# taz.de -- Reeder Schües über das Hanseatische: „Das wäre angeberisch“ | |
> Für den Hamburger Reeder Nikolaus W. Schües kann auch dazugehören, wer | |
> nicht viel Geld hat. Die Regeln sollte er aber schon kennen. | |
Bild: Es ist angerichtet - aber nicht für jeden: Das Matthiae-Mahl 2014 im Ham… | |
taz: Herr Schües, wer ist eher Hanseat – Henning Voscherau oder Ole von | |
Beust? | |
Nikolaus W. Schües: Ich würde sagen, beide auf ihre Art. Der junge | |
Voscherau war ein willkommener Gast im Hause von Herrn von Beust senior, | |
dem damaligen Bezirksamtsleiter von Wandsbek. Herr von Beust senior war | |
prägend auch für die jüngeren Sozialdemokraten – nicht nur für die jungen | |
CDU-Mitglieder. Insofern ist er der Parade-Hanseat. | |
Welche Eigenschaften zeichnen einen Parade-Hanseaten aus? | |
Aus meiner Beobachtung – ich bin hier geboren und meine Vorfahren sind 1665 | |
aus der Schweiz eingewandert – sind drei, vier exemplarische Merkmale | |
wichtig. Das eine ist das Understatement. Die Kaufleute mussten sich früher | |
in eine Liste eintragen, damit man ihre Steuerhöhe berechnen konnte. Man | |
trug sich immer ein, auch wenn man in dem Jahr nicht so viel verdient | |
hatte, damit man im Ranking der anderen nicht absackte. Daraus ergab sich | |
als Kultur, nicht als Erziehung, dass man immer gleich bleibt: Man zeigt | |
nicht, dass man viel verdient hat, und man zeigt es auch nicht, wenn man | |
mal ein schlechtes Jahr hat. Das ist eine Schutzmaßnahme nach unten und | |
nach oben. | |
Die Familie Godeffroy war im 19. Jahrhundert bekannt dafür, dass sie ihren | |
Reichtum zur Schau stellte. | |
Erstens gibt es ja auch heute in Hamburg Leute, die erkennen lassen, dass | |
es ihnen nicht schlecht geht. Das ist aber nicht eigentlich der Hanseat, | |
sondern die Ausnahme von der Regel. Zweitens war Hamburg immer eine | |
Republik. Die Hamburger Familien stellten unter sich die Abgeordneten und | |
damit die Senatoren und die Bürgermeister, wobei die Bürgermeister sehr oft | |
juristisch ausgebildete Leute waren und die Senatoren bis zum Ende des | |
Ersten Weltkrieges ehrenamtliche Senatoren – vormittags in der Firma, | |
nachmittags in der Behörde. | |
Was ist das Hanseatische daran? | |
Der Hanseat war nie auf eine militärische Konfliktlösung aus, sondern immer | |
auf eine Verhandlungslösung. Der Kaufmann verhandelt. Das hat sich im | |
30-jährigen Krieg sehr bewährt. Hamburg war eine neutrale Stadt und wurde | |
auch nicht angegriffen, weil sie Allianzen hatte. | |
Dann wäre auch der ehemalige Bremer Bürgermeister Hans Koschnick ein | |
Paradebeispiel, der sich ja vielfach als Verhandler bewährt hat. | |
Ja. Herr Koschnik war ja Hamburger und ging nach Bremen. Genauso wie | |
Bürgermeister Kaisen Hamburger war und nach Bremen ging. Zwischen Lübeck, | |
Hamburg und Bremen würde ich keine großen Unterschiede machen. Jeder ist | |
eigentlich verpflanzbar. Das zeigt sich auch heute in unserer sehr engen | |
Verzahnung zwischen Bremen und Hamburg – in der Politik und auch in dem | |
Gesellschaftlichen. Denken Sie an die Bremer Eiswette, wo genauso viele | |
Hamburger wie Bremer sind. | |
Und die dritte Eigenschaft? | |
Das ist der enge Bezug zu London. Schon 1266/67 hat König Heinrich III. | |
Hamburg das Privileg der Hanse gegeben. Diese enge Verbindung zu London | |
besteht heute noch: Die Hamburger fahren zur Lord Mayors’ Show. Der Lord | |
Mayor, der 785. inzwischen, sehr vergleichbar mit dem Präses der | |
Handelskammer, wird einmal im Jahr neu gewählt. Die Handelskammer hat | |
