| # taz.de -- Konflikt auf der Krim: Ukrainische Einheit belagert | |
| > Tausende Bewaffnete haben den Stützpunkt der 36. Brigade bei Simferopol | |
| > umzingelt. Nato-Generalsekretär Rasmussen warnt Russland vor der | |
| > Eskalation der Lage. | |
| Bild: Bewaffnete in Sewastopol. Das benachbarte Perewalne wurde am Sonntag umst… | |
| MOSKAU taz/afp/dpa/rtr | Auf der ukrainischen Halbinsel Krim haben nach | |
| offiziellen Angaben aus Kiew rund tausend bewaffnete Männer den Eingang zum | |
| Stützpunkt einer Einheit der ukrainischen Grenztruppen belagert. Wie das | |
| Verteidigungsministerium am Sonntag in Kiew mitteilte, umzingelten die | |
| „bewaffneten Kämpfer“ mit Unterstützung von 20 Lastwagen den Stützpunkt … | |
| 36. Brigade der Grenztruppen in Perewalne. Das Verteidigungsministerium | |
| sprach von der „Gefahr einer Erstürmung“ des Stützpunktes. Perewalne liegt | |
| südöstlich der Regionalhauptstadt der Krim, Simferopol. | |
| Nach dem von Russland angedrohten Militäreinsatz auf der Krim hat die | |
| Ukraine ihre Streitkräfte in volle Kampfbereitschaft versetzt. | |
| Interimspräsident Alexander Turtschinow unterzeichnete am Sonntag eine | |
| entsprechende Anordnung. | |
| Russland habe für einen „Akt der Aggression“ keine Grundlage. „Alle | |
| Erklärungen über Gefahren für russische Staatsbürger oder russischsprachige | |
| Ukrainer sind erdacht“, sagte Turtschinow. Russland hatte gedroht, das | |
| Militär zum Schutz seiner Bürger auf der Halbinsel Krim einzusetzen. Nach | |
| dem Machtwechsel in der ukrainischen Hauptstadt Kiew hatten prorussische | |
| Kräfte Ende Februar die Kontrolle über die Krim übernommen. | |
| Bislang gibt es keine Hinweise auf Truppenbewegungen der ukrainischen | |
| Streitkräfte. Es handelt sich bei der Anordnung Turtschinows nicht um eine | |
| Generalmobilmachung. Wie Sicherheitschef Andrij Parubij am Sonntag sagte, | |
| wurde das Verteidigungsministerium angewiesen, alle benötigten Soldaten | |
| zusammenzurufen. Am Freitag hatte die neue Führung in Kiew bereits die | |
| Armee in Alarmbereitschaft versetzt. | |
| Außerdem ruft das ukrainische Parlament die Staatengemeinschaft dazu auf, | |
| internationale Beobachter ins Land zu entsenden. Die Abgeordneten in Kiew | |
| bitten das Ausland weiterhin um Hilfe, um die Nuklearanlagen zu sichern. | |
| Die Ukraine fürchtet angesichts der faktischen Besetzung der Halbinsel Krim | |
| durch russische Kräfte einen Krieg mit seinem übermächtigen Nachbarland. | |
| Übergangsregierungschef Arseni Jazenjuk sagte am Sonntag, der Beschluss des | |
| russischen Parlaments, das am Samstag auf Antrag von Präsident Wladimir | |
| Putin die Entsendung von Truppen auf die Halbinsel genehmigt hatte, sei | |
| „keine Drohung“, sondern „eine Kriegserklärung gegen mein Land“. Berei… | |
| Samstag hat das Land die Nato um militärischen Beistand gebeten. | |
| Die Nato ist am Sonntag [1][zu einer Sondersitzung] zusammengekommen. | |
| Unmittelbar vor Beginn des Krisentreffens hat Nato-Generalsekretär Anders | |
| Fogh Rasmussen Russland zum sofortigen Stopp seines Militäreinsatzes | |
| aufgefordert. „Was Russland derzeit in der Ukraine tut, verstößt gegen die | |
| Prinzipien der UN-Charta. Es bedroht den Frieden und die Sicherheit in | |
| Europa“, sagte er in Brüssel. „Russland muss seine Militäraktionen und | |
| seine Drohungen stoppen.“ | |
| ## Aktuelle Entwicklung | |
| Wegen ihrer Teilnahme an Protesten gegen einen russischen Militäreinsatz in | |
| der Ukraine sind am Sonntag dutzende Demonstranten in Moskau festgenommen | |
| worden. Laut der Nachrichtenagentur Interfax wurden 40 Aktivisten wegen | |
| „versuchter Störung der öffentlichen Ordnung“ im Zentrum der russischen | |
