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# taz.de -- Die Wahrheit: Lords und Ladies müssen darben
> Im Oberhaus zu dinieren, kommt einer Strafe gleich. Das zumindest glaubt
> so manch bedauernswerter Insasse des britischen House of Lords.
Wer arbeitet, soll vernünftig essen. Das gilt auch für die englischen
Lords, die in ihrem Privatclub, dem Oberhaus, unter sich sind und
stundenlang aneinander vorbeireden. Zwischendurch werden ihnen warme
Mahlzeiten serviert. Doch deren Qualität hat in letzter Zeit rapide
abgenommen. Das geht aus den Beschwerden hervor, die sich der Independent
aufgrund des Gesetzes über Informationsfreiheit besorgt hat. Die Namen der
Beschwerdeführer rückte der zuständige Beamte aber nicht heraus, so weit
geht die Informationsfreiheit dann doch nicht.
Die Betreffenden können froh sein. Zwar werden ihnen und ihren Gästen in
Butter gedünstete Jakobsmuscheln, Gänsestopfleber und Champagner-Risotto
serviert, aber das Zeug sei minderwertig, monierte ein Lord. Darüber hinaus
habe er eine geschlagene Viertelstunde auf einen Tisch warten müssen. Das
habe ihm den ganzen Nachmittag verdorben, zumal er dadurch keine Zeit mehr
für die „wunderschöne Kuchenauswahl“ hatte. Ein anderer beschwerte sich,
dass er und seine Frau gar keinen Tisch bekommen haben.
Da seine Frau eine Tiara trug, konnte man nicht in ein bürgerliches
Restaurant gehen und mit dem Plebs speisen. Man sei nur deshalb dem
Hungertod entgangen, weil ein anderer Lord sein nahe gelegenes Haus anbot,
wo sich die Dame umziehen konnte. Einer stellte verblüfft fest, dass es
keinen chilenischen Wein auf der Karte gebe. Er schlug vor, den Direktor
des chilenischen Verbands der Weinbauern einzufliegen, um eine Weinprobe zu
organisieren.
## Der Fraß ist subventioniert
Ein anderer verlangte, dass die Speisenkarten gefälligst auf dünnerem
Papier gedruckt werden, damit man sie zusammenfalten und als Souvenir mit
nach Hause nehmen könne. Der Gipfel war für die Lords schließlich erreicht,
als sich die „Kantine“ eine neue Kaffeemaschine zulegte. Der Cappuccino sei
grauenhaft, schimpfte einer. Ein anderer bezeichnete die neue Maschine als
„Beleidigung“, weil die Lords nicht konsultiert worden seien. „Das war ein
beeindruckendes Manöver“, sarkastelte er, „um uns auszutricksen.“
Wenigstens ist der Fraß subventioniert. Für Rinderbraten mit Röstkartoffeln
und Gemüse, das englische Leibgericht, zahlen die Herrschaften 9,50 Pfund.
Das können sie sich gerade noch leisten, erhält doch jeder Lord und jede
Lady 300 Pfund Taschengeld pro Tag, an dem sie sich ins Oberhaus bemühen,
selbst wenn sie dort den ganzen Tag in der Kantine sitzen. Aber das lohne
sich ja nicht mehr, wetterte ein Gast: Er habe zwar ein halbwegs
genießbares Pastagericht gegessen, aber das hätte er genauso gut in einem
normalen Restaurant in der Stadt bekommen. „Bei solchen Speisen wird im
Oberhaus bald gähnende Leere herrschen“, warnte er.
Das ist die Lösung: Serviert ihnen Mahlzeiten vom fahrbaren geriatrischen
Mittagstisch, dazu ein Gläschen privatisiertes Leitungswasser, bis sie die
Nase voll haben. Dann spart man 1,3 Millionen Pfund Steuergelder, mit denen
die Lords-Kantine jedes Jahr subventioniert wird, und man könnte das
Oberhaus endlich dichtmachen und den Schlüssel wegwerfen.
23 Feb 2014
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
England
Steuergelder
Schadensersatz
Großbritannien
Manchester
Irland
Queen Elizabeth II.
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