gerade ihren 233. Präses – ich war der 230. –, weil unsere Wahlperioden | |
länger sind. Diese Verbindung mit England hat dazu beigetragen, dass man | |
geguckt hat: Wie machen die das? | |
Gibt es auch Charaktereigenschaften, die Sie als hanseatisch bezeichnen | |
würden? | |
Es gibt das Klischee des Pfeffersacks, das den Hanseaten anhaftet. Das | |
hatte damit zu tun, dass die Leute, die im Senat handelten, sehr sparsam | |
waren und in Kultur wenig investierten. Aber die Hamburger Kaufleute waren | |
privat sehr viel kunstaffiner als fast alle Kaufleute in ganz Deutschland. | |
Speziell die Hamburger? | |
Ende des 18. Jahrhunderts war Hamburg das Kunst-Trading-Center. Hier | |
verkauften die Holländer ihre Bilder – und zwar nach ganz Europa. Die | |
Adligen und Kirchen, die kauften, konnten hier finanzieren. Das bedeutete, | |
dass die Kaufleute mit dieser Kunst in Berührung kamen und sammelten. | |
In Zeugnissen aus dem 18./19. Jahrhundert heißt es, die Hanseaten seien | |
sehr dem Genuss zugetan gewesen. Heute ist eher die Rede von Nüchternheit, | |
Zurückhaltung, Gelassenheit, Zuverlässigkeit. | |
Man hat sich auch angewöhnt, dass man sich darauf verlassen musste: Was ein | |
Kaufmann sagte, galt. Das heißt: Der Handshake und damit sein Wort war sein | |
Bond. Er kriegte keine Bankgarantie, sondern er hat gesagt: Das machen wir | |
oder das machen wir nicht. Heute gilt in der Schifffahrt immer noch das | |
gesprochene Wort. Man wiederholt zwar heute alles mit E-Mail, aber wenn Sie | |
mit mir am Telefon einen Abschluss machen, dann gilt der. Das ist durch | |
Gerichte mehrfach festgestellt worden. Es ist unglaublich wichtig, dass man | |
seine Worte wägt. | |
Ist es das, was einen ehrbaren Kaufmann ausmacht, wie er von der | |
Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns am Silvestertag repräsentiert wird? | |
Der Ehrbare Kaufmann ist eine ganz alte Vereinigung. Er wählte früher den | |
Präses der Handelskammer – heute macht das das Plenum. Dabei ging es um | |
etwas Ähnliches wie das, was man heute „Good Governance“ nennt: Was tut man | |
und was tut man nicht. Das ist heute noch unheimlich wichtig. Es gibt | |
Leute, die irgendetwas machen, von dem die Mehrheit aller in der Kammer | |
zusammengeschlossen Kaufleute sagen: Das ist zwar erlaubt, aber das tut man | |
trotzdem nicht. | |
Was wäre das? | |
Zum Beispiel angeben, sich mit irgendetwas brüsten. Die Häuser sind ja auch | |
relativ zurückhaltend. Es gibt im Grunde genommen keine Pracht- oder | |
Prunkbauten. Das tut man nicht, weil das angeberisch wäre. Das hat sich bis | |
heute erhalten. | |
Kann man sich zu Lebzeiten zum Ehrenbürger erklären lassen? | |
Der Ehrenbürger wird von der Bürgerschaft einstimmig gewählt. Es ist sehr | |
erfreulich, dass das konsensual gemacht wird. Die Ehrenbürger, die wir | |
heute haben, das sind ja herausragende Persönlichkeiten: Helmut Schmidt, | |
Uwe Seeler, Michael Otto. Man versucht, das ein bisschen zu streuen. | |
In jüngster Zeit waren ja bisweilen konkrete Leistungen für die Stadt mit | |
der Ehrenbürgerwürde verknüpft. | |
Uwe Seeler hat als Vorzeigesportler für das Renommee der Stadt sehr viel | |
gemacht: durch seine Leistungen – seine Fallrückzieher waren phänomenal –, | |
durch sein faires Verhalten und seine Sparsamkeit. Uwe Seeler hat mir | |
erzählt, dass er damals allenfalls die Fahrkarte bezahlt kriegte, wenn sie | |
irgendwo spielten. | |
Mir würde das Ehepaar Greve einfallen, das große Summen für die Universität | |
