# taz.de -- Die Wahrheit: Die Schlacht um den Penisring | |
> Die Iren lieben Prozesse um Schadenersatz. Aber manche Klagen sind mit | |
> der Würde eines Gerichts nur schwer vereinbar. | |
Irland, Paradies für Schadenersatzklagen. Wenn irgendjemandem irgendetwas | |
irgendwo zustößt, geht die Sache vor Gericht. Es findet sich immer einer, | |
dem man die Schuld geben kann, und sei es der Stadtverwaltung, die in | |
grober Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflicht eine Unebenheit im Gehweg | |
nicht eingeebnet hat. Wie leicht kann man sich da den Zeh verstauchen. Der | |
muss dann geschient werden, so dass man wochenlang arbeitsunfähig ist. | |
Die Dubliner Stadtverwaltung ist im vorigen Jahr 417-mal verklagt worden. | |
Am Ende hatte sie 6,28 Millionen Euro Schadenersatz und mehr als eine halbe | |
Million Gerichtskosten bezahlt. So ist man vorsichtig geworden. Das | |
Naturkundemuseum hat die oberen Etagen geschlossen: Es gibt zwar zwei | |
stabile Treppen, aber oben keinen Notausgang. Das George’s Dock im Dubliner | |
Hafen ließ die Verwaltung mit Schotter auffüllen, sodass die Wassertiefe | |
nur noch 50 Zentimeter beträgt. Die Gefahr, dass jemand hineinfällt und | |
ertrinkt, ist somit auf ein erträgliches Maß gesenkt. Im Vergnügungsviertel | |
Temple Bar hat man das alte Kopfsteinpflaster mit schweren Maschinen | |
aufgeraut, damit niemand ausrutscht. | |
In anderen Landesteilen neigt man ebenfalls zu übergroßer Prophylaxe. In | |
Kilkee in der Grafschaft Clare hat man am Badestrand die Sprungbretter | |
abmontiert. Jetzt müssen die Kinder von den Klippen springen, aber die sind | |
nicht von der Bezirksverwaltung aufgestellt worden – im Gegensatz zu den | |
Sprungbrettern. An denen könnte sich ja jemand verletzen und vor Gericht | |
ziehen. Das ist in den vergangenen 50 Jahren zwar noch nie passiert, aber | |
die Iren sind inzwischen auf den Schadenersatzgeschmack gekommen. | |
Eine Frau hat zum Beispiel einen Gastwirt verklagt, der in seinem Pub eine | |
Verkaufsveranstaltung für erotische Unterwäsche und Sexspielzeug | |
veranstaltet hatte. Sylvia Deehan behauptet, sie sei von einer anderen | |
Kundin weggeschubst worden, um einen Preis zu ergattern: einen Ring, der | |
„auf einen bestimmten Teil des Mannes gesteckt“ werde, wie es vor Gericht | |
verschämt beschrieben wurde. | |
Die 46-jährige Blondine hatte an einem Wettkampf teilgenommen, bei dem | |
jeweils zwei Frauen so viele Luftballons wie möglich zwischen ihren Leibern | |
zerquetschen mussten. Weil es am Ende unentschieden stand, warf der | |
Veranstalter den Penisring einfach in die Luft. Bei der Rangelei habe sie | |
sich die Rippen an einem Lautsprecher geprellt und musste zwei Wochen lang | |
das Bett hüten, behauptet Deehan. Leider konnte sie keine Zeugen vorweisen | |
– im Gegenteil. Einige Gäste sagten aus, sie habe ein paar „Jägerbomben�… | |
einen grauenhaften Cocktail – in sich hineingeschüttet, einem Kellner ein | |
Chicken Curry vom Tablett geklaut und sei schließlich vor die Tür gesetzt | |
worden. | |
Die Würde des Gerichts war perdu, als der Anwalt der Verteidigung fragte, | |
ob der Preis groß oder klein gewesen sei. Weil Richter, Geschworene und | |
Zuschauer in unkontrolliertes Kichern ausbrachen, wurde die Verhandlung | |
vertagt. Das Urteil wird in dieser Woche gefällt. | |
10 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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