| # taz.de -- Plädoyer im Ruanda-Völkermordprozess: Lebenslang minus sechs Mona… | |
| > Onesphore Rwabukombe habe sich des Völkermordes schuldig gemacht, meint | |
| > die Bundesanwaltschaft. Sie fordert lebenslange Haft. | |
| Bild: Onesphore Rwabukombe (l.) und seine Anwältin Natalie von Wristinghausen | |
| FRANKFURT taz | Im ersten Prozess wegen des Völkermordes in Ruanda vor | |
| einem deutschen Gericht soll der Angeklagte lebenslang hinter Gitter. Die | |
| Bundesanwaltschaft plädierte am Dienstag vor dem Staatsschutzsenat des | |
| Oberlandesgerichts Frankfurt auf lebenslange Haft minus sechs Monate – | |
| lebenslang wegen Völkermordes mit „besonderer Schwere“ der Tat; minus sechs | |
| Monate wegen der langen Verfahrensdauer. | |
| Seit Januar 2011 stand Onesphore Rwabukombe, einstmals Bürgermeister der | |
| ruandischen Gemeinde Muvumba, in Frankfurt vor Gericht, und es kamen in | |
| dieser Zeit wegen komplizierter Beweisanträge nur 116 Verhandlungstage | |
| zustande. Die Bundesanwaltschaft sieht nun Rwabukombes Mittäterschaft an | |
| einem Massaker, das ruandische Soldaten und Hutu-Milizionäre am 11. April | |
| 1994 in der Kirche des ruandischen Dorfes Kiziguro begingen, als erwiesen | |
| an. | |
| Schätzungsweise über 1200 Menschen – die Staatsanwälte gehen jetzt | |
| vorsichtig von „mindestens 400, wahrscheinlich 500 bis 1000 oder mehr“ aus | |
| - starben bei dem Gemetzel. Männer wurden von Frauen und Kindern getrennt | |
| und separat massakriert, Zivilisten und auch Tutsi – in der Hoffnung aufs | |
| Überleben – wurden gezwungen, die Leichen zu sammeln und in einen Brunnen | |
| zu werfen. | |
| Der 28 Meter tiefe trockene Brunnenschacht war schon zu 90 Prozent mit | |
| Leichen gefüllt, weitere Tote lagen auf dem gesamten Kirchengelände | |
| verstreut, als wenige Tage später die heute in Ruanda regierende damalige | |
| Tutsi-Rebellenbewegung RPF (Ruandische PatriotischeFront) den Ort befreite | |
| und die wenigen Überlebenden rettete. Einige dieser Überlebenden sind jetzt | |
| auch Zeugen in Frankfurt gewesen. | |
| ## „Der Täter hinter den Tätern“ | |
| Rwabukombe sei „nicht nur Strippenzieher, sondern Leiter und Organisator | |
| vor Ort“ gewesen, so Oberstaatsanwalt Christian Ritscher in seinem | |
| Plädoyer. Er sei an der Meinungsbildung im Vorfeld und auch an der | |
| Ausführung vor Ort beteiligt gewesen, er sei „der Täter hinter den Tätern�… | |
| Rwabukombe habe, so hätten Zeugen ausgesagt, die Hutu-Milizionäre auf das | |
| Kirchengelände begleitet und aufgefordert, mit der „Arbeit“ zu beginnen – | |
| also mit dem Töten. „Sein Aufruf war Auslöser“, so Ritscher. | |
| Die hohe Anzahl der Toten und der Umstand, dass Rwabukombe vorher extra | |
| Tutsi aus einem Krankenhaus in die Kirche hatte ziehen lassen und dann | |
| während des Massakers noch für Nachschub an Hutu-Milizionären sorgte, | |
| gebiete es, über den Vorwurf der Mittätterschaft beim Völkermord hinaus | |
| eine „besondere Schwere der Schuld festzustellen“, so Ritscher weiter: „V… | |
| Angeklagten war eine größtmögliche Zahl von Morden beabsichtigt“. | |
| Ursprünglich hatte die Anklage Rwabukombe noch zwei weitere Massaker zu | |
| Last gelegt; diese Vorwürfe wurden aber bereits Ende 2011 fallengelassen. | |
| Lückenhafte und teils widersprüchliche Zeugenaussagen machen eine genaue | |
| Beweisführung in Ruanda-Völkermordprozessen schwierig, insbesondere nach so | |
| langer Zeit. Für die Anklage ist dies aber auch ein Beweis dafür, dass | |
| Ruandas Regierung nicht, wie von der Verteidigung zielstrebig behauptet, | |
| die Zeugen manipuliert habe: Manche Zeugen hätten überraschenderweise | |
| Entlastendes vorgebracht, und dass die direkten Opfer, in Todesangst, sich | |
| unterschiedlich an ihr unmittelbar Erlebtes erinnern, sei nur normal. | |
| Wenn überhaupt, hätten Verbündete des Angeklagten versucht, in Ruanda Druck | |
| auf Zeugen auszuüben, so die Bundesanwälte unter Verweis auf mindestens | |
| eine Bedrohung einer Zeugin nach ihrer Aussage in Deutschland: „Es gibt | |
| Kräfte in Ruanda, die den Angeklagten mit allen Mitteln entlasten oder | |
| Belastungszeugen diskreditieren wollen.“ | |
| ## Ein historisches Verfahren | |
| Es war ein historisches Verfahren – nicht nur, weil noch nie der Völkermord | |
| an über 800.000 Tutsi in Ruanda 1994 vor deutschen Richtern verhandelt | |
| worden ist, sondern auch, weil damit erstmals in der deutschen | |
| Justizgeschichte das Völkerstrafgesetzbuch von 2002 angewandt wird, das die | |
| Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit weltweit gebietet, | |
| sofern es einen Bezug zu Deutschland gibt. Rwabukombe lebt seit 2002 mit | |
| Familie in Frankfurt, genießt politisches Asyl und hatte bereits in den | |
| 1980er Jahren in Trier studiert. | |
| Die Anklage fordert Rwabukombes Verurteilung nach dem Völkermordparagraphen | |
| 6 des Völkerstrafgesetzbuches, das den entsprechenden Paragraph 220 des | |
| Strafgesetzbuches ersetzt. Ferner wirft sie ihm Mittäterschaft nach | |
| Paragraph 25.2 des Strafgesetzbuches vor. Es sei dafür unerheblich, ob das | |
| Massaker auch ohne sein Mitwirken stattgefunden hätte oder nicht – für | |
| einen staatlich organisierten Massenmord sei es typisch, dass die Akteure | |
| austauschbar seien. | |
| „Was hier zur Sprache gekommen ist“, so Ritscher, „ist ein Ausschnitt aus | |
| einem der blutigsten Kapitel der jüngsten Menschheitsgeschichte“. Deswegen | |
| werde dieser Prozess „Rechtsgeschichte schreiben“. | |
| Am Mittwoch plädiert die zivile Nebenklage, die die Überlebenden von | |
| Kiziguro vertritt; nächste Woche ist die Verteidigung dran, bevor am 18. | |
| Februar das Urteil fällt. | |
| 28 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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