und für die Elbphilharmonie gespendet hat und dann die Ehrenbürgerschaft | |
bekam. Fällt das unter Angeberei? | |
Was Sie gesagt haben, habe nicht ich gesagt. | |
Muss man Kaufmann oder Jurist sein, um als Hanseat gelten zu können? | |
Unsere herausragenden Sozialreformer, Wichern und wie sie alle heißen, das | |
waren garantiert unglaublich gute Hanseaten – auch die großen Pastoren. | |
Hamburg ist geprägt durch die Kaufleute: die Bankiers, die Reeder, die Im- | |
und Exporteure und nachher auch die Industriellen. | |
Gibt es auch hanseatische Beamte oder Arbeiter? | |
Das strahlt sehr gut ab. Die Beamten orientieren sich heute noch an den | |
früheren Syndices, die heute Staatsräte heißen. Nach meinem Geschmack gibt | |
es zu viel Wechsel bei den Staatsräten. Das sind eigentlich die | |
Stabilitätssäulen in der Verwaltung. Das sind die Fachleute – in der Regel | |
eben Juristen –, an denen sich die Beamtenschaft orientiert. Die | |
hamburgische Beamtenschaft hat bundesweit einen exzellenten Ruf. Solide, | |
sicher parteipolitisch orientiert, weil sich das so entwickelt hat, aber im | |
Grunde genommen loyal gegenüber denen, die gewählt sind. | |
Und die Arbeiter? | |
Bei den Arbeitern gibt es ganz andere Kriterien: Die sind solide. Aber ich | |
glaube, dass die Arbeiter in anderen Städten auch solide sind. Der | |
Hamburger Arbeiter war im Wesentlichen Werftarbeiter und Seemann. Die | |
Kapitäne, Offiziere und ihre Besatzungen hatten weltweit einen | |
unglaublichen Ruf. | |
Woher kam der? | |
Das wurde an der Schnelligkeit der Reisen gemessen. Bei der Leistung würde | |
ich in jedem Fall die Besatzung einschließen – auch was die Sparsamkeit | |
angeht. | |
Hat das mit dem Protestantismus zu tun? | |
Ganz gewiss. Heute gibt es ja keine Abgrenzungen mehr zwischen katholisch | |
Gläubigen, evangelisch Gläubigen und Nicht-Gläubigen. Es gibt eher | |
Abgrenzungen zu anderen Religionen, hauptsächlich Muslimen. Der jüdische | |
Glaube war in Hamburg wunderbar anerkannt. Die Spitzen der Gesellschaft | |
waren jüdisch verwandt und verschwägert. Sie finden keine Hamburger | |
Familie, die nicht irgendwo jüdische Wurzeln hätte. Die Hamburger | |
Gesellschaft hatte keine antisemitischen Tendenzen. Dass Hitler in Hamburg | |
nicht vorgekommen wäre, ist zwar absolut übertrieben – vielleicht nicht so | |
viel wie woanders –, aber der kam hier eben auch vor. | |
Antisemitische Vorfälle gab es aber in Hamburg. | |
Das gab’s immer. Es gab ja leider auch Arisierungsgewinnler. Das lässt sich | |
gar nicht wegdiskutieren. Aber das gehört unter die Rubrik, die wir vorhin | |
diskutierten: Das tut man nicht. Das ist ein gutes Beispiel. Wer das tat, | |
war gesellschaftlich geächtet. | |
Lassen Sie uns über Äußerlichkeiten sprechen. Wenn ich mich tarnen müsste: | |
Wie ginge ich als Hanseat durch? | |
Da gibt es tatsächlich eine gewisse Gewohnheit: möglichst dunkler Anzug mit | |
Schlips. Es gibt in jüngeren Generationen heute Leute, die sagen, der | |
Schlips muss nicht sein. Das ist aber noch absolut die Ausnahme. | |
Und in der Freizeit? | |
Sport. Der Sport spielt beim Hanseaten eine unglaubliche Rolle. Das ist der | |
Einfluss von London. Die Ruderer kamen von Oxford und Cambridge, sahen die | |
Alster und sagten: Das ist ja ideal! Der Hamburg-Germania-Ruderclub ist | |
1860 gegründet worden. Sofort wurde gegen Oxford und Cambridge gerudert. | |
Hockey kam hierher, dann auch Fußball - über Frankreich übrigens -, Segeln | |
