# taz.de -- Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Drohgebärden und Hilferufe | |
> Bewaffnete haben am Dienstag ukrainische Soldaten mit Warnschüssen von | |
> einer Basis auf der Krim verdrängt. Derweil wird US-Außenminister Kerry | |
> in Kiew erwartet. | |
Bild: Krisenschauplatz Krim: Ukrainische Soldaten beobachten die Aktivitäten d… | |
SEWASTOPOL/WASHINGTON/KIEW ap/dpa | Pro-Russische Bewaffnete in einer | |
besetzten Luftwaffenbasis auf der Krim haben ukrainische Soldaten mit | |
Warnschüssen zurückgedrängt. Rund 300 ukrainische Militärangehörige gingen | |
am Dienstagmorgen unbewaffnet zu ihrem Stützpunkt in Belbek und forderten | |
die Besatzer auf, sie wieder an ihre Arbeit gehen zu lassen. Die russischen | |
Soldaten feuerten in die Luft und warnten, sie würden auf sie schießen, | |
wenn sie sich weiter näherten. | |
Inzwischen sollen nach Angaben der Übergangsregierung in Kiew rund 16 000 | |
russische Soldaten auf der Krim sein, die alle wichtigen strategischen Orte | |
und Militäreinrichtungen kontrollieren. Ein Berichten zufolge an das | |
ukrainische Militär gestelltes Ultimatum, seine Kriegsschiffe an russische | |
Kräfte zu übergeben, verstrich ohne weitere Zwischenfälle. Die Schiffe | |
lagen am Morgen weiterhin in Sewastopol vor Anker. Russland hatte die | |
Berichte über das Ultimatum nicht bestätigt. | |
Die vergangene Woche eingeleitete Militärübung im Westen Russlands wurde | |
derweil beendet. Präsident Wladimir Putin habe die Soldaten angewiesen, | |
wieder in ihre Kasernen zurückzukehren, sagte Präsidentensprecher Dmitri | |
Peskow nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax. Wenige Tage nach | |
dem Umsturz in der Ukraine hatte Putin überraschend ein großes | |
Militärmanöver angeordnet. Mit der Übung nahe der ukrainischen Grenze | |
sollte den Angaben zufolge die Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte in | |
Krisensituationen getestet werden. | |
## EU und USA drohen mit Sanktionen | |
Unterdessen erhöhen Europa und Amerika in der Krim-Krise den Druck auf | |
Kremlchef Wladimir Putin. Die EU und die USA drohen Russland nun mit | |
Sanktionen, sollte Moskau seine Truppen nicht zügig von der ukrainischen | |
Halbinsel zurückziehen. Russland bleibt aber stur und begründet seinen | |
Militäreinsatz mit einem Hilferuf des abgesetzten Präsidenten Viktor | |
Janukowitsch. Darin habe dieser Russland um Hilfe gebeten. | |
In einer ersten Reaktion auf die Krim-Krise fror das Pentagon am | |
Montagabend (Ortszeit) alle Kontakte zum russischen Militär ein. Jegliches | |
Engagement des US-Militärs mit den Streitkräften Russlands sei gestoppt | |
worden, teilte Pentagonsprecher John Kirby in Washington mit. Auch | |
gemeinsame Übungen, bilaterale Treffen, Hafenvisiten und | |
Planungskonferenzen seien ausgesetzt worden. Präsident Barack Obama | |
erklärte, das militärische Vorgehen auf der Krim verletze internationales | |
Recht. | |
US-Außenminister John Kerry wird am Dienstag zu Gesprächen in der Ukraine | |
erwartet. Er will in Kiew mit Vertretern der neuen Regierung | |
zusammentreffen. Zudem beraten in Brüssel die Botschafter der 28 | |
Nato-Staaten über die angespannte Situation. | |
US-Präsident Barack Obama warnte am Montag, seine Regierung erwäge eine | |
ganze Reihe von Maßnahmen, um Russland zu isolieren und ökonomisch zu | |
schaden. Die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten könnten schon am | |
Donnerstag auf einem Sondergipfel Gespräche mit Moskau über | |
Visa-Erleichterungen aussetzen oder gar Einreiseverbote verhängen sowie | |
Bankkonten einfrieren. | |
Während einer weiteren Sitzung des UN-Sicherheitsrats sagte Botschafter | |
Witali Tschurkin am Montag, Janukowitsch habe Kremlchef Putin und die | |
russischen Streitkräfte nach dem Umsturz gebeten, um für „Legitimität, | |
Frieden, Recht und Ordnung, Stabilität sowie den Schutz des ukrainischen | |
Volkes“ zu sorgen. Der UN-Botschafter zeigte im Sicherheitsrat die Kopie | |
eines entsprechenden Schreibens, das nach seiner Darstellung von | |
