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# taz.de -- Kolumne Bestellen und Versenden: Männer der bedrohten Mitte
> Es gibt zwei, drei, viele Matusseks. Sie alle hält ein erhabenes
> Opfergefühl zusammen. Sie bekämpfen sexuelle Vielfalt, Individualismus
> und Hedonismus.
Bild: Matussek, Messias der bedrohten Neokonservativen.
Über Sibylle Lewitscharoff konnte ich mich noch gar nicht aufregen, weil
mich immer noch Matthias Matussek heimsucht. Eigentlich war sein
Hass-Diskurs längst erledigt, aber dann verirrte ich mich in
masochistischer Verwirrung auf seine Facebook-Seite. Und während ich zuvor
noch stur vom Gegenteil überzeugt sein wollte, wurde mir klar: Matussek ist
nicht allein, es sind zwei, drei viele Matusseks! Fans und Freunde huldigen
ihm wie einem Messias.
Was seinen Facebook-Clan zusammenhält, ist das erhabene Gefühl, Opfer zu
sein: Opfer eines maßlosen Terrors der Minderheiten. Das können die
nervigen Homos sein, die nicht erkennen wollen, dass es jetzt mal genug ist
mit ihrer „schrillen“ Überpräsenz. Das können auch Frauen sein, die zu w…
gehen mit ihrem Gleichstellungskrieg. Provo-Meister Harald Martenstein,
Matusseks Bruder im Geiste, schrieb neulich in seiner Schenkelklopf-Kolumne
im Zeit-Magazin über den Feminismus: „Ab einem gewissen Maß an Übertreibung
wird das zu einer für die Umwelt nicht ungefährlichen Geisteskrankheit.“
Ja, immer diese Zumutungen! Die neokonservative Abwehrrhetorik des „Genug
ist genug“ ertönt schon wieder. Mit der Moderne an sich haben sich die
Neocons abgefunden, ab jetzt gilt „Bis hierhin und nicht weiter!“. Sexuelle
Vielfalt, Individualismus, Hedonismus: Maßhalten ist angesagt. Dieses
disziplinierende Gebot ist ein Passepartout, das sich auch an
Hartz-IV-Empfänger oder Asylbewerber richten lässt.
Die Grenzen müssen immer aufs Neue markiert werden und Leute wie Matussek
suchen permanent nach Anlässen für ihre territorialen Duftmarken. Am
liebsten inszenieren sie sich als Diskriminierte. Luca Di Blasi, Autor von
„Der weiße Mann. Ein Anti-Manifest“, schrieb in der Zeitschrift Aus Politik
und Zeitgeschichte über Varianten des Sexismus, dass Privilegierte den
Privilegienabbau hier mit Diskriminierung verwechselten, um sich als „Opfer
der Opfer anzusehen“. Sie wollen Diskriminierte der Anti-Diskriminierung
sein, Diskriminierte zweiter Ordnung sozusagen.
## Nur sie dürfen maßlos sein
Den angeblichen Exzess der Minderheiten kontern die Männer aus der
bedrohten Mitte, indem sie ihr eigenes Sonderrecht auf Exzess
demonstrieren. In der von ihnen kontrollierten Welt dürfen allein sie
maßlos sein. Und so setzen Matusseks Facebook-Follower genussvoll Schwule
mit Nazis gleich, während Martenstein Feministinnen für irre erklärt.
Liebe Randgruppen, ihr kennt eure Grenzen nicht? Husch, ab ins Körbchen,
hier hat allein die heterosexistische Normalität das Recht auf
Grenzüberschreitung. Die Technik dieser Machtdemonstration ist die lahme
Provokation. Der Hetero-Normalo performt seine Normalität (paradoxerweise)
als Exzess und Ausnahme vom Üblichen.
Oft wird behauptet, Sexismus und Homophobie funktionierten heute subtiler.
Doch die Männer im Zentrum brauchen keine Gesten der Feinsinnigkeit, um
ihre reaktionären Ressentiments zu verbrämen. Der FAZ-Blogger „Don
Alphonso“, ein kleiner Szenestar des feuilletonistischen Herrenwitzes,
bezeichnete vor einigen Wochen die neo-feministischen Autorinnen des
konkurrierenden FAZ-Blogs „Ich. Heute. 10 vor 8“ als „Giftnattern“.
Und was ist sonderlich subtil daran, wenn in der Süddeutschen Zeitung über
eine leidenschaftliche Bundestagsrednerin geschrieben steht, ihre Stimme
sei mindestens „eine Oktave höher und ziemlich laut“ gewesen? Gehört das
dahinter wirksame Bild der hysterischen Frau nicht ins vorletzte
Jahrhundert? Selbst am staubigen Bild der feministischen
„Spaßverderberinnen“ halten die Provo-Autoren fest, als sei nichts gewesen.
In dem erwähnten Aus Politik und Zeitgeschichte-Heft darf der
Männerrechtler Ralf Bönt sich noch einmal über die „humorlose Empörung“…
#aufschrei-Kampagne beschweren. Man weiß längst, welcher trübe Spaß hier
verdorben werden soll, und möchte das Lob der Spaßbremse anstimmen.
Beschleunigen sollen andere.
10 Mar 2014
## AUTOREN
Aram Lintzel
## TAGS
Matthias Matussek
Minderheiten
Hetze
Männer
FAZ
FAZ
Schweiß
Sibylle Lewitscharoff
Dresden
Sibylle Lewitscharoff
Matthias Matussek
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