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# taz.de -- Russlands Präsident und die Krim: Was ist los mit Wladimir?
> Putin träumt von einem Russland in den alten Grenzen der UdSSR, inklusive
> Ukraine. Doch mit seinem Handeln hat er diesen Traum wohl schon begraben.
Bild: Setzt Macht mit Territorium gleich: Wladimir Putin.
MOSKAU taz | Wladimir Putin ist kühl und berechnend, ein Politiker, der
nicht zu Emotionen neigt und keine Schwäche kennt. Imagepfleger und
Visagisten aus dem Kreml setzten dieses Bild schon vor langer Zeit in die
Welt. Eiskalte Blässe und versteinerte Miene des Unnahbaren verstärkten den
Eindruck eines abgebrühten Strategen. Hat er ein Ziel vor Augen, lässt er
sich von nichts aus der Fassung bringen.
Auch der Erfolg auf der internationalen Bühne im letzten Jahr schien dies
zu bestätigen. Doch wird eins immer übersehen: die Kraft der medialen
Inszenierung, die den Autokraten umgibt.
Mit der Ukraine hat sich Wladimir Putin indes von Anfang an verrechnet. Er
ging bei der Heimholung Kiews ins russische Reich nicht strategisch vor.
Mit Geld wollte er den korrupten Präsidenten in Kiew kaufen. Das zeugte
nicht von politischem Weitblick.
Für Putin definiert sich Macht vor allem über die Größe des staatlichen
Territoriums. Viele Menschen in Russland teilen diese Affinität zur
Unendlichkeit des russischen Raums. Der Kremlchef unterstrich dies, als er
schon vor Jahren vom Zusammenbruch der Sowjetunion als der größten
geopolitischen Katastrophe des 20. Jahrhunderts sprach.
## Russland in alter Herrlichkeit
Der Kremlchef ist weder Visionär noch ein leidenschaftlicher Politiker.
Seine Passion gilt dem Sport. Wenn ihm jedoch etwas vor Augen schwebt, dann
ist es die Wiedererrichtung Russlands in den alten Grenzen der UdSSR. Das
ist sein Traum, zu kleinen Gebietsverzichten wäre er sogar bereit. Doch die
Ukraine muss unbedingt dazu gehören. Das Projekt der Wiedererrichtung der
Sowjetunion sollte in Gestalt einer Eurasischen Union geschehen, die sich
als wertkonservative Alternative zum Westen zwischen China und die EU
schieben würde.
Doch Putin versteht gesellschaftliche und historische Zusammenhänge nicht
in ihrer Dynamik. Zivilisatorische Unterschiede nimmt er nicht wahr, er ist
ein idealtypischer Sowjetbürger geblieben. Zwar verfügt er über ein großes
Wissen, dieses ist jedoch statisch und vormodern, weil er sich weigert, die
Ausdifferenzierung von Wissens- und Lebenswelten anzuerkennen. Die
Vermengung von Politik und Glauben im Falle Pussy Riots oder die Hatz gegen
Homosexuelle belegen dies.
Die Analyse leidet unter diesem synkretistischen Denken. Daher geht er
leichtfertig den Popanzen der eigenen Propagandaabteilung auf den Leim.
Dass Russland nicht die Ukraine ist und die Ukraine auch nicht Russland,
kann er nicht verstehen und lässt sich von Ähnlichkeiten an der Oberfläche
leiten.
## Fehler des reduzierten Denkens
Dafür rächt er sich jetzt. Denn das Projekt der Eurasischen Union ist
gescheitert. Nicht nur die Ukraine wird nicht mitmachen, auch die
Zentralasiaten werden nach der Krimaffäre auf Distanz gehen. Statt das
Reich wieder zu errichten, könnte er nun dessen Totengräber werden. Auch
die Annahme, die Ukraine ließe sich so leicht in die Knie zwingen wie
Georgien 2008, beruht auf dem Fehler des reduzierten Denkens. Mit einer
Krimintervention würde Wladimir Putin überdies gegen sein wichtigstes Dogma
verstoßen: Stabilität. Der Weg zurück zum Status quo ante ist bereits
verbaut.
Wladimir Putin trifft eigentlich keine spontanen Entscheidungen. Er ist ein
Zauderer, der genauestens abwägt. Fühlt er sich verletzt, reagiert er indes
sehr emotional. Er scheint alle Warnungen vor einem Abenteuer in der
Ukraine missachtet zu haben. Selbst der ukrainische Vertreter des Moskauer
Patriarchats bat den Kremlchef, nicht einzugreifen. Gewöhnlich hört der
vormoderne Putin auf solche Stimmen.
2 Mar 2014
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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Krim
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Russland
Wladimir Putin
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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