| # taz.de -- Debatte Neuer Kalter Krieg: Keine Dämonisierung! | |
| > Eine Militarisierung der Sprache schaltet selbstständiges Denken aus. | |
| > Dann aber wird Deutschland selbst wieder Frontstaat – und das hilft | |
| > wirklich niemandem. | |
| Krieg in Europa?“, titelt die jüngste Ausgabe des Spiegels und gibt | |
| darunter gleich die Antwort: „Der ukrainische Flächenbrand“. Dazu ist ein | |
| Vermummter zu sehen, der mit seiner Waffe knapp am Kopf des Lesers | |
| vorbeizielt. | |
| Politiker von Union bis zu den Grünen erregen sich darüber, dass ein | |
| deutscher Fußballklub einen Besuch bei ihrem Sponsor Wladimir Putin plant. | |
| „In der momentanen Lage eine Einladung in den Kreml anzunehmen und sich so | |
| instrumentalisieren zu lassen zeugt nicht wirklich von | |
| Fingerspitzengefühl“, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber. | |
| Derweil versetzt die Bild-Zeitung schon einmal die Antiterrortruppe KSK in | |
| Alarmbereitschaft – was die Bundesregierung dementiert – und zitiert den | |
| CSU-Politiker Florian Hahn: „Wenn akute Lebensgefahr für die Geiseln | |
| bestünde, sollte man über diese Option nachdenken.“ | |
| Deutschland, so der gemeinsame Subtext, befindet sich im Vorkriegsstadium. | |
| Angst verkauft wieder Nachrichten. Und dazu zählt die Identifikation eines | |
| gemeinsamen Feindes: Wladimir Putin und „die Russen“. Es gibt zwar schon | |
| lange keinen Kalten Krieg und keine Sowjetunion mehr, doch die Phrasen von | |
| einst können wieder recycelt werden. Noch bevor wir über die Ukraine | |
| nachdenken, ist das alte Freund-Feind-Denken wiedergeboren. Rationalität | |
| ist out, gefragt ist die Furcht vor dem Bösen, diesen maskierten Horden aus | |
| dem Osten. So tief sind wir gesunken in gerade einmal ein paar Wochen. | |
| Anlass für diesen zivilisatorischen Rückschritt ist ein russischer | |
| Präsident, der es sich offenbar in den Kopf gesetzt hat, die Einflusszone | |
| seine Landes auszudehnen, der dabei in Kauf nimmt, internationale Verträge | |
| zu brechen, und auf Diplomatie reagiert wie ein Schwerhöriger auf | |
| flüsternde Stimmen – nämlich gar nicht. Das lässt die berechtigte Frage | |
| entstehen, wie der Westen mit Putins Expansionsbestrebungen denn nun | |
| umgehen soll. | |
| Das weiß ich leider auch nicht. Es ist aber offensichtlich so, dass es | |
| dafür kein Patentrezept gibt. Doch es scheint mir, dass es der Demokratie | |
| wenig hilfreich ist, Putins Politik einfach nur hinzunehmen, weil sonst die | |
| Möglichkeit bestünde, dass die eigene Gasrechnung geringfügig steigt. | |
| Ich bin mir aber sicher: Wer eine rationale Diskussion führen möchte, den | |
| behindern Vorurteile. Eine Militarisierung der Sprache aber ist der erste | |
| Schritt, um selbstständiges Denken auszuschalten. Die Dämonisierung eines | |
| Feindes dient dazu, jegliche Differenzierungen zu verunmöglichen. Die | |
| unsinnige Behauptung, es könne zu einem Krieg in Deutschland kommen, schürt | |
| die dazugehörige Portion Angst. | |
| Deutschland ist auf dem besten Weg, wieder zum Frontstaat zu werden. Diese | |
| Front verläuft erst einmal in den Köpfen. Sie produziert keine Leichen, | |
| sondern Legenden. | |
| Ich empfehle allen Lesern einen Urlaub in St. Petersburg, Moskau oder im | |
| ukrainischen Lemberg. Sie werden dort garantiert ganz normale Menschen | |
| treffen. | |
| ## Waffen für den Weltfrieden? Vier Debattenbeiträge: | |
| Chefredakteurin Ines Pohl führt in den Debattenstand ein: [1][Der Krieg in | |
| unseren Köpfen.] | |
| Bernd Pickert fordert uns auf, Russland zu verstehen, schließlich könne | |
| einen Krieg, aber auch den Frieden nur gewinnen, wer seinen Feind versteht. | |
| [2][Russland verstehen!] | |
| Daniel Bax zeigt auf, dass nicht Kriegslogik sondern Entspannungspolitik | |
| Frieden schafft, die Ablehnung militärischer Muskelspiele mithin keine | |
| Naivität, sondern Vernunft ist. [3][Der Kriegslogik entgehen!] | |
| Dem hält Dominic Johnson entgegen, dass nur wer Stärke zeige, eine | |
| gewaltbereiten Aggressor in die Schranken weisen kann. [4][Stärke zeigen!] | |
| 29 Apr 2014 | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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