| # taz.de -- Doppelpass-Debatte: „Integrationspolitischer Mumpitz“ | |
| > Unionsparteien und Sozialdemokraten haben lange um einen Kompromiss zur | |
| > Doppelpass-Regelung gerungen. Trotzdem gibt es reichlich Kritik. | |
| Bild: Kenan Kolat, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde, ist mit der Dop… | |
| BERLIN/STUTTGART dpa | Die Türkische Gemeinde in Deutschland hält die | |
| Regierungspläne zur doppelten Staatsbürgerschaft für völlig verfehlt und | |
| fordert eindringlich Nachbesserungen. „Mit diesem Gesetz erweitert man die | |
| Ungerechtigkeiten“, sagte der Bundesvorsitzende Kenan Kolat in Berlin. „Der | |
| Vorschlag von Innenminister de Maizière ist absurd und bringt nur noch mehr | |
| Bürokratie.“ | |
| Auch fehle bisher eine vernünftige Regelung für jene, die wegen der | |
| sogenannten Optionspflicht bereits ihren Pass verloren hätten. Diese | |
| „Optionskinder“ müssten ohne Bürokratie und ohne Kosten die verlorene | |
| Staatsbürgerschaft zurückbekommen, verlangte er. Das müsse im Gesetz klar | |
| geregelt werden. | |
| Nach der bislang geltenden Optionspflicht müssen sich in Deutschland | |
| geborene Kinder aus Zuwandererfamilien, die mit der Geburt zunächst den | |
| deutschen und einen anderen Pass bekommen, bis zum 23. Geburtstag für eine | |
| Staatsangehörigkeit entscheiden. Legen sie sich nicht fest, geht der | |
| deutsche Pass automatisch verloren. Dies betrifft vor allem junge Leute aus | |
| türkischen Familien. Die Regelung wurde Anfang 2000 eingeführt und greift | |
| für jene, die ab 1990 geboren wurden. 2013 wurden die Konsequenzen erstmals | |
| sichtbar: Bislang verloren mehr als 200 junge Leute wegen des Optionszwangs | |
| die deutsche Staatsangehörigkeit. | |
| Union und SPD hatten nach langen Verhandlungen im Koalitionsvertrag | |
| vereinbart, die Optionspflicht für Kinder ausländischer Eltern zu | |
| streichen, sofern sie in Deutschland geboren – und aufgewachsen – sind. Sie | |
| sollen also auf Dauer zwei Pässe behalten dürfen. | |
| Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat dazu einen Gesetzentwurf | |
| erarbeitet, der derzeit in der Ressortabstimmung ist. Als Nachweis dafür, | |
| dass sie in Deutschland aufgewachsen sind, sollen die jungen Leute demnach | |
| neben der Geburtsurkunde eine Meldebescheinigung oder ein deutsches | |
| Schulabschlusszeugnis einreichen. | |
| Einige SPD-Politiker halten es allerdings für problematisch, neben der | |
| Geburt auch das Aufwachsen in Deutschland zur Bedingung zu machen. Die von | |
| SPD und Grünen regierten Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und | |
| Schleswig-Holstein planen deshalb einen Vorstoß über den Bundesrat und | |
| wollen diesen voraussichtlich am Freitag in die Länderkammer einbringen. | |
| Ihr Ziel ist, dass alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer | |
| Eltern zwei Pässe besitzen dürfen – auch wenn sie im Ausland aufgewachsen | |
| sind. Die Initiative sorgt für Verstimmungen zwischen Union und SPD. | |
| Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verbat | |
| sich Kritik. Das im Koalitionsvertrag vorgesehene Verfahren bedeute einen | |
| großen bürokratischen Aufwand. „Ein bürokratischer Aufwand, der wohlgemerkt | |
| nicht vom Bund, sondern von uns, von den Ländern, erbracht werden muss.“ | |
| Der Grünen-Politiker Volker Beck lobte den Ländervorstoß: „Die | |
| Optionspflicht muss weg – ersatzlos und vollständig.“ Das Kriterium des | |
| Aufwachsens schaffe ein nicht praktikables Bürokratiemonster und sei | |
| „integrationspolitischer Mumpitz“. | |
| Auch Kolat begrüßte die Initiative der Länder. Er beklagte aber, es handele | |
| sich ohnehin nur um eine „Mini-Reform“. „Natürlich sind wir damit überh… | |
| nicht zufrieden“, sagte er. „Wir sind enttäuscht und wütend.“ Junge | |
| Menschen aus türkischen Familien könnten künftig zwar dauerhaft zwei Pässe | |
| haben. Für viele ältere Geschwister oder die Eltern gelte das aber nicht. | |
| Auch bleibe die Ungerechtigkeit gegenüber anderen Nationalitäten: Während | |
| es für Menschen aus Dutzenden Staaten kein Problem sei, zwei Pässe zu | |
| bekommen, sei das für viele Türkischstämmige in Deutschland auch künftig | |
| nicht möglich. | |
| 10 Mar 2014 | |
| ## TAGS | |
| Doppelpass | |
| Türkische Gemeinde | |
| Winfried Kretschmann | |
| Kenan Kolat | |
| doppelte Staatsbürgerschaft | |
| Giovanni di Lorenzo | |
| Doppelpass | |
| Doppelpass | |
| doppelte Staatsbürgerschaft | |
| Doppelpass | |
| Doppelpass | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kommentar Giovanni di Lorenzo: Pass-Neid | |
| Mit seinem Bekenntnis, er habe bei der Europawahl zweimal abgestimmt, hat | |
| Giovanni di Lorenzo alte Reflexe gegen den Doppelpass mobilisiert. | |
| Staatsbürgerschaft in Deutschland: Zwei Herzen, ach, in meiner Brust | |
| Das Bundeskabinett hat eine Doppelpass-Regelung bewilligt. Die | |
| Antragssteller müssen nachweisen, bis zum 21. Lebensjahr acht Jahre in | |
| Deutschland gelebt zu haben. | |
| Kommentar Doppelpass-Kompromiss: Murks aus Berlin | |
| Die Union gönnt der SPD beim Doppelpass keinen Erfolg, und die SPD-Spitze | |
| hat das Kleingedruckte übersehen. Ausbaden müssen das aber andere. | |
| Reform des Staatsbürgerschaftsrechts: Koalitionsstreit um Doppelpass | |
| Drei rot-grün-regierte Bundesländer wollen die Regelung zur doppelten | |
| Staatsbürgerschaft erleichtern. Die CDU zürnt – und auch die SPD-Spitze ist | |
| dagegen. | |
| Einwanderung: Länder machen Deutsche | |
| Schleswig-Holstein legt Gesetz zur Abschaffung des Optionszwangs vor. Der | |
| Entwurf zielt gegen das "bürokratische Monster" des Bundesinnenministers. | |
| Drei Länder wollen Bundesratsinitiative: Gegen Optionspflicht beim Doppelpass | |
| Die Bundesregierung hat beim Doppelpass einen Kompromiss gefunden. Dann | |
| passierte wenig. Jetzt werden drei Länder über den Bundesrat aktiv. | |
| Einigung bei doppelter Staatsbürgerschaft: Acht Jahre für zwei Pässe | |
| Die Koalition hat sich geeinigt: Das Optionsmodell entfällt, einen | |
| deutschen Pass soll erhalten, wer bis zum 21. Lebensjahr acht Jahre in | |
| Deutschland war. |