| Hauptstadt festgesetzt. Die Bürgerrechtsgruppe Ovdinfo bezifferte die Zahl | |
| der Festgenommenen auf 100. | |
| US-Außenminister John Kerry warnte Russland unterdessen vor dem Verlust der | |
| G8-Mitgliedschaft. Frankreich sagt die Teilnahme an einem | |
| Vorbereitungstreffen für den G8-Gipfel in Sotschi ab, wie das Präsidialamt | |
| in Paris mitteilte. Zuvor hatte Paris gefordert, die Vorbereitungen für das | |
| G8-Treffen in Sotschi einzustellen. Diese könnten erst weitergehen, wenn | |
| Russland zu Prinzipien zurückkehre, die mit den G8 und G7 im Einklang | |
| stehen, erklärt Außenminister Laurent Fabius in einem Radiointerview. | |
| Der russische Grenzschutz teilt nach einem Bericht der Agentur Tass mit, | |
| dass im Januar und Februar etwa 675.000 Ukrainer über die Grenze nach | |
| Russland kamen. Es gebe Hinweise auf eine „humanitäre Katastrophe“. | |
| Russische Kräfte haben nach Angaben von der Nachrichtenagentur Interfax | |
| eine Radarstation auf der Krim entwaffnet. Dabei forderten sie die dort | |
| stationierten Soldaten dazu auf, sich auf die Seite der „rechtmäßigen“ | |
| Führung der Krim zu schlagen, wie die Agntur unter Berufung auf einen | |
| Mitarbeiter des Verteidigungsministerium berichtet. Der Gouverneur der | |
| russischen Region Belgorod berichtet Interfax von dem Versuch bewaffneter | |
| Gruppen, am Samstag die Verbindungsstraße zwischen Moskau und der Krim an | |
| der russisch-ukrainischen Grenze zu blockieren. | |
| Nach ukrainischen Angaben hat Russland zuletzt 6.000 Soldaten auf die Krim | |
| verlegt. Die Regierung in Kiew versetzte ihrerseits die Streitkräfte in | |
| volle Kampfbereitschaft und forderte Russland auf, Bewegungen des Militärs | |
| sofort einzustellen. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk | |
| warnte Russland, dass eine militärische Intervention zwangsläufig zu einem | |
| Krieg führe. | |
| Angesichts der militärischen Eskalation auf der Krim hat Außenminister | |
| Frank-Walter Steinmeier vor einer neuen Spaltung Europas gewarnt. „Wir | |
| fordern Russland in aller Eindringlichkeit auf, jeden Verstoß gegen die | |
| Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu unterlassen“, | |
| erklärte der SPD-Politiker am Sonntag in Berlin. Russland habe kein Recht, | |
| Militär jenseits der Regeln des Pachtvertrages über die russische | |
| Schwarzmeerflotte auf ukrainischem Hoheitsgebiet einzusetzen. | |
| Das Bundesentwicklungsministerium hat unterdessen angekündigt, die Hilfen | |
| für die Ukraine fast zu verdoppeln. Es komme jetzt dringend darauf an, die | |
| Reformkräfte in der Ukraine zu stärken, sagte Entwicklungsminister Gerd | |
| Müller (CSU) der Welt am Sonntag. Die Hilfen sollen den Angaben zufolge um | |
| 20 Millionen Euro aufgestockt werden. Im vergangenen Jahr lagen sie bei | |
| 21,5 Millionen Euro. | |
| ## „Außergewöhnliche Lage“ | |
| Zuvor hatte Präsident Wladimir Putin am Samstag überraschend dem | |
| Föderationsrat der russischen Duma einen Antrag vorgelegt, der die | |
| Entsendung russischer Truppen in die Ukraine erlaubt. Der Föderationsrat | |
| entschied noch am Nachmittag im Eilverfahren über den Antrag. | |
| Die Sitzung wurde auch vom staatlichen Fernsehen übertragen. Die Zustimmung | |
| zu einer militärischen Intervention in der krisengeschüttelten Ukraine fiel | |
| erwartungsgemäß einstimmig aus. Der Kremlchef hatte sein Anliegen mit der | |
| „außergewöhnlichen Lage“ im Nachbarstaat sowie der angeblich | |
| lebensbedrohlichen Lage für Russen und Angehörige der russischen | |
| Streitkräfte begründet. | |
| Wenig später teilte Putins Sprecher jedoch mit, der Kremlchef wolle den | |
| Befehl für einen Militäreinsatz auf der Krim erst vom weiteren Verlauf der | |
