| # taz.de -- Berlinale: Was bisher geschah: Alle eine große Familie | |
| > Gleich zwei Hollywoodproduzenten sitzen dieses Jahr in der Jury – mit | |
| > gegensätzlichen künstlerischen Positionen. James Bond gegen Arthouse? | |
| Bild: Patriarch James Schamus (links), mit seiner Familie – äh, Jury. | |
| Filmfestivals profilieren sich genauso über ihre Filmauswahl wie über die | |
| Besetzung ihrer Jury. Bei beiden muss die Mischkalkulation aus | |
| Glamourfaktor, Filmkunst und gesellschaftlicher Relevanz stimmen. Die | |
| Zusammensetzung gibt schon im Vorfeld Anlass zu Spekulationen über mögliche | |
| Kriterien bei der Preisvergabe. | |
| Was es also zu bedeuten hat, dass in der diesjährigen Jury mit dem | |
| Vorsitzenden James Schamus und mit Barbara Broccoli gleich zwei | |
| Hollywoodproduzenten vertreten sind, war eine Frage, die die Journalisten | |
| bei der Pressekonferenz am Donnerstag beschäftigte. Schamus und Broccoli | |
| stehen für zwei gegensätzliche künstlerische Positionen: James Bond gegen | |
| Arthouse, wie es eine Journalistin formulierte. | |
| Schamus bemühte sich jedoch, gleich abzuwiegeln: Eine Jury – wie ja das | |
| Kino überhaupt – sei schließlich eine große Familie, in der Streitigkeiten | |
| und Widersprüche zum Alltag gehören. Er fügte sich dann auch artig die | |
| Rolle des Familienoberhauptes, seine Statements erreichten eine mitunter | |
| staatstragende Qualität. Ja, alle seien stolz, Mitglied dieser Jury zu | |
| sein. Nein, man werde keine Prognosen zum Wettbewerb abgeben. Und über | |
| moralische Standpunkte bei der Preisvergabe müsse sich auch niemand sorgen | |
| – dafür habe die Auswahlkommission bereits gesorgt. | |
| Da in diesem Jahr gleich drei chinesische Filme im Wettbewerb laufen, stand | |
| auch Hongkong-Star Tony Leung im Mittelpunkt des Interesses. Doch viel mehr | |
| als die üblichen Höflichkeitsfloskeln waren auch ihm nicht zu entlocken. So | |
| plätscherte die Pressekonferenz etwas spannungsarm dahin. | |
| Michel Gondry wollte nicht so recht wach werden, wozu zweifellos die | |
| belanglosen Fragen einiger anwesender Journalisten beitrugen. Christoph | |
| Waltz saß etwas missmutig daneben, und machte ebenfalls keine Anstalten, | |
| aus der Rolle des altklugen Stinkstiefels auszubrechen. Immerhin hatte er | |
| ein paar Lacher auf seiner Seite. An Berlin vermisse er den Strand; und das | |
| Essen – was wohl als Seitenhieb auf Dieter Kosslick zu verstehen ist – sei | |
| in Cannes auch besser. | |
| Der Aufregung unter den Pressevertretern tat das Geplänkel keinen Abbruch. | |
| Da wurde Greta Gerwig, die zur allgemeinen Überraschung brünett auf die | |
| Bühne trat, fälschlicherweise für den Oscar nominiert beziehungsweise | |
| Christoph Waltz ein Oscar abgesprochen, und Michel Gondry musste eine end- | |
| und höhepunktlose Lobeshymne über sich ergehen lassen. | |
| Das wahrscheinlich einzig interessante Statement der gesamten | |
| Pressekonferenz, von der iranischen Künstlerin Mitra Farahani, blieb | |
| dagegen „lost in translation“, weil der Autor dieser Zeilen dummerweise | |
| vergessen hatte, am Eingang ein Headset einzustecken. So begann der erste | |
| Berlinale-Tag etwas unbefriedigend. Glücklicherweise liegen ja noch zehn | |
| vor uns. | |
| 7 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Busche | |
| ## TAGS | |
| Jury | |
| Hollywood | |
| Christoph Waltz | |
| Dieter Kosslick | |
| Greta Gerwig | |
| Oscarverleihung | |
| Wes Anderson | |
| Hollywood | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Komödie „Mistress America“: Das Ich der eigenen Likes | |
| Nach „Frances Ha“ ist „Mistress America“ die zweite enge Zusammenarbeit | |
| zwischen Noah Baumbach und Greta Gerwig. Ein gelungener Film. | |
| Oscarverleihung 2014: Mittel budgetiertes Qualitätskino | |
| Das Nominierungsverfahren ist kompliziert. Aber die Liste am Ende hätte | |
| jeder halbwegs regelmäßige Kinogänger zusammenstellen können. | |
| Michel-Gondry-Film auf der Berlinale: Charmant genutztes Missverstehen | |
| Der französische Filmemacher trifft auf Noam Chomsky und dokumentiert das | |
| Gespräch als Animation. Vieles, was unerwähnt bleibt, wird im Gekrakel | |
| erhellt. | |
| Michel-Houellebecq-Film auf der Berlinale: Der Narzisst als hässliches Kind | |
| „L’enlevement de Michel Houellebecq“ handelt vom Kidnapping eines Autors. | |
| Der Film ist eine faszinierend konsequente Selbstdemontage. | |
| „Snowpiercer“ auf der Berlinale: Schockstarrer Planet Erde | |
| „Snowpiercer“ von Bong Joon-ho ist der teuerste koreanische Film aller | |
| Zeiten – mit einem unwilligen Produzenten. Mit dabei: Tilda Swinton mit | |
| Überbiss. | |
| Berlinale Staralbum: Ralph Fiennes: Der kurz Erwachte | |
| Ralph Fiennes ist das neueste Mitglied der Wes-Anderson-Familie – doch auf | |
| dem Podium ist von der Noblesse seiner Figur wenig zu spüren. | |
| Eröffnungsfilm der Berlinale: Länder, die wie Wodkamarken klingen | |
| Wes Andersons Tragikomödie „Grand Budapest Hotel“ karikiert den | |
| untergegangenen Glanz des alten Europa. Und punktet mit skurrilen | |
| Charakteren. | |
| Berlinale Staralbum: Filmstudio Babelsberg: Das Wandelbare | |
| Bei der diesjährigen Berlinale zeichnet sich das Filmstudio Babelsberg für | |
| auffällig viele Filme verantwortlich. | |
| Nachwuchs auf der Berlinale: Von wegen Schülerzeitungsniveau | |
| Horror und schwarze Komödie: Die „Perspektive Deutsches Kino“ präsentiert | |
| ein Best-of der Filmakademien, erfreulich international und vielfältig. |