# taz.de -- Sotschi 2014 – Eiskunstlauf, Paar: Knacken sie die Nuss? | |
> Das sächsische Eiskunstlaufpaar hat alles gewonnen – nur nicht Gold bei | |
> Olympia. Das brauchen sie, um von den Deutschen endlich geliebt zu | |
> werden. | |
Bild: Titelkandidaten: Aljona Savchenko und Robin Szolkowy. | |
„Aljona und Robin, knackt die Nuss“, steht auf Transparenten ihrer Fans, | |
die ihretwegen nach Sotschi angereist sind. Eine Anspielung auf die | |
Kürmusik des Eislaufpaares Aljona Savchenko und Robin Szolkowy: | |
„Nussknacker“: Die Komposition Peter Tschaikowskis soll die Deutschen zu | |
olympischem Gold tragen. | |
Damit wollen die 30-jährige Aljona Savchenko und ihr vier Jahre älterer | |
Partner Robin Szolkowy ihre Karriere auf dem Eis krönen und beenden. Sie | |
haben alles geschafft, was Eiskunstläufer erreichen können. Achtmal wurden | |
sie nationale Meister, je viermal Europa- und Weltmeister. Nur der Sieg bei | |
Olympischen Spielen fehlt ihnen. | |
Die gebürtige Ukrainerin Aljona Savchenko war eigens für die Spiele des | |
Jahres 2006 in Turin eingebürgert worden, um dem Paar den Olympiastart zu | |
ermöglichen. Dem Erfolg schien nichts im Wege zu stehen. Doch kurz vor den | |
Winterspielen in Italien flog die Stasitätigkeit ihres Trainers Ingo Steuer | |
auf und brachte das Paar sportlich aus der Balance – beide wurden in Turin | |
nur Sechste. | |
Schlimmer noch als das sportliche Straucheln war das Problem in der | |
öffentlichen Aufmerksamkeit. Statt die Geschichte vom neuen deutschen | |
Traumpaar zu schreiben, taten die Zeitungen dies über IM „Torsten“, wie der | |
Stasiname von Ingo Steuer lautete. Savchenko und Szolkowy entschieden sich | |
dennoch, weiter bei ihm zu trainieren, obwohl er für seine Tätigkeit nicht | |
aus öffentlichen Geldern bezahlt werden durfte und Szolkowy die Förderung | |
durch die Bundeswehr verlor. | |
## Der lange Traum von Sotschi | |
Vier Jahre nach Turin ging das Eislaufpaar in Vancouver als haushoher | |
Favorit in den Wettbewerb. Doch überraschend platzierten die Preisrichter | |
zwei chinesische Duos vor ihnen. Savchenko/Szolkowy blieb, nach schwacher | |
Kür, immerhin Bronze. Wenige Tage später ihre Entscheidung: Wir laufen | |
weiter bis Sotschi. | |
Seitdem konzentrieren sie sich auf einen Traum, den Robin Szolkowy so | |
erzählt: „Wir stellen uns vor, es sind Olympische Spiele. Wir laufen in der | |
letzten Gruppe. Es geht um die Goldmedaille. Da passt die | |
Nussknacker-Musik. Und wir stehen den dreifachen Wurfaxel.“ Der dreifache | |
Wurfaxel ist eine Höchstschwierigkeit, den sie aktuell als einziges Paar | |
beherrschen. | |
Manchmal zumindest. Nach einem Sturz im Grand Prix vorigen November haben | |
sie ihn nicht mehr bei Wettbewerben versucht. „Aber beim Training schreit | |
der Wurfaxel danach, wieder ins Programm genommen zu werden“, sagt | |
Szolkowy. Ohne ihn ist kein Gold möglich. | |
Es soll, es muss ein Happy End geben – beide haben tatsächlich unter | |
traumhaften Umständen zueinander gefunden. Savchenko, die das Eislaufen auf | |
einem kleinen Teich nahe Kiew erlernt hat, wurde mit ihrem ersten, | |
ukrainischen Partner Stanislav Morosov Juniorenweltmeisterin. Als beide | |
