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# taz.de -- Linker Fußballclub Babelsberg 03: Kämpfe um Raum und Rechte
> Der SV Babelsberg 03 ist einer der wenigen klar linken Fußballvereine.
> Seine Fanbasis bildete sich in Potsdams Hausbesetzerszene der 90er-Jahre.
Bild: Fanliebe mit Symbolkraft: Babelsberg-Anhänger 2011, damals noch in der 3…
„Hausbesetzungen sind kein Problem, sondern die Lösung.“, so das Motto der
Hausbesetzerszene Potsdams Anfang der 90er Jahre. Die Schlacht um
Immobilien hatte direkt nach der Wende begonnen, und die Stadt entwickelte
sich mit über 20 besetzten Gebäuden in der Altstadt zur
Hausbesetzer-Hochburg Deutschlands, die die von Hamburg noch überstieg. Der
Spiegel schrieb 1994, man befürchte eine neue „Hafenstraße“ in der
preußischen Stadt bei Berlin.
Kurz nach der Wende sang der Babelsberger Musiker Hubert Schabulke über
sein Haus, in dessen Garten noch „Äppel, Petersilie und Jestrüpp“ wuchsen:
„Det is so’n ollet, altet Haus / Mit ohne Kabel und die meisten ziehen aus
/ Man weess och nich so richtich janz jenau / Jehört et nu JEWOBA oder KWV
…“ Damals ging manch Paradies verloren.
„Babelsberch 14482“ wurde bald zur Hymne dieser Szene und später
offizielles Lied des heimischen Fußballvereins SV Babelsberg 03, der zu
dieser Zeit quasi aus Ruinen wieder auferstand – mit ihm eine Fangemeinde,
die seither fest mit diesen Kämpfen um Raum und Rechte verbunden ist.
Der 1903 gegründete Verein bestand nach 1989 nur noch aus einer
Rumpfmannschaft, denn viele Spieler waren nach Wannsee gegangen, um
Westgeld zu verdienen. In der Nordkurve noch ein versprengter Rest von etwa
30 Fans. Zu ihnen gesellten sich bald die Punks aus den besetzten Häusern.
Sie kamen an den Samstagen mit Kisten von Bier und ihren Hunden in das
Karl-Liebknecht-Stadion.
## Die Freunde aus St. Pauli
1991 kam es zu einer Neugründung, die vor allem von diesen Fans getragen
wurde. Zwischenzeitlich schaffte es der Verein in die 2. Liga. Und trotz
derzeitiger Position in der Regionalliga kommen heute bis zu 3.000
Zuschauer zu den Spielen im „Karli“ – etwa ein Drittel von ihnen aus
Berlin. Aber auch Fangruppen aus Großbritannien oder die Freunde aus St.
Pauli, mit denen zahlreiche gemeinsame Aktionen laufen, schauen vorbei.
„Das Besondere an Babelsberg gegenüber anderen professionellen Vereinen ist
eben, dass Fans und Verein identisch sind“, so Marketingleiter Thoralf
Höntze, einer der wenigen Festangestellten des Vereins, auf die Frage, ob
es im Verein keine inhaltlichen Konflikte gebe. Natürlich stehen auch die
Fans anderer linker Vereine wie der Hamburger FC St. Pauli für gemeinsame
politische Inhalte, aber wenn es darum gehe, Position zu beziehen, hält
sich der Vorstand lieber raus. „Diese Trennung gibt es bei uns nicht.“
Die vielen engagierten Babelsberger setzen sich zum Teil schon aus der
dritten Generation derer zusammen, die die Konflikte der 90er Jahre
zusammen gebracht hatten. „Das zieht sich vom Vorstand bis zum Fan in der
Kurve durch, dass bestimmte Einstellungen geteilt werden.“ Es gibt aber
auch die, die einfach nur guten Fußball sehen wollen.
Als der Verein 2011 von Insolvenz bedroht wurde, besetzten Fans kurzerhand
das gerade neu errichtete Vereinsheim und retteten Babelsberg mit einem
neuen Finanzierungskonzept und Kooperationspartnern vor dem Aus. Die „Acht
Tage im Mai“ erlangten Kultstatus.
In der Gewissheit, demnächst wieder aufzusteigen, engagieren sich zurzeit
etwa 50 Ehrenamtliche. Sie veröffentlichen das Stadionheft Nulldrei,
schreiben Spielberichte, betreuen Kinder während der Spiele, organisieren
Stadionmusik, kleben Plakate und erledigen das Merchandising – vom Entwurf
bis zum Verkauf.
## Der Ball ist bunt
Für die kulturelle Arbeit außerhalb des Fußballbetriebs in Berlin und
Potsdam hat sich die Marke „Blauweissbunt*Nulldrei“ entwickelt. Sie
organisieren z. B. das antirassistische Stadionfest „Der Ball ist bunt“
jedes Jahr im Spätsommer, wo Fanclubs aus ganz Deutschland, aber auch
Mannschaften aus Asylbewerberheimen gegeneinander antreten. „Da geht es
nicht nur um den guten Zweck, sondern um den Pokal und natürlich auch um
Alkohol“, so Höntze.
Zuletzt erregte der Verein großes Aufsehen, als er den Schulterschluss mit
dem Textilhersteller Lonsdale suchte, dessen Mode in der Öffentlichkeit
noch immer zu Unrecht der rechten Szene zugeschrieben wird. Lonsdale
produzierte daraufhin 900 T-Shirts im Vereinsdesign.
Auch der Partnerverein in Kuba, „Mantua 62“, profitiert davon und konnte
mit neuen Trikots ausgestattet werden. Die Freundschaft mit ihnen war vor
vielen Jahren über einen Fan in der Nordkurve entstanden. Es folgten
regelmäßige Besuche mit solidarischen Hilfsaktionen, Kleider- und
Kickschuh-Spenden. Nun soll der Trainingsplatz saniert werden. Auch hier
gibt es Raumkonflikte: Das Feld wird von einem Hohlweg gekreuzt, der von
Pferdewagen genutzt wird. So kommt es immer wieder zu Spielunterbrechungen.
Daher wird für einen Umgehungsweg gesammelt.
Und die Spiele? Auf zum Heimspiel: am Ostermontag um 13.30 Uhr gegen VFC
Plauen. Denn: Babelsberg ist „Berlins geilster Fußballverein (näher dran
geht nicht)“.
21 Apr 2014
## AUTOREN
Antonia Herrscher
## TAGS
Fußball
Potsdam
Hausbesetzer
Wien
Fußball
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