# taz.de -- Kolumne Darum: Blauhelme zwischen Kinderzimmern | |
> „Nein!“ – „Doch!“ – Türenknallen und Geschrei: Geschwisterstreit… | |
> Eltern können nicht mehr. Professionelle Hilfe muss her. | |
Bild: Nein, Waffen brauchen wir nicht. Pizzateller wären besser. | |
„Nein.“ | |
„Doch.“ | |
„Nein!“ | |
„Doch!“ | |
„Neeiiinnn!“ | |
„Dooohhhoooch!" | |
Mal wieder Geschwisterstreit. Wegen eines Aufklebers, eines Legoteils, des | |
Sitzplatzes der Lieblingstante beim Abendessen oder der Planung für den | |
Sommerurlaub. Kleine Anlässe, große Anlässe. Abseitige oder wichtige | |
Themen. Vergangenes, Gegenwärtiges oder Zukünftiges. So unterschiedlich die | |
Gründe für den Streit sein können, so gleich ist der Ablauf. | |
Seit acht Jahren machen wir das jetzt, woanders hätte man dafür Diplome in | |
Streitschlichtung oder Verdienstorden im Konfliktmanagement bekommen. Uns | |
aber reicht als Auszeichnung der Moment, wenn wieder Ruhe in die Wohnung | |
einkehrt. Und doch sind die Grenzen der Zoffmoderation und -supervision | |
längst erreicht. Rationale Argumente über den Zusammenhang von | |
Altersunterschied und Höhe des Taschengelds prallen auf Wutschnauben und | |
verächtliches Augenverdrehen. Vernunftappelle an übermüdete Kinder gehen | |
schlicht unter, wenn ein CD-Player lauter ist. | |
Was tun? Unsere Geduld ist am Ende, die Kräfte sind es auch. Wir brauchen | |
professionelle Hilfe. Heiner Geißler, hören Sie uns? Stuttgart 21 ist | |
nichts dagegen. Wo ist John Kerry, wenn man ihn mal braucht? Die | |
Kinderkrise ist schlimmer als die Krimkrise, glauben sie uns! Können | |
UN-Blauhelmsoldaten, stationiert im schummrigen Flur zwischen den beiden | |
Kinderzimmern, für Abhilfe sorgen? Bitte, wir schmieren morgens auch Brote | |
und kochen abends für Sie mit. | |
## „Ausgerechnet mit der Tomatenseite nach unten“ | |
Wobei, manchmal wird das gar nicht nötig sein. Neulich mussten wir beide | |
arbeiten, die Kinder waren nachmittags zwei, drei Stunden allein. | |
Irgendwann klingelte das Handy, die Tochter war dran. Im Hintergrund das | |
Gemecker des Sohnes, die Tochter schildert in einem Ton mühsam | |
unterdrückter Wut einen „Zwischenfall“, der das gemeinsame Alleinbleiben | |
ohne Eltern erschwere. | |
Was war passiert? Die Kinder hatten sich eine Fertigpizza im Backofen | |
gemacht, und als die Tochter dem Sohn seine Hälfte auf den Teller schieben | |
wollte, zog er den Teller weg. Einfach so. Da lag die Pizza dann am Boden | |
(„ausgerechnet mit der Tomatenseite nach unten“, empörte sich die Tochter). | |
Wer macht nun sauber? Also, liebe UN-Blauhelmsoldaten, da muss man mit dem | |
eigenen Teller einfach nur schnell sein. | |
Hinterher war alles nicht so arg, ein Rest an Misstrauen unter den Kindern | |
bleibt aber und der nächste Streit um einen Wochenendausflug steht an. Drum | |
fahren wir die dicken Geschütze auf und laden Heiner Geißler, John Kerry | |
und alle verfügbaren UN-Blauhelmsoldaten gleichzeitig ein. Wird ein | |
bisschen voll in der Wohnung, aber so müsste eine Einigung auf die Berliner | |
Großsternwarte am Sonntag möglich sein, bevor der Streit wieder eskaliert. | |
Was meinen Sie, Herr Geißler? Bekommen Sie das hin, Herr Kerry? Schaffen | |
Sie es, die Konfliktparteien auseinanderzuhalten, liebe UN-Blauhelme? | |
Heiner Geißler: „Ja, das schaffen wir.“ | |
John Kerry: „Das könnte schwierig werden.“ | |
UN-Blauhelmsoldaten (im Chor): „Wird schon gehen.“ | |
John Kerry: „Nein.“ | |
UN-Blauhelmsoldaten: „Doch.“ | |
John Kerry: „Nein!“ | |
Heiner Geißler: „Doch!“ | |
John Kerry: „Neeiiinnn!“ | |
UN-Blauhelmsoldaten: „Dooohhhoooch!“ | |
7 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Maik Söhler | |
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