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# taz.de -- Besetzte Krimstadt Simferopol: Die russischen Brüder patrouillieren
> In Simferopol ist die Polizei abgetaucht und im Schutz russischer
> Soldaten schüchtern Schläger Journalisten ein. Nachts sind die Straßen
> leergefegt.
Bild: Alltag mit Soldaten: Straßenszene aus Simferopol.
SIMFEROPOL taz | Die Krim soll sich von der Ukraine abspalten. Das ist
zumindest der Wille der neuen Machthaber um Ministerpräsident Sergej
Axjonow, den sie am Sonntag verkündet haben. Beim Referendum auf der
Halbinsel, das er am Sonntag auf den 30. März vorverlegt hat, soll nicht
mehr über eine größere Autonomie, sondern über einen eigenen Staat
entschieden werden.
Am Samstag hat Axjonow Wladimir Putin aufgerufen, für „Frieden und Ordnung“
auf der Krim zu sorgen. Wie derzeit die neue Ordnung auf der Krim unter den
prorussischen Machthaber aussieht, konnten am Samstag einheimische
Journalisten eindrücklich erleben.
Kämpfer mit Masken und in Tarnuniform habe gewaltsam das Gewerkschaftshaus
gestürmt, das gegenüber dem Regierungssitz liegt. Es sind nicht jene gut
organisierten, schwerbewaffneten Uniformierten ohne Hoheitszeichen, die in
der Stadt patrouillieren. Es sollen Anhänger des auf der Krim berüchtigten
Provokateurs Juri Perschikow sein, die im Schutze dieser Einheiten wie
Freischärler eigene Rechnungen begleichen.
Schließlich befinden sich im Gewerkschaftshaus auch die Räume des „Zentrums
für investigative Journalisten“. Es ist ein wichtiger Informationsdienst,
der zu den fünf unabhängigen Medien auf der Krim gehört. Die Freischärler
versuchten, die Türen einzuschlagen, allerdings ohne Erfolg. Fünf
Mitarbeiter des Zentrums hatten sich in ihren Büros gut verschanzt.
Trotzdem veranstalteten die Besetzer im Gewerkschaftsgebäude eine
„Pressekonferenz“ und erklärten, dass sie den Journalisten schon beibringen
werden, „wie man richtig arbeitet“.
Die Journalisten haben mehrere Stunden in ihren Räumen ausgeharrt. Die
Polizei, die sich kurz vor dem Gebäude blicken ließ, zog bald wieder ab.
Die Rettung kam schließlich von TV-Kollegen. Im Schutze einer
Live-Reportage konnten sie unbehelligt das Gebäude verlassen.
## Glaube an die „russischen Brüder“
Doch abseits von solchen Überfällen geht es in Simferopol ruhig zu. Die
Menschen scheinen keine besondere Angst zu haben. Der Glaube an „die
friedlichen russischen Brüder, die uns schon nichts antun werden“, ist
unerschütterlich. Allerdings sollten sie auf die Polizei auch nicht hoffen.
Und das obwohl die neuen Machtinhaber um Ministerpräsident Sergej Axjonow
das Gegenteil behaupten.
Die Einschüchterung von Journalisten scheint System zu haben. Denn die
relative Ruhe liegt auch am Fehlen verlässlicher Informationen. Es gibt
keine einzige Zeitung mehr, die ein objektives Bild liefern würde.
Unabhängige Internetmedien werden angegriffen oder lahmgelegt. ATR, der
Sender der Krimtataren, der ausführliche Onlineberichte liefert, rechnet
damit, gestürmt zu werden. Deswegen wird er von Tataren rund um die Uhr
bewacht. Sie sind unbewaffnet und jedem ist klar, dass sie den gut
organisierten Kämpfern, die überall Präsenz zeigen, nichts entgegensetzen
könnten.
Zumindest über deren Herkunft wird jetzt einiges klar. Diese Uniformierten,
die ohne Rang- und Hoheitszeichen im Stadtzentrum patrouillieren, hält ein
Militärexperte für Angehörige der russischen Spezialeinheit SSO, die dem
Verteidigungsministerium unterstellt sind und die voriges Jahr gegründet
wurde. Ihr Ziel – überall dort im Ausland zu operieren, wo man eine „Gefahr
für nationale Interessen Russlands und das Leben russischer Bürger“
ausmacht. Sie sind sehr gut ausgestattet und sollen im letzten Herbst
bereits im Kaukasus trainiert haben.
Sie kontrollieren alle Zufahrten auf die Krim, alle Gebäude der Telekom und
des staatlichen Rundfunks, die Flughäfen und das Stadtzentrum von
Simferopol. Sie vermeiden jeden Kontakt. Vor dem Parlament der Krim, direkt
auf den Springbrunnen, haben sie ihre Maschinengewehre zusammengestellt.
Andere umkreisen den Platz. Sie benehmen sich ruhig, lassen aber keine
Journalisten an sich heran.
## Krimtatarische Nachtpatrouillen
Da man auf die Polizei derzeit nicht hoffen darf, sind in den Gebieten mit
großem krimtatarischen Bevölkerungsanteil Nachtpatrouillen organisiert.
Wobei mit Anbruch der Dunkelheit die Menschen sowieso von den Straßen
verschwinden.
Am Morgen wurde aus der Hafenstadt Feodossija zudem berichtet, dass die
Einfahrten zum Marinekorps der ukrainischen Streitkräfte blockiert sind.
Zwei Kommandeure der russischen Schwarzmeerflotte haben die ukrainischen
Marinesoldaten ultimativ aufgefordert, die Waffen niederzulegen. Moskauer
Staatsmedien melden derweil scharenweise ukrainische Überläufer. Was keine
Sensation ist, handelt es sich doch um Einwohner der Krim selbst, die in
ukrainischer Uniform Dienst tun. Viele davon ethnische Russen, zu deren
Schutz man angeblich erschienen ist.
(Übersetzung: Irina Serdyuk, Mitarbeit: Thomas Gerlach)
2 Mar 2014
## AUTOREN
Tatjana Kumanowa
## TAGS
Krim
Ukraine
Tataren
Russland
Journalist
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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