| # taz.de -- Die Maulkorb-für-Schröder-Initiative: Doch kein Sprechverbot | |
| > Rebecca Harms forderte einen Maulkorb für Gerhard Schröder. Nun sagt die | |
| > Grüne, einen „kühlen Kopf“ zu bewahren, wäre besser gewesen. | |
| Bild: Darf doch reden: Gerhard Schröder. | |
| BERLIN taz | Am Tag danach klingt Rebecca Harms geknickt. „Ich ärgere mich | |
| inzwischen wahnsinnig, dass ich nicht genau genug war in der Zuspitzung“, | |
| sagt die Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahl. In ihrem Ärger | |
| über die Äußerungen von Exkanzler Gerhard Schröder zur Krim-Krise habe sie | |
| keinen ausreichend „kühlen Kopf“ bewahrt, sie habe bei der Formulierung | |
| dieses Änderungsantrags einfach „nicht genau genug hingeschaut“. Natürlic… | |
| versichert die Grünen-Frau, sei sie „nicht für Sprechverbote“. Sie habe | |
| einfach nur klarmachen wollen, wie problematisch der Rollenkonflikt | |
| Schröders als Altkanzler und Gazprom-Lobbyist sei. | |
| Das ist gelungen – wenn auch anders als gewünscht. Unter der Ziffer 25a | |
| hatten die Grünen Brüsseler Fraktionschefs Harms und Daniel Cohn-Bendit am | |
| Donnerstag im Europaparlament einen gemeinsamen Änderungsantrag zu einer | |
| Ukraine-Resolution eingebracht. | |
| Das Parlament, hieß es in dem Papier, bedauere nicht nur die Äußerungen von | |
| Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, sondern „betont, dass er keine | |
| öffentlichen Aussagen zu Themen machen sollte, die Russland betreffen, da | |
| er sich aufgrund seiner Beziehungen zu dem Unternehmen Gazprom (...) in | |
| einem eindeutigen Interessenkonflikt befindet“. Der Vorstoß fand keine | |
| Mehrheit, aber der Shitstorm im Netz folgte prompt. | |
| Auch unter Grünen fragte man sich, wie es ein solches Papier bis ins Plenum | |
| des Europaparlaments schaffen konnte. Hatte die Partei nicht seit dem | |
| Bundestagswahlkampf allerhand versucht, um von ihrem Verbotspartei-Image | |
| wegzukommen? Und nun, kurz vor dem Start in den Europawahlkampf, diese | |
| Maulkorb-Posse. | |
| ## Schröders Meinungen aushalten | |
| Der Chef der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer, ging [1][via Twitter] rasch | |
| auf Distanz: Er habe in der Fraktion „dagegen argumentiert“ und später | |
| „dagegen gestimmt“, ließ er wissen. Auch NRW-Landeschef Sven Lehmann | |
| kritisierte das Papier. „Wir müssen uns inhaltlich hart mit den Äußerungen | |
| von Gerhard Schröder auseinandersetzen“, sagte er der taz, „aber wir müss… | |
| auch solche Meinungen aushalten.“ Gerade ein demokratisch gewähltes | |
| Parlament habe die Aufgabe, „die Meinungsfreiheit zu fördern“ und dürfe | |
| „keine Redeverbote erteilen“. | |
| Der [2][grüne Blogger Jörg Rupp] aus Baden-Württemberg mahnte, Harms habe | |
| als Spitzenkandidatin nicht nur sich selbst „sondern der gesamten Partei | |
| einen Bärendienst erwiesen“. Dass der Parteivorstand dazu schweige, sei | |
| „ebenfalls ziemlich unerträglich“. | |
| So ergriff schließlich sogar Parteichef Cem Özdemir am Freitag das Wort: | |
| „Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das wir überall verteidigen“, sagte er | |
| der taz. Altkanzler Schröder habe „selbstverständlich jedes Recht, sich zu | |
| welchem Thema auch immer zu äußern“. Wenn Schröder sich zu Russland äuße… | |
| dann wüssten die Bürger zu unterscheiden, ob da „ein respektierter | |
| Ex-Bundeskanzler“ spreche oder „wie zuletzt jemand mit einer großen Nähe … | |
| einem autoritären Herrscher, der dabei ist, völkerrechtswidrig ukrainisches | |
| Staatsgebiet zu annektieren“. | |
| Für den Antrag stimmten allerdings nicht nur Grünen-Abgeordnete, sondern | |
| auch zahlreiche namhafte Konservative - zum Beispiel Herbert Reul, | |
| Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Die Selbstkritik der | |
| Grünen in der Angelegenheit scheint er nicht ganz nachvollziehen zu können. | |
| Klar enthalte der Antrag eine missverständliche Wendung, sagte Reul der | |
| taz: „Das hätte man besser formuieren können.“ | |
| ## Die Initiative absolut in Ordnung | |
| Niemand wolle ernsthaft Schröder das Recht auf freie Meinungsäußerung | |
| verbieten. Aber grundsätzlich sei die Initiative der Grünen „absolut in | |
| Ordnung und wertvoll“ gewesen, versichert er. Schließlich gehe es doch | |
| wirklich nicht, dass sich jemand wie Schröder, der bei Gazprom auf der | |
| Payroll stehe, derart in eine politische Debatte einmische. | |
| Auch der Vize der Unions-Gruppe, Markus Ferber, verteidigt das Ansinnen des | |
| Vorstoßes, einen fragwürdigen Rollenkonflikt anzuprangern. „Einen Maulkorb | |
| wollte ich keinem verpassen“, sagt er – und schiebt belustigt hinterher: | |
| „Ich lasse mir ja selbst auch keinen verpassen.“ | |
| 14 Mar 2014 | |
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| ## AUTOREN | |
| Astrid Geisler | |
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