# taz.de -- Pornos im Internet: Das Geschäft mit der Peinlichkeit | |
> Viele Internetnutzer wurden abgemahnt, weil sie sich angeblich Sexvideos | |
> im Netz angesehen haben. Ist Streaming in Deutschland verboten? | |
Bild: Bei Streamingportalen gibt es keine direkte Zugriffsmöglichkeit auf die … | |
Massenabmahnungen sind ein einträgliches Geschäft. Was es dafür braucht: | |
einen Rechteinhaber, eine Software und einen Anwalt – und den längeren | |
Atem. Die aktuelle Welle der Abmahnung von Nutzern des Pornoportals Redtube | |
ist das perfekte Beispiel dafür, warum es bei Abmahnungen nicht in erster | |
Linie um die Einhaltung von Recht, sondern vor allem um schnöden Mammon | |
geht – und nicht nur um Porno, sondern auch um alle möglichen anderen | |
Streamingportale. | |
Post von einem Anwalt: Sie haben etwas Verbotenes getan, haben eine | |
Urheberrechtsverletzung begangen. Sie haben auf einer Seite ein Video | |
angeschaut, an dem das Portal keine Rechte besaß. Wir haben Ihre | |
IP-Adresse. Sie waren an einem bestimmten Datum zu einer bestimmten Uhrzeit | |
auf einer bestimmten Website und haben vermutlich wild onanierend Pornos | |
betrachtet. Zahlen Sie jetzt 250 Euro – davon 15,50 Euro für den | |
Urheberrechtsverstoß, 65 Euro für unsere Nachforschungen und den Rest als | |
Anwaltsgebühren – und wir vergessen die Sache. Ansonsten sehen wir uns vor | |
Gericht. | |
Die Abmahn-Idee folgt einem einfachen Gedanken. Wenn Nutzer einen Film | |
schauen, wird dieser auf dem Endgerät zwischengepuffert. Und damit, so die | |
Abmahner, vervielfältigt – was nicht legal wäre. Ob das juristisch stimmt, | |
ist umstritten: ob die technisch notwendige Kopie, Computer kopieren die | |
ganze Zeit Daten in verschiedene Speicherbereiche, wirklich eine | |
Vervielfältigungshandlung im Sinne des Urheberrechts ist, ist an keinem der | |
höchsten Gerichte ausgeurteilt worden. Das bedeutet Rechtsunsicherheit, das | |
Risiko, vor Gericht zu verlieren. Dabei spricht einiges dafür, dass die | |
Chancen für Betroffene nicht schlecht stünden. | |
Wie kommen die Anwälte zu den Nutzern? Das ist eines der großen Rätsel | |
dieser Abmahnwelle. Dass die Anbieter ihre Zugriffsprotokolle herausgeben, | |
ist unwahrscheinlich. Bei herkömmlichen Abmahnungen wurden spezialisierte | |
Firmen damit beauftragt, in Tauschbörsen nach Nutzern zu gucken, die dort | |
illegal Dateien tauschten. | |
## Abgemahnt wurde das Hochladen | |
Der Hebel der Anwälte: Wer in Tauschbörsen etwas herunterlädt, lädt es | |
zumeist auch gleichzeitig, zumindest teilweise, wieder hoch. Das ist das | |
Grundprinzip der meisten Peer-to-Peer-Tauschbörsen. Abgemahnt wurde nicht | |
das Herunterladen, sondern das Hochladen. | |
Mit der weltweit einmaligen Internetprotokolladresse, der IP, gingen die | |
Rechtsanwälte dann zu einem Gericht, um dort – meist im Dutzend oder | |
Hunderterpack – von den Internetzugangsanbietern die Zuordnung von | |
IP-Adressen zu echten Personen zu erhalten. | |
Die IP zum Zeitpunkt, zu dem eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde, | |
wird einem Anschlussinhaber zugeordnet. Und der wird dann abgemahnt. Dass | |
das alles technisch korrekt vonstatten ging und dass der Abmahnende auch | |
wirklich die Rechte besitzt, ist die Voraussetzung. Sieht alles plausibel | |
aus, winken die Gerichte die Anschlussinhaber-Auskunft meist durch. | |
Einige Gerichte, wie das Landgericht Köln, in dessen Zuständigkeitsbereich | |
die Deutsche Telekom mit ihren vielen Kunden liegt, stöhnen seit Jahren | |
über die Überlastung durch das Abmahnwesen. Nur: Bei den Streamingportalen | |
gibt es keine direkte Zugriffsmöglichkeit auf die IP-Adresse des | |
Betrachters, wenn man nicht selbst der Betreiber ist. Hier gibt es derzeit | |
nur wilde Spekulationen darüber, wie die Abmahner an die Adressen gelangt | |
sind. Vielleicht lenkte das Landgericht Köln auch deshalb am Freitag ein – | |
das Recht der Betroffenen könnte durch die Auskunftserteilung verletzt | |
worden sein. | |
## Viele zahlen einfach | |
Der Abgemahnte erfährt erst mit der Abmahnung davon, dass ihm etwas | |
vorgeworfen wird – und auch, dass seine Daten vom Gericht zur Herausgabe | |
angeordnet wurde. Das ist der Zeitpunkt, an dem die Anwälte mit der Tür ins | |
Haus fallen und die anscheinend günstige Option des „Zahlen Sie, wir sind | |
uns unserer Sache todsicher, sonst wird es für Sie nur teurer“ anbieten. | |
Und viele tun, was sich die Abmahner wünschen und hoffen, dass das Problem | |
wieder verschwindet. | |
Schreiben dieser Art erhielten in den vergangenen Wochen wohl Tausende | |
Pornozuschauer in Deutschland. Nun ist es keineswegs verboten, sich im Netz | |
Pornos anzuschauen und die Tastatur zu verkleben. Aber es wäre verboten, | |
Filme, an denen man keine Rechte besitzt, anderen zur Verfügung zu stellen | |
oder sie zu vervielfältigen. Die Betreiber der Plattformen, die eigentlich | |
für die Rechteklärung verantwortlich sind, sitzen meist nicht in | |
Deutschland. Aber die Nutzer. | |
Das Urheberrecht verbietet auch den Download aus einer „offensichtlich | |
rechtswidrigen Quelle“. Das klingt einfach, ist aber gerade bei den | |
Pornoseiten gar nicht so leicht: Die frei zugänglichen Streamingportale | |
haben für Filmfirmen eine gute und eine schlechte Seite. Auf der einen | |
Seite verbreiten sie teilweise illegal Inhalte, an denen sie keine Rechte | |
haben. | |
Anderes ist ganz legal dort: Lockfilme, mit denen Nutzer in andere, | |
kostenpflichtige Portale mit noch mehr Inhalte gegen Kreditkartenbelastung | |
geholt werden sollen. Die legal zur Geschäftsanbahnung dort stehenden Filme | |
profitieren davon, dass möglichst viele Nutzer auf die Seiten gehen. Für | |
die Nutzer ist kaum ersichtlich, ob Inhalte auf solchen Plattformen legal | |
oder illegal stehen. | |
Der aktuelle Testfall weist eine Besonderheit auf: Pornokonsum ist ein | |
individuelles Geheimnis. Niemand geht deshalb gern zum Anwalt – und schon | |
gar nicht gern vor Gericht. Das nutzen die Abmahner aus und testen hier | |
neue Graubereiche des Rechts. Jeder, der einfach unterschreibt und zahlt, | |
ist gut für sie. Und finanziert damit gleich die nächste Abmahnwelle – dann | |
vielleicht wegen anderer Filme. | |
20 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Falk Steiner | |
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