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# taz.de -- Fußball im Rollstuhl: Die Teilhabe liegt auf dem Platz
> Behindertensportverband Berlin gewährt auf einem workshop Einblicke in
> eine andere Welt des Fußballs.
Bild: Die Veränderungen sind nicht nur auf den Zuschauerbereich beschränkt.
Berlin sieht sich selbst gern als Sportmetropole. Im Zentrum der
Aufmerksamkeit steht hierbei meist der Leistungs- und Spitzensport. Doch
der weitaus größere Teil des Sportlebens der Hauptstadt findet weit abseits
von Bundesliga und Champions League statt. Der Breitensport ist nach wie
vor einer der zentralen Integrations- und Teilhabebereiche unserer
Gesellschaft. Das gilt auch und insbesondere für Menschen mit
Behinderungen.
Wie nicht anders zu erwarten spielt dabei der Fußball eine zentrale Rolle.
In den Stadien der oberen Ligen etwa hat sich das Angebot für
Rollstuhlfahrer vielerorts enorm verbessert. Etliche Vereine, darunter auch
Hertha und Union, bieten zudem Audiokommentare für Blinde und Sehbehinderte
an. Die Veränderungen und Fortschritte sind jedoch bei Weitem nicht nur auf
den Zuschauerbereich beschränkt. In zunehmendem Maße und auf vielfältige
Weise spielen Menschen mit Behinderungen auch selbst Fußball.
Um einen Einblick in die Welt des Fußballs für Menschen mit Behinderungen
zu geben, veranstaltete der Behindertensportverband Berlin (BSB) am Samstag
auf dem Olympiagelände einen Workshop zum Thema, bei dem Interessierte aus
verschiedenen Sportvereinen Vorträge von drei Referenten lauschten und sich
über den Stand der Dinge austauschten.
Eine dort vorgestellte Spielart des Fußballs für Menschen mit Behinderungen
war der Blindenfußball, eine Variante des Fußballs, bei dem fünf gegen fünf
mit einem speziellen Ball gespielt wird, der ein rasselndes Geräusch macht,
wenn er sich bewegt. Bereits seit 2008 gibt es in Deutschland eine
Bundesliga in diesem Sport, und von Beginn an nehmen auch Sportler aus
Berlin daran teil. In der gerade beendeten Saison 2013 wurde die
Spielgemeinschaft von Eintracht Braunschweig und dem Lichterfelder FC
beziehungsweise dem BFC Viktoria 89, wie er seit der Fusion heißt, siebter
von neun Teams. Was den Berlinern jedoch fehlt, ist die direkte Konkurrenz
vor Ort. Momentan müssen sie, um einen Gegner zu finden, mindestens bis
Chemnitz oder Hamburg-St. Pauli fahren.
Auch bei anderen Fußballvarianten für Menschen mit Behinderungen kennt man
in Berlin dieses Problem. Wheelsoccer, eine Art Rollstuhlfußball, das mit
einem Gymnastikball gespielt wird, oder auch Torball, eine weitere Art des
Fußballs für Blinde und Sehbehinderte, werden in Berlin gespielt. Aber die
Zahl der Aktiven reicht nicht für einen geregelten Spielbetrieb. Andere
Varianten wie etwa der Fußball für Menschen mit zerebralen
Bewegungsstörungen, bei dem sieben gegen sieben auf einem etwas kleineren
Spielfeld gespielt wird und das immerhin paralympische Disziplin ist, sind
in Berlin bislang überhaupt nicht vertreten.
Deutlich weiter ist man da schon beim ID-Fußball, also Fußball für Menschen
mit intellektuellen Beeinträchtigungen. Seit 2011 gibt es in Berlin ein
eigenes Ligensystem, die Scandic ID-Fußball-Liga, die vom BSB in
Kooperation mit dem Berliner Fußballverband (BFV), der unter anderem die
Schiedsrichter stellt, betrieben wird. Die Spieltage finden von Frühling
bis Herbst meist auf dem Körnerplatz gleich neben dem Trainingsgelände der
Hertha und im Winter in der Halle statt. Gespielt wird sieben gegen sieben
über zweimal 15 Minuten auf einem Kleinfeld. Die Regeln sind denen des
Hallenfußballs ähnlich – das heißt, es gibt kein Abseits, und bei Seitenaus
wird der Ball nicht eingeworfen, sondern eingerollt.
Nils Schildhauer, Projektleiter Fußball beim BSB, ist hoch zufrieden damit,
wie sich der ID-Fußball in Berlin entwickelt. „Vor fünf Jahren haben wir
mit fünf Teams angefangen“, sagt er. „Heute sind es 21 Teams, und das
allein ist schon ein Erfolg.“ Anders als in anderen Bundesländern nimmt man
es in Berlin nicht ganz so streng, was die Voraussetzungen zum Mitspielen
angeht. Während Spieler und Spielerinnen – wie die anderen genannten
Sportarten ist auch Fußball-ID grundsätzlich offen für alle Geschlechter –
anderswo oft nachweislich einen IQ von unter 75 haben müssen, reicht es
hier aus, in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung zu arbeiten oder
in einer entsprechenden Wohneinrichtung zu leben. Es sind jedoch auch
Ausnahmen für Freunde und Verwandte möglich. Denn, so Schildhauer, „es geht
ja vor allem um Inklusion und um Teilhabe“. Um dennoch sicherzustellen,
dass alle ihren Spaß am Spiel haben können, gibt es drei verschiedene
Leistungsklassen für verschiedene Grade der Beeinträchtigung.
Dass der Berliner ID-Fußball sich durchaus sehen lassen kann, beweist das
Team der Berliner Werkstätten für Behinderte (BWB), das nicht nur die
höchste Spielklasse der Berliner Liga dominiert, sondern auch kürzlich die
Deutsche Meisterschaft der Werkstattmannschaften für sich entscheiden
konnte. Bleibt zu hoffen, dass andere Formen des Fußballs für Menschen mit
Beeinträchtigungen bald ähnliche Erfolgsgeschichten schreiben.
18 Nov 2013
## AUTOREN
Jan Tölva
## TAGS
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