selbstverständlich und Golf. Der erste Golfplatz war in Kiel, der zweite in | |
Baden-Baden, der dritte in Hamburg. | |
Und Polo? | |
Das kam durch das Reiten. Alle diese Sportarten verbanden, weil man | |
international kämpfte. Und da war man sportlich. Da sich falsch anzuziehen, | |
ist verwerflich. Da habe ich Sachen erlebt, die passierten nur Leuten, die | |
nicht aus Hamburg waren. | |
Zum Beispiel? | |
Keine Namen! | |
Einverstanden, aber wo lag denn der Fauxpas? | |
Ich erzähle Ihnen zwei Erlebnisse ohne Namen: Wir haben im Hamburger | |
Golfclub den Hanseatenpokal von 1912. Das ist ein bundesweites Wettspiel. | |
Zur Preisverleihung wird ein Senator eingeladen. Der Senator rief mich an: | |
"Ich komme ja gerne, aber darf ich meine Frau mitbringen?" - "Ich sage: | |
Sehr gerne, wir freuen uns, wenn die Damen mitgehen. Aber: Festes Schuhzeug | |
bitte, denn wir gehen ja die letzten zwei, drei Löcher mit." - Die gnädige | |
Frau kam mit Stöckelschuhen. Das wäre einer Hamburger Dame nicht passiert. | |
Und dann fragte dieser Senator mit dem mitgebrachten Vorurteil: "Wer spielt | |
denn hier alles?" - Ich sagte, "der Leader ist Polizist, aus Hannover." Und | |
der zweite war irgendwo Lehrling. Bei der Preisverteilung sagte dann der | |
Senator: "Und ich freue mich ganz besonders, dass der Sieger einer von uns | |
ist." Das war nicht hanseatisch. | |
Und das zweite Erlebnis? | |
Ein internationales Wettspiel der Damen. Es wurde wieder eine Senatorin | |
gebeten. Als ich eintraf kam schon der Geschäftsführer des Clubs und sagte: | |
"Katastrophe, Katastrophe!" Ich sage: "Was ist denn?" - "Ja, die Senatorin: | |
in Jeans und einer komischen Jacke." Dagegen die jungen Damen - alle | |
schnieke in ihren Uniformen: Rock, weiße Bluse, rote, blaue, grüne Jacke. | |
Das war eine richtige Katastrophe, weil diese Senatorin den Sport und die | |
Preisverteilung völlig falsch eingeschätzt hatte. Jeans sind auf dem | |
Golfplatz nicht erwünscht. Das war eben auch keine Dame aus Hamburg, | |
sondern zugereist. Daran sehen Sie den Unterschied. | |
Was trägt man auf dem Golfplatz? | |
Entweder eine Cordhose oder eine Sport-Leinenhose. Es gibt da Vieles, aber | |
keine Bluejeans. Das ist nun wirklich tabu. Und das muss man wissen oder | |
fragen. Und man trägt auch keine Stöckelschuhe, sondern feste Schuhe, weil | |
man sonst einsackt. Dabei geht der Rasen kaputt und die Schuhe. | |
Gibt es Themen, über die man redet und über die man nicht redet? | |
Es wird nicht darüber gelästert, wenn es jemandem schlechter geht. Darüber | |
wird nicht gesprochen, weil in der Hamburger Gesellschaft das Geld keine | |
Rolle spielt. Man hört nicht auf, Sie einzuladen, nur weil Sie irgendwo | |
Pech hatten. Das tut man nicht. | |
Man muss aber erst einmal dazugehören. | |
Aber das bedeutet nicht Geld, sondern Nettigkeit. Der Hamburger ist sehr | |
offen. Es wird uns immer wieder von Leuten gesagt, die dazukommen: Ich bin | |
so nett aufgenommen worden. Sie werden eingeladen, Sie gehen in die | |
Rotary-Clubs, in die Sport-Clubs. Wenn Sie nett sind und auch ein bisschen | |
mitmachen, dann sind Sie sehr schnell dabei. Sie waren natürlich nicht in | |
der gleichen Sandkiste. | |
Ist es schwierig, von den Clubs aufgenommen zu werden? | |
Das kommt sehr darauf an. Es gab mal eine Zeit, da hatten alle Golfclubs | |
lange Wartelisten. Das ist vorbei. Heute kommt man relativ schnell in diese | |
Clubs, weil es auch dort einen Alterungsprozess gibt und man natürlich gute | |
Leute haben will. Nach wie vor braucht man aber zwei Bürgen. | |
