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# taz.de -- Raubtierfütterung in Kopenhagen: Lecker Giraffe
> Löwen ernähren sich von Fleisch, wie schockierend. Nun tobt ein
> enthemmter Mob. Aber was ist so schlimm daran, eine Giraffe zu
> verfüttern?
Bild: Der Löwe als Vegetarier? Diese Option gibt es nicht.
Es scheint für viele Tierfreunde eine ebenso überraschende wie
schockierende Erkenntnis zu sein, dass Löwen sich von Fleisch ernähren –
anders ist die weltweite Aufregung um den an sich wenig bemerkenswerten
Umstand, dass ein paar Raubkatzen eine Giraffe verputzen, nicht zu
erklären.
Im Gegensatz zu seinen Schicksalsgenossen in der afrikanischen Savanne
allerdings hatte der Fleischlieferant im Zoo von Kopenhagen einen Namen,
Marius, und war vor 18 Monaten dort geboren und von begeisterten
Zoobesuchern gefeiert worden. Allerdings wurde der Platz knapp, und das
Bolzenschussgerät machte aus dem ehemaligen Publikumsliebling Löwenfutter,
das fachgerecht vor den Augen wissbegieriger Zuschauer zunächst vom
Zootierarzt zerlegt und dann an die Endverbraucher weitergereicht wurde.
Nun tobt ein enthemmter Mob, Morddrohungen und Todeswünsche an den
Zoodirektor werden im Minutentakt ausgesprochen, Facebook, Twitter und
Kommentarspalten werden mit Verbalentgleisungen von Tierfreunden, die
zumindest der eigenen Art offenbar nicht viel abgewinnen können, regelrecht
überschwemmt.
Beim neuerdings so beliebten Instrument der [1][Online-Petition hatten über
25.000 Unterzeichner gefordert], das Huftier zu verschonen – und hätten
vermutlich wenig Bedenken gehabt, im Austausch dafür Markus Lanz
anzubieten. Nun fordern sie wenigstens den Kopf von Zoodirektor Bengt
Holst.
Empört wird darauf hingewiesen, Marius sei kerngesund und unschuldig
gewesen. Als ob die Kühe, Schweine oder Pferde, die täglich denselben Weg
gehen, sterbenskrank oder an irgendetwas schuldig wären. Wie überhaupt die
entscheidende Frage lautet: Was ist eigentlich so schlimm daran, eine
Giraffe zu verfüttern? Die Löwen hätten alternativ keine Tofu-Bratlinge
angenommen. Raubkatzen fressen Tiere, so einfach ist das.
Und vom tierschützerischen Gesichtspunkt aus ist eine Giraffe um nichts
wertvoller oder leidensfähiger als eines der Tiere, die sonst gefressen
werden. Im Gegenteil: Zumindest hatte Marius ein schönes Leben, bis er
final die Löwen erfreute, ganz anders vermutlich als deren sonstige
Mahlzeiten.
## Nichts spricht gegen den ungewöhnlichen Lunch
Auch aus Artenschutz-Sicht spricht nichts gegen den ungewöhnlichen Lunch.
Zwar sind Giraffen durchaus bedroht. Gerade auch deshalb ist es sinnvoll
und wichtig, sie in zoologischen Einrichtungen zu halten und zu vermehren.
Aus demselben Grund ist es aber zwingend erforderlich, die Zuchtbemühungen
international zu koordinieren, um langfristig eine genetisch möglichst
gesunde und vielgestaltige Population in menschlicher Obhut zu erhalten.
Deshalb werden von der europäischen Zoo-Vereinigung, der EAZA, Zuchtbücher
geführt, in denen festgelegt wird, welche Tiere wo leben und sich
fortpflanzen dürfen – und welche eben ausscheiden aus dem Rennen, so wie
Marius. Der hätte damit zwar durchaus noch weiter leben können, hätte ein
anderer EAZA-Zoo ihn aufgenommen; dafür stand aber niemand zur Verfügung.
Irgendein Rind wird dafür sehr dankbar sein.
An Nicht-EAZA-Mitglieder dürfen Zuchtbuch-Tiere hingegen nicht abgegeben
werden. Diese Regel ist zwar umstritten, soll aber sicherstellen, dass
nicht irgendwann Exemplare ungeklärter genetischer Abstammung auftauchen.
Das erklärt, warum das Angebot eines Privathalters und zweier
Nicht-EAZA-Zoos, Marius zu übernehmen, abgelehnt wurde.
## Niemand wird gegen seinen Willen zum Augenzeugen
Bleibt als letzter Aufreger die Tatsache, dass die Giraffe vor
interessierten Zuschauern und, offenbar besonders furchtbar, sogar vor
Kindern zerlegt und verfüttert wurde – laut den Medienberichten natürlich
vor „verstörten“ Kindern. [2][Wer sich das zugehörige Video] und die Bild…
allerdings ansieht, findet keinen Hinweis auf Verstörung. Warum auch?
Es handelte sich um eine angekündigte Veranstaltung, niemand wurde gegen
seinen Willen zum Augenzeugen. Eines Geschehens zumal, dass, wie der Zoo
richtig anmerkt, pädagogisch wertvoll und lehrreich ist. Für Fleisch
sterben Tiere, wenn die Nahrungsmittelindustrie das auch gerne vergessen
machen möchte. Die Kenntnis und das unmittelbare Erlebnis dieser
fundamentalen Tatsache führen aber nicht zur Verrohung, sondern im
Gegenteil zu einer bewussteren Würdigung der eigenen Nahrung, letztlich zu
Respekt gegenüber dem Geschöpf, das sein Leben lassen musste, damit andere
satt werden.
Wären mehr Menschen gegenwärtiger, wie das Schnitzel in die Pfanne und die
Wurst in die Hülle kommt, wären der besinnungslose Fleischkonsum samt
einhergehender Massentierhaltung in dieser Form kaum möglich. Wer nicht
akzeptieren kann, dass für eine Fleischmahlzeit ein Lebewesen unter niemals
besonders schönen Umständen und ganz sicher nicht freiwillig aus dem Leben
scheidet, der sollte halt Vegetarier werden.
Löwen allerdings haben diese Option nicht. Das Ende von Marius wäre also
selbst in einer besseren Welt ebenso sinnvoll wie richtig gewesen.
10 Feb 2014
## LINKS
[1] http://www.thepetitionsite.com/528/607/193/save-marius-the-giraffe-from-the…
[2] http://www.youtube.com/watch?v=ZzVxX8vCbYI
## AUTOREN
Heiko Werning
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