Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte islamische Gruppen in Syrien: Assad und die Islamisten
> Wer vor der islamistischen Gefahr warnt, sollte die wichtigsten aktiven
> Gruppen voneinander unterscheiden können. Ein Überblick.
Bild: Assad oder Chaos – unter dem vom Regime stets artikulierten Schreckensb…
Seit Beginn des syrischen Aufstands sind Befürworter der Demokratie und
eines friedlichen multikonfessionellen Zusammenlebens der brutalen
Verfolgung durch das Regime ausgesetzt.
Für extremistische islamische Gruppen sind hingegen goldene Zeiten in
Syrien angebrochen. Das syrische Regime präsentiert sich dem Westen als
Verbündeter im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Tatsächlich ist
es mit diesem durch gemeinsame Interessen ursächlich verbunden.
Obwohl das Assad-Regime im Irakkrieg 2003 die Grenzen zum Irak öffnete und
syrischen wie arabischen Freiwilligen ermöglichte, unter dem Banner von
al-Qaida im Irak gegen das amerikanische Militär zu kämpfen, hatten
islamistische Extremisten, von einigen versprengten kleinen Gruppen
abgesehen, in der Vergangenheit keine aktive Präsenz in Syrien. Mit dem
Ausbruch des Aufstands änderte sich das jedoch. Al-Qaida begann, in Syrien
Fuß zu fassen.
Im Gefolge der Militarisierung des syrischen Aufstands Mitte 2011 öffnete
die Türkei ihre Grenzen und ließ ausländische Freiwillige ins Land. Diese
kamen, um gemeinsam mit syrischen Islamisten gegen das Regime zu kämpfen.
## Al-Qaida in Syrien
Im Januar 2012 gründete al-Qaida von ihrem Stützpunkt im Irak aus einen
syrischen Flügel, die Nusra-Front. Durch ihre strenge Disziplin und die
finanzielle Unterstützung durch al-Qaida erzielte die Nusra-Front
militärische Erfolge. Sie bekam bald Zulauf aus den Reihen der Freien
Syrischen Armee (FSA), der es sowohl an Struktur als auch an Finanzquellen
mangelt.
Das syrische Regime sah sich in seinem offiziellen Diskurs von der
„Bedrohung durch islamistische Terrorgruppen“ bestätigt und beschwor
Baschar al-Assad als Garant eines säkularen Staats und Beschützer der
Minderheiten.
Um dem vom Regime stets artikulierten Schreckensbild „Baschar al-Assad oder
das Chaos“ Nachdruck zu verleihen, wurden Anfang des Jahres 2012 Hunderte
Islamisten, die Mehrheit von ihnen Anführer salafistischer Gruppen, aus dem
Saidnaya-Gefängnis bei Damaskus entlassen.
Im April 2013 verkündete al-Qaida die Gründung einer neuen Gruppe:
Islamischer Staat in Syrien und der Levante (Isis). Die meisten
ausländischen Kämpfer und die radikalsten Mitglieder der Nusra-Front
schlossen sich Isis an. Der Unterschied zwischen den beiden
Al-Qaida-Ablegern liegt vor allem in ihrer Strategie.
## Islamist ist nicht gleich Islamist
Die Nusra-Front kämpft gegen die Truppen des Assad-Regimes, um nach dem
Sturz des Regimes einen islamischen Staat in Syrien zu gründen. Die Ziele
von Isis sind hingegen die Bekämpfung des schiitischen Islams und die
unmittelbare Errichtung eines islamischen, den Irak, Syrien und den Libanon
umfassenden Emirats.
Zahlenmäßig den anderen Gruppen weit unterlegen, hat Isis sich lediglich an
einigen direkten Kämpfen gegen das Regime beteiligt. Im Allgemeinen
konzentrieren sich Isis-Truppen darauf, in den bereits befreiten Gebieten
Ressourcen und strategisch wichtige Versorgungswege im Norden des Landes zu
kontrollieren.
Dabei konfiszierten sie die Waffen anderer bewaffneter Gruppen,
unterbrachen deren Versorgungslinien, verhafteten ihre Kämpfer und
übernahmen die Quartiere schwächerer Gruppen.
Trotz dieser Feindseligkeiten scheuten die FSA und die mit ihr verbündeten
Milizen aus Angst vor einem Zweifrontenkrieg vor einer Großoffensive
zurück. Bei der Bevölkerung führten das aggressive Auftreten der maskierten
Kämpfer und deren Versuche, die Gebiete unter ihrer Kontrolle zu
„islamisieren“, zu allgemeiner Ablehnung.
## Eine zweite Revolution?
Für zivilgesellschaftliche Kräfte und politische Aktivisten waren die
Eroberungen durch Isis die schlimmste Entwicklung des letzten Jahres. Nach
einer Welle von Entführungen, Folter und zum Teil öffentlichen
Hinrichtungen sahen sich oppositionelle Aktivisten gezwungen, sich zu
verstecken oder das Land zu verlassen. Zusätzlich hinderte die Bedrohung
durch Isis Journalisten und humanitäre Hilfsorganisationen daran, in diesen
Gegenden tätig zu werden.
In der ersten Januarwoche 2014 erhoben sich die Bewohner der „befreiten
Gebiete“ im Norden des Landes gegen Isis. In mehreren Städten fanden
Demonstrationen gegen Isis statt, bei denen sie als Verbündete des Regimes
beschimpft wurden. Vertreter der Zivilgesellschaft berichteten von einer
Aufbruchstimmung, einer „zweiten Revolution“, diesmal gegen Assad und Isis.