Es gibt auch Clubs nach englischer Manier. | |
Die Gesellschaft Harmonie wird dieses Jahr 225 Jahre alt. Sie ist gegründet | |
worden von einem Zuwanderer aus Mecklenburg, gleich nach der Französischen | |
Revolution. Anfang des letzten Jahrhunderts war sie sehr groß. Jetzt ist | |
sie limitiert auf ungefähr 200 Mitglieder. Ich bin dort schon seit über 50 | |
Jahren Mitglied und Ehrenmitglied. | |
Was spielt sich da ab? | |
Ursprünglich handelte es sich um eine Vereinigung von Männern zum erlaubten | |
Spiel. Da wurden Zeitungen ausgelegt - vor dem Krieg war es praktisch eine | |
Lesegesellschaft. Heute gibt es fünf karitative Aktivitäten, die | |
gemeinnützig sind. Es gibt zum Beispiel die Partnerschaft mit verschiedenen | |
Städten und den Kulturpreis. Es gibt auch einen Mittagstisch einmal die | |
Woche und dann gibt es das jährliche Herrenessen. Im Grunde genommen ist | |
man miteinander befreundet. Der größte Hamburger Club ist heute der | |
Überseeclub, wo Männer und Frauen zugelassen sind. In der Harmonie sind die | |
Frauen zwar dabei, aber Mitglied ist nur der Mann. Dann gibt es den | |
Anglo-German-Club und den Union-Club. Das ist auch ein sehr alter Club - | |
ganz exklusiv. | |
Wird man angesprochen, ob man Mitglied werden möchte? | |
Ja. | |
Mit dem Hanseatentum wird auch eine besondere Liberalität verbunden. | |
Ganz wichtig, weil Hamburg ja immer eine Republik war. Da müssen Sie ja | |
eine liberale Haltung haben. Das war aber ganz früher nicht so. Altona war | |
sehr viel liberaler. Deswegen gibt es den großen jüdischen Friedhof in | |
Altona und nicht in Hamburg. Hamburg hat sich da weiterentwickelt. | |
Wo liegen die Grenzen der Liberalität? | |
Im Erlaubten. Dass es hier in Hamburg die Herbertstraße gibt, den | |
St.-Pauli-Kiez, war sehr praktisch gedacht. Denn die Seeleute kamen von | |
einer langen Reise und bevor die nun suchen mussten, wo eine junge Frau zu | |
finden ist, gingen die in die Herbertstraße. Hier wurden die Mädchen und | |
Frauen ärztlich untersucht, um die Seeleute zu schützen. | |
Ein Beispiel für die Grenzen des Erlaubten könnte auch die Rote Flora sein. | |
Die Rote Flora ist für mich ein Rätsel, weil die Leute, die da für ihre | |
Freiheiten auf die Straße gehen, nicht genau sagen, was sie eigentlich | |
wollen. Insofern hat es der Senat im Moment ganz schwer zu vermitteln. Es | |
wird ja zum Teil nur draufgehauen, um draufzuhauen. Und das ist natürlich | |
blöd. Das bringt ja nichts. | |
Den Besetzern geht es darum, den Status des Besetzens aufrecht zu erhalten | |
- ohne Vertrag, als Nische im System. Muss man da auch pragmatisch ein Auge | |
zudrücken? | |
Die Besitzverhältnisse sind schwierig. Das Haus ist an jemanden verkauft | |
worden, der wohl eine Immobilienspekulation anstrebt. Dazu hat der | |
Vorsitzende des Ehrbaren Kaufmanns bei der Jahresschlussversammlung gesagt: | |
Das tut man nicht. | |
Ist das Hanseatentum eher eine Ideologie oder eine Marke? | |
Ich will Ihnen ein Beispiel aus meiner Erfahrung erzählen: Wir hatten einen | |
mittelschwierigen Fall mit einem griechischen Reeder. Wir waren nicht | |
überein und es ging um 100.000 Dollar, eine große Summe. Wir trafen uns in | |
London und verhandelten. Ich sagte zu ihm: "Das können wir machen, mehr | |
nicht, dies ist mein hanseatisches Wort." Da gab er mir die Hand und sagte: | |
"Das ist ein Deal, wenn du das sagst." Das ist eine Marke. | |
7 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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