Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Entlohnung häusliche Pflege: Liebe statt Geld
> Das Verfassungsgericht stellt klar, dass Angehörige für häusliche Pflege
> weniger bekommen als Fachkräfte. Alles andere wäre eine Utopie gewesen.
Bild: Wer seine Eltern pflegt, tut das nicht nur des Geldes wegen
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Diese Forderung ist im Bereich der
Care-Arbeit fast nie erfüllt. Wer etwas für seine Angehörigen tut, bekommt
dafür keine oder nur wenig materielle Gegenleistung, während die gleiche
Leistung auf dem öffentlichen Markt für Pflege, Erziehung, Sex und
Haushaltsdienstleistung natürlich bezahlt wird.
An dieser Ungleichbehandlung wollte nun auch das Bundesverfassungsgericht
nichts ändern. Es wies die Verfassungsbeschwerde von zwei Frauen (Mutter
und Tochter) ab, die ihren Ehemann und Vater zu Hause pflegten, dafür von
der Pflegeversichung aber nur ein bescheidenes Pflegegeld von unter 700
Euro pro Monat erhielten. Hätte eine professionelle Pflegekraft die Arbeit
erledigt, wäre dieser dafür mehr als das Doppelte bezahlt worden.
Das Verfassungsgericht akzeptierte nun die Differenzierung des
Gesetzgebers. Die Leistung für Angehörige werde eben nicht allein um des
Geldes willen getan, sondern sei Ausdruck des „familiären Zusammenhalts“.
Das Pflegegeld sei, so gesehen, eben kein Entgelt, sondern nur eine
„Anerkennung“ der Leistung.
Die Karlsruher Entscheidung kommt sicher nicht überraschend. Es wäre eine
Sensation gewesen, wenn die Richter die gleiche Bezahlung für familiäre
Pflege wie für Fremdpflege gefordert hätten. Immerhin ist das Pflegegeld
schon ein Fortschritt gegenüber früher, als die familiäre Pflege ganz
umsonst geleistet wurde.
Die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft wird aber eine weitere
Erhöhung des Pflegegeldes erzwingen. Je weniger die Pflege von Angehörigen
als selbstverständliche sittliche Pflicht erachtet wird, umso mehr muss der
Staat die finanziellen Anreize erhöhen. Denn ein schlecht bezahlter
Angehöriger ist für das Sozialsystem immer noch billiger als eine
professionelle Pflegekraft.
## Auch die professionellen Sätze sind niedrig
Umgekehrt werden damit zwar auch die gesellschaftlichen Rollenbilder
stabilisiert. Indem Ehefrauen und Töchter nun ein (steigendes) Almosen für
die traditionell von ihnen verrichtete Pflegearbeit erhalten, bestärkt das
die überkommene Rollenzuteilung. Daran würde sich aber wohl auch wenig
ändern, wenn für familiäre Pflege die gleichen Sätze wir für professionelle
Fremdpflege bezahlt würden, denn auch diese sind viel zu niedrig. Auch die
professionelle Pflege ist (deshalb) ein Frauenberuf geworden.
Ändern würde sich dies wohl erst dann, wenn für Care-Tätigkeiten die
gleichen Löhne wie für Fabrikarbeit bezahlt würden. Dies müsste dann über
stark erhöhte Steuern und Sozialabgaben finanziert werden. Angesichts der
Produktivitätsfortschritte ist dies nicht undenkbar. Wegen der globalen
Standortkonkurrenz dürfte ein solches Modell aber kaum im deutschen
Alleingang realisierbar sein.
Schon deshalb ist klar, dass die Forderung nach gleichbezahlter familiärer
Pflegearbeit (derzeit) kein Fall für das Verfassungsrecht ist. Die
Karlsruher RichterInnen hätten allenfalls eine Utopie aufzeigen können.
Doch das ist sicher nicht ihre Kernaufgabe.
17 Apr 2014
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Familie
Bundesverfassungsgericht
Pflege
Patientenrechte
Pflegekräftemangel
Bundesverfassungsgericht
Pflege
Grimms Märchen
Pflege
Pflege
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pflege von Angehörigen: Größter Pflegedienst Familie
Pflegebedürftige werden überwiegend zu Hause von Angehörigen versorgt. In
den eigenen vier Wänden zu pflegen, kostet Geld und viel Kraft.
Debatte Altenpflege: Demenz ist auch Anarchie
Für die Pflege von Altersverwirrten soll es mehr Geld geben. Doch die
Schuldgefühle der Babyboomergeneration gegenüber den Eltern bleiben.
BVerfG-Beschluss zu häuslicher Pflege: Familienangehörige helfen billiger
Die Pflege durch Angehörige wird vom Staat schlechter honoriert als die von
professionellen Kräften. Das ist in Ordnung, urteilt das
Bundesverfassungsgericht.
BGH-Grundsatzurteil zu Heimkosten: Sohn sein verjährt nicht
Ein 60-jähriger muss einen Teil der Pflege seines toten Vaters bezahlen –
obwohl dieser vor 40 Jahren den Kontakt abgebrochen hatte.
Demenz und Pflege: Unvergessliche Momente
Wie gehen Angehörige und Pfleger richtig mit Demenzkranken um? Märchen
können die Verängstigten beruhigen.
Kommentar Pflege und Korruption: Ohne Kontrolle geht es nicht
Der Pflegebereich ist mittlerweile nicht mehr überschaubar. Das macht
Betrügereien, Schmiergelder und Ausnutzung der Patienten möglich.
Ausländische Pflegerinnen in Deutschland: Wenig eigenes Leben in der Fremde
Sie sollen rund um die Uhr verfügbar sein, gut Deutsch sprechen und für
wenig Geld arbeiten: Ausländische Pflegekräfte arbeiten an der
Kapazitätsgrenze.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.