Janukowitsch stammt. | |
## „Rechtmäßig gewählter Repräsentant“ | |
Janukowitsch sehe sein Land am Rande des Bürgerkriegs und habe von offener | |
Gewalt berichtet. In dem Schreiben habe der „rechtmäßig gewählte | |
Repräsentant“ davor gewarnt, dass die Ukraine am Rande eines Bürgerkriegs | |
stehe. Das Vorgehen seines Landes sei „völlig angemessen und | |
gerechtfertigt“, um die Menschenrechte der russisch-sprechenden Minderheit | |
auf der Krim zu schützen, sagte Tschurkin. | |
Die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Powers entgegnete nach der | |
Verlesung des Schreibens süffisant an die Adresse Tschurkins: „Man könnte | |
denken, dass Moskau gerade zum verlängerten Arm der schnellen | |
Eingreiftruppe des UN-Kommissars für Menschenrechte geworden ist.“ | |
Der französische UN-Botschafter Gérard Araud bezeichnete den Brief als ein | |
Stück Papier, das die Unterschrift von Janukowitsch trage. Auf die Frage, | |
ob der Brief authentisch sei, sagte er: „Es ist kein falscher Brief. Es ist | |
der falsche Präsident.“ | |
Der ukrainische UN-Botschafter Juri Sergejew bat die internationale | |
Staatengemeinschaft abermals um Hilfe. In einem Schreiben an die 193 | |
Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen listete er auf, in welchem Umfang | |
Russland mit mittlerweile rund 16 000 Soldaten die Kontrolle über | |
Regierungs- und Militäreinrichtungen auf der Krim übernommen habe. | |
Sergejew beschuldigte russische Kämpfer zudem, bei der Einnahme einer | |
Militärbasis bei Sewastopol am Sonntag Granaten eingesetzt zu haben und | |
dabei einen ukrainischen Soldaten so schwer verletzt zu haben, dass er mit | |
Kopfverletzungen im Koma liegt. Sollte er sterben, wäre er das erste | |
Todesopfer des Konflikts auf der Krim. | |
## „Ohne Grund Akt der Aggression“ | |
Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk warf Putin einen schweren | |
Bruch des Völkerrechts vor. „Unsere russischen Nachbarn haben ohne Grund | |
einen Akt der Aggression auf unserem Staatsgebiet begangen. Die autonome | |
Republik Krim war, ist und bleibt auch ukrainisches Territorium“, sagte | |
Jazenjuk der Bild-Zeitung. Zugleich forderte Jazenjuk die russische | |
Regierung auf, den Konflikt um die Krim friedlich und auf diplomatischem | |
Weg zu lösen. „Man darf sich so im 21. Jahrhundert nicht verhalten. Mit | |
Panzern, Soldaten und Drohungen erreicht man nichts.“ | |
US-Präsident Obama bilanzierte, Russland befinde sich im Ukraine-Konflikt | |
„auf der falschen Seite der Geschichte“. Bei einem Treffen mit Israels | |
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte er vor Reportern im Weißen Haus: | |
„Russland kann nicht straffrei seine Soldaten einsetzen und die | |
Grundprinzipien verletzen, die rund um die Welt anerkannt werden.“ Wenn | |
Russland weiter den Weg der Militärintervention beschreite, könne dies für | |
das Land kostspielig werden. | |
Eine Sprecherin des Außenministeriums hatte zuvor gesagt, die USA | |
bereiteten Sanktionen gegen Russland vor. Ein mögliches russisches | |
Ultimatum an die ukrainischen Streitkräfte auf der Krim bezeichnete die | |
Sprecherin als „gefährliche Eskalation“. Es gebe aber bislang keine | |
unabhängigen Informationen darüber, ob entsprechende Medienberichte richtig | |
seien. Ein Stabsvertreter der russischen Schwarzmeerflotte hatte die | |
Berichte als „Blödsinn“ eingestuft. | |
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will in Genf mit | |
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon über die Schaffung einer Kontaktgruppe | |
sprechen. Mit dem Schweizer Präsidenten Didier Burkhalter, derzeit | |
Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa | |
(OSZE), erörtert Steinmeier zudem eine mögliche OSZE-Beobachtungsmission | |
für die Ukraine. Steinmeier sieht Europa in der in der schärfsten Krise | |
seit dem Mauerfall, wie er sagt. „25 Jahre nach dem Ende der | |
Blockkonfrontation ist die Gefahr einer erneuten Spaltung Europas real.“ | |
4 Mar 2014 | |
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