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# taz.de -- Saadi Gaddafi in Libyen vor Gericht: Esel im Trikot
> Muammar Gaddafis jüngster Sohn war fußballverrückt und nutzte die Macht
> seines Vater für seine Karriere. Damit trieb er auch die Revolution an.
Bild: Ein Bild aus besseren Tagen. Und der Ball im Hintergrund darf nicht fehlen
TRIPOLIS taz | Am vergangenen Montag sollten beide vor Gericht erscheinen,
die beiden ungleichen Söhne von Muammar Gaddafi. Saif Gaddafi, der smarte
Politiker, als Nachfolger seines Vaters gehandelt. Und Saadi, der Jüngere
und Unscheinbare, der eigentlich nichts anderes als Fußball spielen wollte.
Erst vor wenigen Wochen war er von seinem Zufluchtsort von den Behörden im
Niger nach Tripolis ausgeliefert worden.
Doch während die 35 anderen Vertreter des Gaddafi-Regimes mit kurz
geschorenen Haaren und in blauen Gefängnisanzügen stumm den epischen
Anklageschriften der Staatsanwaltschaft zuhörten, blieben Saadi und Saif in
ihren Zellen. „Die Gesellschaft weiß nicht, wie sie mit Ihnen umgehen
soll“, sagt ein enttäuschter Zuschauer vor dem Gerichtssaal, der für das
Verfahren aus dem 1.000 Kilometer entfernten Bengasi nach Tripolis
angereist war.
Während ihr Vater für fast alle Unzulänglichkeiten im heutigen Libyen
verantwortlich gemacht wird, scheint der selbstherrliche Lebensstil seiner
Söhne unter den vielen Milizen und rauflustigen Männern auf den Straßen
Nachahmer gefunden zu haben. Und es war ironischerweise Saadis
Fußballsucht, die viele junge Demonstranten im Februar 2011 in Bengasi auf
die Straße trieb.
Saadi Gaddafi nahm dem Volk den letzten privaten Zufluchtsort, den Fußball,
sagt Fußballfan und Restaurantbesitzer Mohamed Abyaer. Schon als Junge
träumte Saadi davon, ein Fußballstar zu sein. Durch die Macht seines Vaters
wurde er schnell Stürmer des Hauptstadtclubs „al-Ahly“. Als einziger
Spieler trug er seinen Namen auf dem Trikot. Der Kommentator der
Live-Übertragungen nannte von den Spielern auf dem Feld nur die
Rückennummern, bis auf eine Ausnahme.
## Die Schiris pfiffen nie gegen ihn
„Nummer 18 an Gaddafi, Gaddafi an Nummer 7 und so weiter, es war eine
Demütigung für Spieler und Zuschauer“, erzählt Abyaer. Er kann immer noch
nicht darüber lachen, als er bei sich zu Hause die Videoaufzeichnung
vorspielt. Obwohl Saadi offensichtlich wenig Talent hatte, wurde er auch
schnell Kapitän der Nationalmannschaft. Schiedsrichter wagten es so gut wie
nie, gegen ihn oder sein Ligateam zu pfeifen. Und wenn, waren sie ihren Job
oder ihre Freiheit schnell los.
Auch die ungebrochene Siegesserie von „al-Ahly“ stellte den ehrgeizigen
Sportler nicht zufrieden. Sein Vater konnte dem Treiben in den libyschen
Stadien sowieso nichts abgewinnen. Nach den Anschlägen von Lockerbie und
der Diskothek La Belle in Berlin hatten die Vereinten Nationen Libyen mit
Sanktionen belegt, die Wirtschaft lag am Boden. Gaddafi befürchtete, dass
Massenveranstaltungen schnell in Demonstrationen enden könnten.
Also machte sich Saadi mit Ende zwanzig fit für den europäischen Fußball,
engagierte Diego Maradona als persönlichen Fußballcoach und den kanadischen
Rekordsprinter und Dopingsünder Ben Johnson als Fitnesstrainer. Gute
Verbindungen seines Vaters zu Silvio Berlusconi erbrachten einen Vertrag
bei Perugia, wo er indes nach einem positiven Dopingtest gesperrt wurde.
Seinen einzigen Einsatz kommentierte eine italienische Zeitung mit
beißendem Spott. „Wäre er doppelt so schnell wie zurzeit, wäre er immer
noch halb so schnell wie der Langsamste auf dem Feld.“ Er ließ sich die
persönlichen Niederlagen nicht anmerken, aber reagiert äußerst schroff,
wenn die Nationalmannschaft verlor.
## Kommandeur gegen Aufständische
Im aktuellen Verfahren werden einige Spieler aussagen, die im Gefängnis
landeten. 1996 schossen Saadi Gaddafis Leibwächter auf Fans des
Tripolitaner Lokalrivalen Itihad, die ihn auspfiffen. Die Anklage wirft
Gaddafi vor, im Krieg vor drei Jahren eine Einheit kommandiert zu haben,
die mit aller Gewalt gegen bewaffnete Bürger vorging.
Es waren in der Mehrzahl Fußballfans von al-Ahly Bengasi, die am 15.
Februar 2011 auf die Straße von Bengasi gingen. Viele hatten ein Bild von
Omar Mukhtar bei sich, dem berühmten Widerstandskämpfer gegen die
italienischen Kolonialherren. Gaddafi waren der Volksheld Omar Mukhtar und
dessen Anhänger von Ahly Bengasi stets suspekt.
Zum ersten Eklat kam es, als Bengasi am 20. Juli 2000 gegen Saadis Club
Ahly Tripolis spielte. Bengasi musste gewinnen, um nicht abzusteigen. Der
Schiedsrichter benachteiligte Bengasi, und die Empörung darüber endete im
Spielabbruch. Am Abend wurde ein Esel mit dem Trikot von Saadi Gaddafi
durch die Stadt getrieben. „30 Fans landeten im Gefängnis, auch zwei
Anführer, die gar nicht im Stadion waren“, sagt Zahi Mugerbi, der damals im
Vorstand des Klubs saß. Ein Gericht in Tripolis verhängte zwei
Todesurteile, der Rest der meist unter Zwanzigjährigen bekam drei bis fünf
Jahre aufgebrummt.
„Die Fans haben es ihm nie verziehen und nur auf die Gelegenheit gewartet,
die Demütigung heimzuzahlen“, sagt Mugerbi. „Er hätte auf seinen Vater
hören und die Finger vom Fußball lassen sollen.“
16 Apr 2014
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Libyen
Bengasi
Muammar al-Gaddafi
Aufständische
Fußball
Libyen
Islamismus
Libyen
Gaddafi
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