sich trennten, fand die ausdrucksstarke Aljona Savchenko über eine Annonce | |
aus der Metropole Kiew in die sächsische Provinz, nach Chemnitz. „Dort ist | |
jetzt mein Zuhause“, sagt sie mit einer Mischung aus osteuropäischer | |
Färbung und sächsischer Mundart. Sie hat ein gutes Gespür für den | |
künstlerischen Part des Eislaufens. Sie entwirft die Kostüme. Sie ist | |
dominant, kreativ, aber auch launisch. | |
Da wäre aber noch die Geschichte über Robin Szolkowy, den besonnenen Part | |
des Trios: Geboren in Greifswald als Sohn einer DDR-Bürgerin und eines | |
tansanischen Medizinstudenten, musste er wie viele binationale Kinder in | |
der DDR ohne Vater aufwachsen, denn der musste nach Studienende die DDR | |
wieder verlassen. Robin Szolkowy fiel natürlich in seinem Land durch seine | |
dunklere Hautfarbe auf. | |
## Mutikulturelles Traumpaar ohne Resonanz | |
Aljona Savchenko und Robin Szolkowy sind freilich nur auf dem Eis ein Paar, | |
wahrgenommen werden sie jedoch, so gut wie alle Paare beim Eiskunstlaufen, | |
als eine Liebesverbindung. Beide haben das Zeug zu einem multikulturellen | |
Traumpaar auf dem Eis. Doch die Werbeindustrie meidet das Traumpaar. Woran | |
liegt das? Fragt man das Paar selbst, antwortet der Trainer. Und der sagt: | |
„An den Medien. Vor allem am Fernsehen, das kaum unseren Sport überträgt.“ | |
Und fügt an: „Und weil wir nicht im Fernsehen zu sehen sind, finden wir | |
auch kaum Sponsoren.“ So einfach sei das. Steuer sagt im Übrigen immer | |
„Wir“, wenn er von seinem Paar spricht. | |
Aber trifft es wirklich zu, dass TV-Sender wie ARD und ZDF Eiskunstlaufen | |
weitgehend in der Primetime ignorieren? Liegt es nur an der Sportart, die | |
doch in Ländern wie Japan, Südkorea, Kanada und in den USA Spitzenquoten | |
erzielt? Wäre das mit der öffentlichen Aufmerksamkeit anders, wenn sie | |
nicht Aljona Savchenko und Robin Szolkowy hießen, sondern etwa Anja Menzel | |
und Marius Bergmann? Würden dann ARD und ZDF ihre Meisterschaften | |
übertragen – so wie in den sechziger bis achtziger Jahren, als | |
Eiskunstlaufen am Abend alles andere überstrahlte? So wie zu Zeiten von | |
Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler oder Katarina Witt? | |
Würden die beiden dann durch Talkshows tingeln? Sind die beiden für Werbung | |
zu multikulturell? Robin Szolkowy zuckt die Schultern. „Das müssen Sie die | |
Werber fragen.“ Aljona Savchenko hingegen ist sich sicher: „Das kommt alles | |
noch. Jetzt konzentrieren wir uns auf Olympia.“ Das allerdings tun die | |
beiden und ihr Trainer, der bis vor sehr kurzer Zeit auch ihr Manager war, | |
seit einem Jahrzehnt mit Verbissenheit. | |
Vielleicht ist auch Ingo Steuer ein Problem. So hat er in seiner barschen | |
Art schon Journalisten angefahren und Interviews abgesagt, weil ihm | |
Training für sein Paar wichtiger war. Möglicherweise hat er also nicht | |
allein durch die Stasispuren in seinem Lebenslauf einiges an Porzellan | |
zerdeppert. Seinen Qualitäten als Trainer tat das nie Abbruch. | |
11 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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