| Ereignisse abhängig machen. Noch sei der Marschbefehl nicht erteilt, meinte | |
| der Sprecher. Auch über die Größe des Kontingents werde Putin noch | |
| entscheiden. | |
| „Natürlich wird er diese Entscheidung fällen unter der Berücksichtigung, | |
| wie sich die Situation entwickelt“, sagte Dmitri Peskow. Die russische | |
| Führung hoffe jedoch, dass sich die Lage nicht weiter zuspitze und die | |
| Bewohner der Krim keiner neuen Bedrohung ausgesetzt würden. | |
| ## Gespenstische Sitzung | |
| Die Sitzung des Föderationsrates verlief gespenstisch. Sie erinnerte an | |
| Veranstaltungen der KPdSU, in denen es nicht ein einziger Redner wagte, von | |
| der offiziellen Linie abzuweichen. Vielmehr wurde dem Volk noch einmal die | |
| Begründung für den geplanten Einsatz nachgeliefert. Anlass sei der von | |
| faschistischen Kräften verübte Staatstreich, hieß es sinngemäss. Auch | |
| warnte kein Abgeordneter vor den humanitären Konsequenzen eines gewaltsamen | |
| Einmarsches. | |
| Offiziell war dem Antrag Putins auch die Bitte des erst am Donnerstag | |
| gewählten neuen Regierungschefs der Krim, Sergej Axjonow, vorausgegangen. | |
| Er soll Moskau um „Hilfe bei der Sicherung von Frieden und Ruhe“ gebeten | |
| haben. Diese Praxis erinnert auch an alte Moskauer Gepflogenheiten. Beim | |
| Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968 oder 1979 vor dem Krieg in | |
| Afghanistan traten auch immer die Werktätigen-Kollektive als Bittsteller | |
| auf. | |
| Verwunderlich ist unterdessen, dass der neue Regierungschef Axjonow keine | |
| Anstalten machte, um die Unterstützung des regionalen Parlaments der Krim | |
| für eine Anfrage in Moskau zu erhalten. Diese hätte dem Ersuchen etwas mehr | |
| Glaubwürdigkeit verliehen. Anscheinend sind sich die pro-russischen Kräfte | |
| auf der Krim auch nicht einig, ob Russland eingeschaltet werden soll. | |
| Das russische Fernsehen zeigt ebenfalls im Rückgriff auf bewährte | |
| Traditionen friedliche und glückliche Bürger, die sich über die | |
| vermeintliche Befreiung freuen. Auf den meisten Kanälen feiert Russland | |
| hingegen masleniza, den russischen Karneval. Und auf Moskaus Strassen gibt | |
| es aus diesem Anlass kostenlose Pfannkuchen. Am Montag beginnt die | |
| Fastenzeit. | |
| ## Vereinfachte „territoriale Erweiterung“ | |
| Die Entscheidung zur Intervention ist wohl kurzfristig gefallen. Allerdings | |
| brachte die Duma-Fraktion der Partei „Gerechtes Russland" noch letzte Woche | |
| ein Gesetzesprojekt ein, das die territoriale Erweiterung der Russischen | |
| Föderation vereinfachen soll. Das gab gleich Anlass zu Spekulationen. | |
| Noch bevor sich Präsident Wladimir Putin an das Oberhaus wandte, sprach das | |
| russische Außenministerium von dem Versuch einer Gruppe „von unbekannten | |
| bewaffneten Personen, die aus Kiew geschickt wurden, um das | |
| Innenministerium der Krim zu besetzen“. | |
| Im ostukrainischen Charkow sollen unterdessen Anhänger der | |
| nationalistischen Szene eine Granate in ein öffentliches Verkehrsmittel | |
| geworfen haben. Bilder zeigte der Sender in beiden Fällen nicht. Es scheint | |
| sich dabei eher um Versuche zu handeln, ein gewaltsames Vorgehen vorab zu | |
| rechtfertigen. | |
| Seit Freitag sind die Telefon- und Netzverbindungen mit der Halbinsel | |
| unterbrochen. Auch wurden die Zufahrtstrassen blockiert und der Flugverkehr | |
| eingestellt. Der Föderationsrat legte Präsident Putin nahe, den Botschafter | |
| in den USA zu Konsultationen nach Moskau abzuberufen. | |
| 2 Mar 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.nato.int/cps/en/natolive/opinions_107663.htm | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus-Helge Donath | |
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