| # taz.de -- Kolumne Darum: „Maß halten“, my ass! | |
| > Kollege Deniz Yücel meinte neulich, zum Maßhalten auffordern zu müssen – | |
| > der Kinder wegen. Von Kindern lernen wir: Das ist falsch. | |
| Bild: Eine Einschränkung noch: Maß halten ist nicht immer falsch. | |
| Manchmal haben Kinderlose einfach den besseren Blick auf alles, was in | |
| dieser Gesellschaft (und auch in einigen anderen) bei der Debatte um Kinder | |
| falsch läuft. Der Kollege Deniz Yücel [1][schrieb neulich an dieser | |
| Stelle:] „Die Kinder, die Kinder, die armen kleinen Kinder. Wer irgendeine | |
| Schikane im Sinn hat, ist gut beraten, sie mit dem Wohl von Kindern zu | |
| rechtfertigen“. Da hat er Recht. | |
| Mit seinem Kolumnenschluss verhält es sich anders: „Besser: Man hält Maß. | |
| Der Kinder wegen, logisch.“ Da liegt Yücel falsch, umso falscher sogar, als | |
| er doch zuvor so schön herausgearbeitet hat, wie restriktiv, patriarchal | |
| und verlogen die Kinder- und Gesellschaftsdebatte nunmal läuft, wie also | |
| Kinder für etwas herhalten müssen, was Verbotsfetischisten von Rechts bis | |
| Links in ihren kindischen Allmachtsfantasien so umtreibt. | |
| „Man hält Maß“ – das ist es ja gerade, was alle von Eltern erwarten. Al… | |
| bedeutet: Politik und Wirtschaft, Kultur und Freizeitindustrie, Schulen und | |
| Kindergärten, Kinderlose sowieso und sogar die Kinder selbst. | |
| Wir Eltern sollen dafür sorgen, dass – um in der Reihenfolge der Aufzählung | |
| zu bleiben – der Politik nie das Stimmvieh ausgeht, der Wirtschaft stets | |
| willige Mägde und Knechte zur Verfügung stehen, der Kultur nicht die | |
| Helene-Fischer-Fans abhandenkommen, die sich dann auch noch an Orten der | |
| Freizeitindustrie („JOLOs Kinderwelt“, LEGOLAND Discovery Centre, sonstige | |
| in VERSALIEN gehypte Abzockhöllen) dumm und dämlich bezahlen, um hernach | |
| als Teil der Bürgergesellschaft am Samstagmorgen freiwillig ein | |
| Klassenzimmer zu streichen oder in der Kita den Essensraum neu zu | |
| verkabeln, woraufhin sie sich mit ihren Kindern leise und gesittet in der | |
| Öffentlichkeit bewegen, um Kinderlose, die erst mittags aufstehen, bloß | |
| nicht beim Frühstücksbier zu stören und schließlich weil sich unsere Kinder | |
| irgendwann nach dem Ordnungsruf sehnen, wenn es ihnen plötzlich zu | |
| anstrengend wird, immer anstrengend zu sein. | |
| ## Grölen, nerven, lügen, betrügen und schmarotzen | |
| So viel zum „Maß halten“. „Maß halten“, my ass. Kein Fußbreit dem �… | |
| halten“. Von Kindern lernt man, dass das genaue Gegenteil richtig ist. | |
| Alles wollen, laut sein, frech sein, nie die Klappe halten, sich stets | |
| totalitär verhalten, nach zwei Schokopudding mit extra Sahne noch ein Eis | |
| fordern, andere für sich arbeiten lassen, grölen, nerven, lügen, betrügen | |
| und schmarotzen, den Anforderungen von Staat, Kapital und Kultur einen | |
| Popel ans Etikett schmieren, einen Telefonstreich bei der | |
| Bürgergesellschaft machen, über ihre guten Ratschläge laut lachen und | |
| spotten. Und dabei hampeln sie dem Yücel auch noch die Kippe aus dem | |
| Mundwinkel. | |
| „Maß halten“, schallt es uns aus der Kinderlosen-Spießerhölle entgegen, | |
| aber das hören wir gar nicht, weil die Kinder zum Glück lauter sind. | |
| „Müssen die Kinder hier denn ...“ wird der erste Teil einer genervten Frage | |
| laut, deren zweiter vom colainduzierten Dazwischengequatsche der Tochter | |
| rabiat unterbunden wird. „Wir haben auch ein Recht auf ...“ beginnt ein | |
| Satz, den der Sohn mit einer Furzgeräuschfanfare kurzerhand abwürgt. „Maß | |
| halten“? | |
| Besser: Mund halten! | |
| 10 Mar 2014 | |
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| ## AUTOREN | |
| Maik Söhler | |
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