem jungen Land wirtschaftlich ging, desto problematischer
wurde dies politisch. Südsudan ist ein Ölstaat: Bei voller Kapazität
verdient Südsudan am Öl umgerechnet 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Davon kann
eine Elite reich werden, ohne sich um politische Strukturen kümmern zu
müssen.
## Handlungsfähige Institutionen fehlen
2012 stoppte der Ölexport, weil man sich mit dem Sudan über die Höhe der
Abgaben für den Transfer stritt. Im April 2013 ging es weiter. Seitdem hat
das Land nach offiziellen Angaben rund 700 Millionen Euro am Öl verdient.
Aber 50 Prozent der Staatseinnahmen fließen in Militär und Polizei, auch im
neuen Haushalt 2014. Das Ergebnis: ein Immobilienboom in Juba und eine
international vernetzte Geschäftswelt im Umfeld der Exguerilla – aber wenig
Aufbau für die Bevölkerung.
Handlungsfähige Institutionen fehlen. Die Unzufriedenheit darüber äußert
sich auf althergebrachte Weise, notfalls mit der Waffe. Ein Grundstein von
Südsudans Stabilität war die historische Versöhnung zwischen alten Feinden
– die SPLA-Führung aus dem Dinka-Volk und historische Rivalen aus den
Volksgruppen der Nuer und Shilluk. Während des Befreiungskriegs hatte
Sudans Militärregierung in Khartoum immer wieder die Ethnien Südsudans
aufeinandergehetzt. Doch 2011 wurde der Nuer Riek Machar Vizepräsident
unter dem Dinka Salva Kiir als Staatschef.
Die Versöhnung hielt nicht. Machar übte nach 2011 häufig Kritik an Kiir.
Gegenüber dem Ausland inszenierte er sich als moderne zivile Alternative.
Das machte Kiir misstrauisch. Im Juli 2013 wurde Machar gefeuert und mit
ihm die Regierung. Seitdem kommt die regierende SPLM (Sudanesische
Volksbefreiungsbewegung) nicht zur Ruhe. Im November erklärte Kiir
sämtliche Gremien der SPLM für aufgelöst.
Am 6. Dezember gingen die parteiinternen Kritiker des Präsidenten an die
Öffentlichkeit. „Entscheidungen werden im Wesentlichen von einer Person
getroffen“, warfen sie Salva Kiir vor, „und in den meisten Fällen von
regionalen und ethnischen Lobbygruppen und Geschäftsfreunden des
SPLM-Vorsitzenden.“
Zwei Tage später warf eine Kiir-treue Gruppe den Kritikern vor, sie wollten
„die Armee aufwiegeln und Instabilität, Chaos und Unordnung schüren“ – …
prophetischer Satz: Die Kämpfe in Juba brachen aus, nachdem ein
SPLM-Führungstreffen am 14. Dezember im Eklat endete und Kiir angeblich die
Anweisung erteilte, illoyale Teile der Präsidialgarde zu entwaffnen.
## Gefährliche Wendung
Der politische Streit wird jetzt auf der Straße als ethnische Konfrontation
ausgefochten. Augenzeugenberichten zufolge haben Kiir-treue Truppen in Juba
gezielt Nuer gejagt und hingerichtet, als mutmaßliche Anhänger Riek
Machars. Dessen Aufenthaltsort ist unbekannt.
Eine gefährliche Wendung nahm der Machtkampf am Mittwoch. In der
Garnisonsstadt Bor, flussabwärts von Juba am Nil, sagte sich das Militär
unter Führung seines Kommandanten Peter Gadet von der Regierung los. Gadet
ist Nuer, wie Riek Machar. Berichten zufolge sollen Nuer-Jugendliche aus
Bor nun einen „Marsch auf Juba“ vorbereiten. In Reaktion auf die Tötungen
von Nuer in Juba gibt es Racheangriffe auf Dinka in Bor. Das erschüttert
Südsudan zutiefst. In Bor war 1983 die SPLA entstanden, als Folge einer
Armeemeuterei. In Bor hatte 1991 Riek Machar, damals mit Khartoum gegen die
SPLA alliiert, eines der schlimmsten Kriegsverbrechen der südsudanesischen
Geschichte verübt: ein Massaker an mindestens 2.000 Dinka. Erst 2012 hat
Machar sich dafür entschuldigt. Der neue Südsudan geht an seinen alten
Wunden zugrunde.
20 Dec 2013
## AUTOREN
Dominic Johnson
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