# taz.de -- Julius Beucher über Behindertensport: Spannender geht es nicht | |
> Der Präsident des Deutschen Behindersportverbandes spricht über die Ziele | |
> des Olympiateams in Sotschi. Man will bescheiden auftreten. | |
Bild: Die deutsche Sledge-Eishockeynationalmannschaft auf dem Roten Platz in Mo… | |
taz: Herr Beucher, die endgültige Nominierung erfolgt zwar erst Anfang | |
Februar, aber es wird nur ein kleines deutsches Team Ski alpin und Ski | |
nordisch nach Sotschi reisen. Woran liegt das? | |
Julius Beucher: Viele Jahre hatten wir im paralympischen Wintersport mit | |
Verena Bentele, Martin Braxenthaler und Gerd Schönfelder internationale | |
Stars vorzuzeigen. Bei den Winter-Paralympics in Vancouver 2010 waren wir | |
erneut absolute Weltspitze. Dass dieses Leistungsniveau nicht dauerhaft zu | |
halten war, wussten wir. Also haben wir uns darauf konzentriert, in allen | |
Wintersportarten gleichmäßig Anschluss an die höchsten Standards zu | |
schaffen. | |
Nach Sotschi fahren wir mit einem hoch qualifizierten und ehrgeizigen, aber | |
bescheidenen Topteam, das gute Aussichten auf Spitzenplätze hat. Unseren | |
Nachwuchssportlern und dem Behindertensport wäre nicht gedient, wenn wir | |
eine aufgeblähte deutsche Mannschaft zu den Paralympics schickten, die mit | |
den führenden Nationen, die ein Vielfaches in die Vorbereitung gesteckt | |
haben, nicht mithalten könnte. | |
Ist Wintersport für Sportler mit Behinderungen nicht attraktiv? | |
Für Menschen mit Behinderungen bedeutet es höheren Aufwand, mit | |
komplizierten und schweren Ausrüstungen in entfernte Schneegebiete zu | |
reisen. Aber darunter leidet die Anziehungskraft der Wintersportarten | |
nicht. Im Gegenteil: Haben Sie schon mal einen Wettkampf im | |
Rollstuhlcurling verfolgt? Spannender geht es nicht. Und wenn Sie die | |
Begeisterung der Sledge-Eishockeyspieler schon erlebt haben, dann wissen | |
Sie, dass sich Einsatzwille und Kampfgeist vom Eishockey kaum | |
unterscheiden. Attraktiv ist das alles übrigens nicht nur für diejenigen, | |
die mitmachen, sondern auch fürs Fernsehpublikum. | |
Was tut der DBS, um Sportler für den Wintersport zu begeistern? | |
Wir betreiben keinen Schönwettersport. Menschen mit Behinderungen wollen | |
über das ganze Jahr in Bewegung sein. Und wo es Traditionen gibt, wo die | |
Berge nah sind, bieten unsere Vereine Wintersport an. Da müssen wir keine | |
künstliche Begeisterung entfachen. Allerdings müssen wir dafür sorgen, dass | |
es Trainingsmöglichkeiten und Wettkampfgelegenheiten gibt, dass Betreuer, | |
Trainer, Helfer und Mediziner in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen | |
und dass die Transporte gut organisiert sind. Diese Voraussetzungen sind | |
nicht überall perfekt erfüllt. Dazu brauchen wir zahlreiche ehrenamtlich | |
tätige Menschen und auch viel Geld. Und noch etwas: Schnee. | |
Mit welchen Zielen geht es nach Sotschi? | |
Wir maßen uns nicht an, im Wintersport weiterhin die Weltspitze zu | |
dominieren. Andere Staaten stecken ungleich höhere Summen in die | |
Fortentwicklung und Steigerung der Hochleistungen ihrer Athletinnen und | |
Athleten. Aber unsere deutsche Mannschaft wird auch in Sotschi | |
hervorragende Leistungen bringen und ist zu mehr als der einen oder anderen | |
Überraschung fähig. Eine Vorgabe für Pflichtmedaillen gibt es bei uns | |
nicht. Das Ziel unseres Topteams ist, gut aufzutreten und gut | |
abzuschneiden. Vierter, Fünfter, Sechster zu werden, heißt ebenso wie | |
Medaillengewinner zu den Besten der Welt zu gehören. Das zählt. | |
Die Spiele in Russland sind nicht ganz unumstritten. Sotschi steht in der | |
Kritik wegen des ökologischen Raubbaus, Russland wegen der Verletzung von | |
Menschenrechten. Was erklärt der DBS dazu? | |
Unsere Kernaufgabe ist, Menschen mit Behinderungen gleiche Teilhabe am | |
Alltag zu ermöglichen und ihnen gleiche Rechte zu verschaffen. Nach unserer | |
Auffassung sind die Menschenrechte behinderter und nichtbehinderter | |
Menschen unteilbar. Also treten wir gegen Benachteiligung und | |
Diskriminierung ebenso ein wie gegen Rassismus, Rechtsextremismus und | |
Sexismus. Und zwar überall, nicht nur in Russland. Gleichzeitig machen wir | |
uns für saubere und nachhaltige Wettkämpfe und Sportstätten stark. Es hat | |
keinen Sinn, für Spiele, die wenige Tage dauern, dauerhafte Schäden | |
anzurichten. Für diesen Grundgedanken erheben wir unsere Stimmen. Und wenn | |
es sein muss, wird auch protestiert. | |
5 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Torsten Haselbauer | |
## TAGS | |
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