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# taz.de -- Der „Guardian“ erweitert sein Geschäft: Hungrig nach den echte…
> Im #guardiancoffee gibt es die Tageszeitung gratis zum Kaffee – gedruckt
> und digital. So soll das Traditionsblatt dichter an die Leser gebracht
> werden.
Bild: Der „Guardian“ als Marke funktioniert auch im Kaffee.
LONDON taz | Es ist 8.15 Uhr, und die ersten Gäste strömen in ein Londoner
Café. Zwischen ihren Armen entfalten sich die glatten Seiten der neuesten
Ausgabe einer britischen Tageszeitung – eines Qualitätsblatts, täglich
produziert von den Händen und Köpfen mehrerer Hundert Menschen. Doch die
Zeitung, die die Menschen hier durchblättern, ist gratis, zumindest solange
man mindestens 2,70 Pfund (3,20 Euro) für einen Kaffee zahlt. Herzlich
willkommen in der Vision eines koffeinhaltigen Anführers inmitten des
großen Printverlusts.
Das Café [1][#guardiancoffee] ist das neueste Objekt in einer ganzen Serie
von Experimenten des Guardian. Stationiert ist es inmitten dreier
miteinander verbundener Schiffscontainer im Londoner Stadtviertel
Shorditch, bekannt als Londons „Silicon Allee“ – auch deshalb wohl ganz
bewusst der Hashtag. Marktstrategie des Cafés war es, „unsere führenden
Technologiereportagen dahin zu bringen, wo Technologie eigentlich ist, um
somit Echtzeitdebatten und Engagement innerhalb der kreativen
Technologiegemeinschaft voranzutreiben“, schrieb der Guardian über sich
selbst in einem Dossier zur Eröffnung des Cafés.
Wie sieht dies nun alles in Echtzeit aus? Die gedruckte Zeitung wird im
#guardiancoffee umsonst vergeben. Einige der Gäste scheinen jedoch Probleme
mit der Entscheidung zwischen Digital- und Druckausgabe zu haben, denn aus
der Mitte eines jeden Tisches ragen unentfernbare iPads. Es beginnt ein
Knobelspiel – das iPad aber stört immer, selbst wenn das Papier gewonnen
hat, bei der Entfaltung der Papierzeitung. Das mag symbolisch sein.
In einer Ecke des Cafés sitzt ein Hipster in enger Jeans und mit MacBook.
In zwei Stunden, wenn der eigentliche Tag der Computer und Tech-Freaks
beginnt, wird das Café voll mit Menschen dieses Typs sein. Ein riesiger
LED-Bildschirm an der Wand preist schon den „populärsten Drink des Tages“
an, zusammen mit den beliebtesten Tweets des Tages. Ein anderes Experiment
dagegen ist überraschenderweise aus Papier. „The Long Read“ ist eine
wöchentliche Zeitung, die es nur im Café gibt, kreiert von einem Roboter,
der Algorithmen der Leser benutzt, um den Inhalt und die Themen der Zeitung
zu bestimmen.
## Profit ist zweitrangig
Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridge bejahte kürzlich der New York Times
gegenüber die Frage, ob das Café wie ein Intellektuellensalon sein solle,
mit den Worten: „Ja mehr sich die digitale Welt formiert, desto mehr werden
Leute nach echten Dingen hungern.“
Mit solch echten Dingen sind wohl die Veranstaltungen im Café gemeint, bei
denen man Bücher tauschen oder über alte Afrikamythen debattieren kann.
Genau wie die Website des Guardian soll das Café das Branding und den
Einfluss der Zeitung stärken. Der Profit ist dabei erst mal zweitrangig,
denn einige Dutzend Tassen Kaffee werden die Dellen in den Finanzen der
Zeitung sicher nicht ausgleichen. Es stellt sich eher die Frage, was der
finanzielle Wert einer Ideenkreuzung und eines sprechenden Ladens ist.
Vor 300 Jahren standen einige 100 Meter von hier entfernt Londons erste
Kaffeehäuser, wo sich die Börse und das globale Versicherungsgeschäft einst
entwickelte. Aber Mode und Technologie waren im 16. Jahrhundert so
vergänglich wie heute. Schließlich waren es Teehäuser und das Telegramm,
die den alten Trends den Garaus machten.
Übersetzung aus dem Englischen Daniel Zylbersztajn
19 Apr 2014
## LINKS
[1] http://twitter.com/Guardian_Coffee
## AUTOREN
Clare Hill
## TAGS
The Guardian
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Kai Diekmann
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