Die Proteste der Bevölkerung wurden von einer Offensive der FSA und anderer
Oppositionsmilizen einschließlich der Nusra-Front begleitet. Die
Militäroffensive war zunächst erfolgreich, aber nicht alle Orte konnten
dauerhaft gehalten werden.
Aller Voraussicht nach werden die militärischen Auseinandersetzungen nicht
so bald zu einem entscheidenden Durchbruch der einen oder anderen Seite
führen. In den Kämpfen untereinander geht es um Konkurrenz und um
Machterhalt.
## Konkurrenz und Machterhalt
Zurzeit gibt es eine Zweckallianz der säkularen Opposition mit
islamistischen Akteuren verschiedener Couleur im Kampf gegen Isis, welche
die extremste Form des Islamismus verkörpert. Ein gefährlicher Pakt, dessen
Folgen momentan nicht abzusehen sind.
Es ist jedoch wichtig festzuhalten, dass nicht die Armee des syrischen
Regimes, sondern die oppositionellen Milizen und die Zivilgesellschaft es
sind, die sich dem Terror von Isis entgegenstellen. Beobachter berichten,
dass die Hauptquartiere von Isis als Einzige nie vom Regime bombardiert
worden seien.
Auch wenn die Spekulationen über eine Zusammenarbeit zwischen dem
Assad-Regime und Isis schwer nachweisbar sind, so ist es doch
offensichtlich, dass sich die Armee des Regimes und Isis im gegenseitigen
Interesse gewähren lassen und voneinander profitieren.
Trotzdem bieten die Friedensverhandlungen in Genf, die diese Woche in die
zweite Runde gehen, Baschar al-Assad die Gelegenheit, sich erneut als
legitimer Vertreter eines souveränen UN-Mitgliedstaats und als Partner im
Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu präsentieren. Und so
erstaunlich es ist – das syrische Regime scheint für diese Darstellung
immer noch ein internationales Publikum zu finden.
16 Feb 2014
## AUTOREN
Friederike Stolleis
## TAGS
Salafisten
Schwerpunkt Syrien
Islamismus
Schwerpunkt Syrien
Lakhdar Brahimi
Hans-Georg Maaßen
Flüchtlinge
Jabrud
Lakhdar Brahimi
Genf
Lakhdar Brahimi
Homs
Schwerpunkt Syrien
Homs
Schwerpunkt Syrien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar „Islamischer Staat“ in Syrien: Machtvakuum in Beirut
Der Syrienkrieg hat den Libanon erreicht. Die Lage im Land, in das über
eine Million Syrer geflohen sind, ist hochexplosiv. Jetzt mischt auch noch
die IS mit.
Debatte Nahost: Die Welt der Politprofis
Kommt endlich Bewegung in die Verhandlungen um Syrien, weil der
Machtwechsel in Kiew die russische Regierung schwächt?
Islamisten in Syrien: Heilige Kämpfer aus Deutschland
Deutsche Islamisten beteiligen sich an den Kämpfen in Syrien. Einige sind
inzwischen auch zurückgekehrt. Sie sind nun kampferprobt.
Mehr syrische Flüchtlinge in Deutschland: Gesprengte Kontingente
Der Andrang syrischer Bürgerkriegs-Flüchtlinge nach Deutschland übersteigt
Erwartungen und Kontingente um gut 2400 Prozent. Zeit nachzujustieren.
Rebellen der Freien Syrischen Armee: Oberster Militär abgesetzt
FSA-Generalstabschef Selim Idriss muss seinen Posten räumen. So will es der
Militärrat, der ihn für die Misserfolge auf den Schlachtfeldern Syriens
verantwortlich macht.
Kommentar Syrienkonferenz: Kein Waffenstillstand in Sicht
Auch eine weitere Syrienkonferenz wird nur dann erfolgreich sein, wenn die
Hauptsponsoren des Bürgerkrieges ihre Unterstützung einstellen.
Friedensgespräche für Syrien: Ergebnislos abgebrochen
Die Friedensgespräche für Syrien sind gescheitert. Am Samstag wurden sie
ohne Ergebnis und ohne Fortsetzungstermin abgebrochen.
Syrienkonferenz in Genf: Moskau stellt sich quer
Um die Blockade bei der Konferenz zu überwinden, will UN-Vermittler Brahimi
die USA und Russland einbeziehen. Sie sollen mehr Druck ausüben.
Syrien-Konferenz in Genf: Brahimi ist unzufrieden
Der Vermittler drängt zur Eile. Der Waffenstillstand in Homs wird
verlängert. Laut Uno werden Hunderte von evakuierten Männern verhört.
Intervention in Syrien: Kampf um den Frieden
Die Friedensbewegung in Deutschland ist gespalten: Die einen demonstrieren
gegen den Krieg in Syrien, die anderen finanzieren ihn mit.
Rettung von Zivilisten in Syrien: Evakuierung von Homs beginnt
Eine erste Gruppe von Zivilisten verlässt Homs verlassen. In der syrischen
Stadt sind Tausende seit über einem Jahr eingeschlossen.
Kinder in Syrien: Gefoltert, vergewaltigt, bewaffnet
Die UN wirft der syrischen Regierung und oppositionellen Gruppen Verbrechen
an Minderjährigen vor. Dazu gehören Zwangsrekrutierungen und Folter.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.