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# taz.de -- Die Lust der Frauen: „Viel Sex steigert das Verlangen“
> Frauen masturbieren seltener als Männer. Aber ein Drittel aller Frauen
> tun es schon in ihrer Kindheit, sagt die Psychologin Wiebke Driemeyer.
Bild: Beim Masturbieren gibt es zum Beispiel den archaischen und den mechanisch…
taz: Frau Driemeyer, kann man zu viel masturbieren?
Wiebke Driemeyer: Mit Sicherheit. Das berichten meine Patienten auch hin
und wieder. Es gibt Parallelen zu anderem exzessiven Verhalten, das auch
aufs Belohnungssystem wirkt: Drogen, Spielen, Essen oder Trinken.
Problematisch wird Masturbation, wenn man darunter leidet, seinen Alltag
vernachlässigt oder körperlich Schaden nimmt, sei es durch Abschürfungen
oder weil der Körper überstrapaziert ist und sich nicht mehr auf Partnersex
einlassen kann.
Wichtig ist: Es gibt ganz unterschiedliche Gründe für Masturbation.
Normalerweise masturbiert jemand nicht exzessiv, weil er so viel Lust hat.
Sondern, weil er dadurch Stress abbaut. Oder besser einschläft. Wer dreimal
am Tag masturbiert, aber sich damit wohl fühlt, der soll das ruhig tun.
Wie kamen Sie darauf, zu erforschen, wie sich Menschen selbst befriedigen?
Ich arbeite in einer Sprechstunde für Menschen mit Sexualstörungen. Und
dort kann es hilfreich sein, auch über Masturbation zu sprechen, zum
Beispiel um herauszufinden, auf welcher Ebene das Problem liegt: Fehlen
Techniken, die erregen? Oder ist das Problem eher psychologisch? Hängt es
mit der Beziehung zusammen? Deshalb wollte ich wissen, was in der Forschung
über Masturbation bekannt ist.
Was haben Sie herausgefunden?
Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind größer als bei anderen
Sexualthemen. Frauen masturbieren seltener als Männer. Wenn Frauen in einer
Beziehung sind und sexuell aktiv, masturbieren sie gleich oft oder häufiger
als wenn sie nicht in einer Beziehung leben. Männern masturbieren in einer
Beziehung dagegen tendenziell weniger. Es sei denn der Sex in dieser
Beziehung ist nicht befriedigend.
Warum unterscheiden sich Männer und Frauen so stark?
Es gibt die Hypothese der erotischen Plastizität, nach der der weibliche
Sexualtrieb stärker situations- und stimulationsabhängig ist als der
männliche. Durch eine hohe sexuelle Aktivität steigt das Verlangen und
dadurch auch die Wahrscheinlichkeit zu masturbieren. Andere Theorien führen
die Unterschiede eher auf soziale Faktoren zurück. In liberaleren Ländern
wie Schweden befriedigen sich 97 Prozent der Männer und 85 Prozent der
Frauen selbst. In sexuell restriktiveren Ländern wie China geben nur 45
Prozent der Männer und 10 Prozent der Frauen an, zu masturbieren.
Und wie masturbieren Frauen?
Überwiegend massieren sie ihre Klitoris und die Umgebung mit der Hand,
manche benutzen auch einen Vibrator, manche die Duschbrause, oder sie
drücken ihre Scheide gegen die Matratze. Die Mehrheit der Frauen nimmt sich
dafür weniger als 15 Minuten Zeit. Ein Drittel dehnt es bis zu einer halben
Stunde aus. Nur ganz wenige masturbieren bis zu einer Stunde. Die meisten
Frauen befriedigen sich im Bett, oft zum Einschlafen, im Gegensatz zu
Männern, die dazu auch mal vor dem Computer sitzen.
In welchem Alter fangen Menschen eigentlich an, sich selbst zu befriedigen?
Bei Männern beginnt das etwas früher, so im Alter zwischen 11 und 13
Jahren. Bei Frauen ist es etwas später soweit, im Durchschnitt zwischen 12
und 14 Jahren. Aber sie haben eine viel größere Spannweite. Ungefähr 30
Prozent der Frauen masturbieren schon als Kinder. Theoretisch möglich ist
das bereits ab der Geburt. Auch Babys können bereits eine Erektion
bekommen.
Wie sollten Eltern reagieren, wenn sie ihr Kind bei der Selbstbefriedigung
sehen?
Masturbieren in der Kindheit ist ganz normal, und sollte auch als ganz
normal behandelt werden. Ist es ein Tabuthema, fördert das Schuldgefühle.
Man sollte dem Kind aber vermitteln, dass das etwas Privates ist. Auch um
das Kind zu schützen.
Manche Sexualtherapeuten glauben, dass über Jahre angeeignete
Masturbationstechniken für Partnersex hinderlich sein können. Weil man
darauf konditioniert ist, immer auf die gleiche Art und Weise zum Orgasmus
zu kommen.
In einem bestimmten Ansatz der Sexualtherapie wird zwischen verschiedenen
Erregungsmodi unterschieden: Es gibt zum Beispiel den archaischen Modus, in
dem Erregung vor allem durch Druck erreicht wird: durch Schenkelpressen
oder durch ein Kissen zum Beispiel. Es gibt auch den mechanischen Modus, in
dem die Erregung durch rhythmische Bewegungen gesteigert wird. Zwei Drittel
der Frauen masturbieren archaisch oder mechanisch. Beide Arten der
Stimulation könnten auch damit zusammenhängen, dass irgendwann unangenehme
Gefühle mit der Masturbation verbunden waren.
Es kann sein, dass man sich als Jugendlicher sehr beeilt hat, sich geschämt
hat und sich mit wenigen, unauffälligen Bewegungen zum Orgasmus gebracht
hat. Oder mit sehr schnellen. Der restliche Körper wurde dabei oft
vernachlässigt. Wenn dann beim Sex die gewohnte Technik fehlt, kann es
sein, dass die Erregung sich nicht steigert. Ich habe auch Patientinnen,
die sich mit großem Druck stimulieren, sich gegen die Matratze pressen zum
Beispiel, und die leichtere Berührungen nicht erregend finden. Solche Arten
der Stimulation müssen aber nicht per se mit sexuellen Problemen verbunden
sein.
8 Mar 2014
## AUTOREN
Steffi Unsleber
## TAGS
Frauenkampftag
Sex
sexuelle Selbstbestimmung
Selbstbefriedigung
Liebe
Lust
Sexualität
Schwerpunkt Feministischer Kampftag
Grundrechte
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