# taz.de -- Die Philippinen nach dem Taifun: Weihnachten inmitten der Zerstöru… | |
> Vor dem Fest in der verwüsteten Stadt Tacloban auf der Insel Leyte: Von | |
> der Kanzel gibt es Worte der Ermutigung und die Kirchen sind voll | |
Bild: Weihnachtsstern, der die Nächte erleuchtet. | |
TACLOBAN taz | Auf die Empore der St.-Niño-Kirche in Tacloban führt eine | |
wacklige Eisenstiege, eine steile Wendeltreppe windet sich weiter nach | |
oben. Der Blick vom Balkon über die Hauptstadt der philippinischen | |
Inselprovinz Leyte war früher sicher reizvoll gewesen. Seit dem 8. | |
November, als Taifun „Haiyan“ und haushohe Sturmwellen zentrale Teile des | |
südostasiatischen Archipels zerstört haben, blickt man von hier auf | |
Trümmer, hie und da qualmt es aus brennenden Müllhaufen. | |
Father Oliver Mazo steht dennoch oft da oben. „Ich brauche das, um wieder | |
klar denken zu können. Seit dem Sturm funktionieren wir alle ja nur noch | |
und versuchen von Tag zu Tag zurechtzukommen“, sagt der katholische | |
Priester. Auch seine Kirche ist stark beschädigt, das Dach des | |
Mittelschiffs hat es komplett weggerissen. | |
Schlimmer als der Wind sei das schwarze, schlammige Wasser gewesen, | |
erinnert sich Mazo. „Wir hatten etwa 250 Flüchtlinge in Gebäuden neben der | |
Kirche, als die Brühe kam.“ Ruck, zuck habe das Wasser zwei Meter hoch | |
gestanden, schwimmend retteten sich die Menschen in den ersten Stock, | |
darunter viele kleine Kinder. | |
Alle überlebten, „das ist schon ein kleines Wunder“, meint der Priester. | |
Dafür sei er dankbar, es bestärke ihn und die Gemeinde im Glauben an Gott. | |
Der katholische Glaube, vor mehr als 400 Jahren von den Spaniern auf die | |
Philippinen gebracht, ist in der Tat für viele Menschen des Inselstaats das | |
Rückgrat ihres oft schweren Lebens. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung | |
bekennen sich zum Katholizismus, damit nimmt das Land eine Sonderrolle in | |
Südostasien ein. Religiosität ist nicht nur ein Lippenbekenntnis, der | |
Alltag vieler Philippiner ist geprägt davon. | |
Im Gegensatz zu westlichen Ländern predigen Geistliche auf den Philippinen | |
nicht vor leeren Bänken. „Wir hielten unsere erste Messe am Tag nach dem | |
Taifun, abends um 18 Uhr. Wir wollten damit ein Zeichen setzen, dass wir | |
immer da sind für unsere Gemeinde“, erinnert sich Oliver Mazo. Zwar gäbe es | |
momentan sonntags nur noch fünf Gottesdienste statt wie zuvor acht. „Aber | |
das liegt daran, dass wir Priester noch alle Hände voll damit zu tun haben, | |
unsere Kirche aufzuräumen.“ | |
## Hunderte kommen zur Frühmesse | |
Während noch Vögel um die zerborstenen Dachsparren fliegen, stehen die vom | |
Wasser weggeschwemmten Bänke längst wieder in Reih und Glied vor dem Altar. | |
Auch der Boden und die Wände des einst prächtigen Gotteshauses sind jetzt, | |
mehr als einen Monat nach dem Taifun, von den schwarzen Schlammkrusten | |
gesäubert. | |
Zur ersten Sonntagsmesse um 7 Uhr früh strömen Hunderte. Viele der | |
Kirchgänger haben schlecht passende oder zerrissene Kleidung an, doch | |
darauf achtet niemand. Dass sie überlebt haben, ist das, was zählt. „Hier | |
komme ich trotz all des Elends um mich herum zur Ruhe. Es gibt mir Halt, | |
dass ich wie früher jeden Tag zum Gottesdienst kommen kann“, sagt Eliza | |
Mendoza. Graue Strähnen durchziehen ihre schwarzen Haare, sie hat schon | |
viele Taifune und Tragödien erlebt in ihrem mehr als 50-jährigen Leben. | |
Aber „Haiyan“, das sei anders gewesen. „Diese totale Zerstörung, das hä… | |
niemand von uns für möglich gehalten“, sagt sie und schüttelt den Kopf. | |
„Doch es gibt ja auch schon wieder ein wenig Normalität. Mein Nachbar hat | |
sogar einen Weihnachtsbaum aufgestellt, obwohl sein Haus fast völlig | |
zerstört ist. Und schauen Sie, wir haben Parol an der Kirche hängen!“ | |
## Die leuchtenden Weihnachtssterne | |
Parol, das sind große, aus dem Muschelmaterial Capiz hergestellte Sterne, | |
die ab 24. November die tropischen Nächte erleuchten. Einige dieser Sterne | |
haben den Taifun überstanden und schmücken nun die Fassade der aus dem 17. | |
Jahrhundert stammenden St.-Niño-Kirche. Nur leuchten sie nachts nicht, es | |
gibt noch keinen Strom in diesem Teil der Stadt. „Und unser Generator, den | |
wir von einer ausländischen Hilfsorganisation bekommen haben, ist wegen | |
Überlastung dauernd kaputt“, zuckt Priester Mazo die Schultern. | |
Von der Kanzel sprechen er und seine Glaubensbrüder von Zusammenhalt und | |
Durchhaltekraft, von Dankbarkeit und Hoffnung. Es sind Worte der | |
Ermutigung, „sie tun mir gut“, sagt Eliza Mendoza. Und dass sie Weihnachten | |
feiern kann, wenn auch in den Ruinen ihres Hauses, das sei ein Lichtblick | |
in die Zukunft. | |
22 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Hilja Müller | |
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