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# taz.de -- Journalisten in Pakistan: Opfer des Geheimdienstes
> Amnesty International verdächtigt den pakistanischen Militärgeheimdienst
> ISI der Ermordung von Journalisten. Angriffe kommen auch von anderen
> Seiten.
Bild: Nein, dies ist keine Demo gegen Gewalt gegen Journalisten. Dies ist eine …
BERLIN taz | Als der Fernsehjournalist Hamid Mir zum Büro seines Senders
Geo TV in Pakistans Metropole Karachi fährt, folgen ihm am 19. April vier
Männer auf Motorrädern. Sie eröffnen das Feuer auf den prominenten
Polittalker des populären Privatsenders. Den 47-Jährigen treffen sechs
Kugeln. Doch er überlebt Dank der Fahrkünste seines Fahrers, der den
unbekannten Angreifern entwischen kann.
Wenige Stunden nach dem Attentat beschuldigt Mirs Bruder Amir, ebenfalls
Journalist, Pakistans mächtigen Militärgeheimdienst ISI der Tat. Sein
Bruder habe ihm oft von entsprechenden Drohungen berichtet. Hamid Mir hatte
zum Beispiel kritisch über extralegale Hinrichtungen von Separatisten in
Baluchistan berichtet. Geo TV sendet Amir Mirs Vorwürfe der Verwicklung des
ISI in das Attentat auf seinen Bruder. Doch nennt der Sender keine
konkreten Beweise.
Während Pakistans Premierminister den schwerverletzten Hamid Mir im
Krankenhaus besucht, pilgert der Armeechef zum Hauptquartier des
beschuldigten Geheimdienstes und verspricht ihm Unterstützung. Bald fordert
das Verteidigungsministerium die Regulierungsbehörde für elektronische
Medien auf, Geo TV die Lizenz zu entziehen und dessen Verantwortliche wegen
unwahrer Behauptungen zu verklagen. Derweil verbietet die Armee ihren
Soldaten, Geo TV zu schauen oder Zeitungen der Jang-Mediengruppe zu lesen,
zu der der Sender gehört.
Der aktuelle Fall spielt eine prominente Rolle in dem am Mittwoch in London
von der Menschenrechtsorgainsation Amnesty International (ai) vorgelegten
Bericht über Angriffe auf Journalisten in Pakistan (verlinken zu „A bullet
has been chosen for you“. Attacks on journalists in Pakistan). Die
Organisation erklärt, sie habe keine expliziten Beweise für die Ermordung
und Bedrohung von Journalisten durch den ISI. Auch gebe es in Pakistan noch
andere Kräfte wie die politische Partei MQM, Separatisten in Baluchistan
oder die Taliban, die immer wieder Journalisten bedrohten und ermordeten.
## Systematische Einschüchterung
Doch Amnesty zeigt in dem auf der Befragung von 68 Journalisten basierenden
Bericht ein Muster, demnach der ISI Journalisten mit Todesdrohungen
systematisch einschüchtert. Alle Versuche juristischer Gegenwehr blieben
folgenlos.
Amnesty nennt Beispiele, in denen Polizeidienststellen sich weigerten,
überhaupt Anzeigen gegen das mächtige Militär und seinen noch mächtigeren
Geheimdienst aufzunehmen und gegen diese zu ermitteln. Auch eine von der
Regierung eingesetzte Ermittlungskommission, die so selten wie hochrangig
war, verlief nach der tödlichen Entführung und Folterung des
militärkritischen Journalisten Saleem Shahzad im Sande. Beweismittel wie
Handydaten waren merkwürdigerweise nicht verfügbar. Zu den wenigen
Institutionen, die diese beseitigen können, gehört der ISI.
Laut Amnesty wurden in Pakistan seit der Wiederherstellung der Demokratie
im März 2008 34 Journalisten im Zusammenhang mit ihrer Arbeit ermordet.
Seit Antritt der konservativen Regierung von Nawaz Sharif im vergangenen
Juni waren es acht, in diesem Jahr waren es bereits sechs Morde an
Medienvertretern. Das in den USA ansässige Komitee zum Schutz von
Journalisten zählt Pakistan zu den weltweit vier gefährlichsten Ländern. Im
jüngsten Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt Pakistan
nur den 158. Rang von 167 Staaten.
## „Straflosigkeit ist die Norm“
Dabei hat das südasiatische Land zahlreiche lebendige und vielfältige
Medien mit mutigen Journalisten. Doch Einschüchterungen und Angriffe werden
kaum geahndet. „Straflosigkeit ist die Norm für Angriffe auf Journalisten,“
heißt es im Bericht. Laut Amnesty gibt es nur zwei Fälle, in denen
überhaupt Täter verurteilt wurden. Der eine Fall betrifft die Ermordung des
Korrespondenten des Wall Street Journal, Daniel Pearl, 2002 in Karachi
durch Islamisten. Die andere Verurteilung erfolgte am 1. März 2014. In
beiden Fällen wurde gegen die Verurteilten Todesstrafen oder
lebenslängliche Haft verhängt. Doch beklagten Verurteilte, ihnen seien
unter Folter Geständnisse abgepresst worden, auf denen dann die Urteile
hauptsächlich basierten.
Besonders gefährdet sind in Pakistan demnach Journalisten, die über die
Armee, die nationale Sicherheit, Menschenrechtsverletzungen und gewaltsame
Konflikte in Baluchistan, dem Nordwesten oder Karachi schreiben.
Amnesty kritisiert, dass die meisten Medienhäuser ihre Mitarbeiter im Stich
ließen und sie nicht angemessen schützen. Auch gebe es kaum Solidarität
unter Pakistans Medienvertretern. So hätten Konkurrenten von Geo TV den
Sender nicht gegen die Angriffe des ISI verteidigt, sondern ihrerseits noch
den Sender angegriffen.
30 Apr 2014
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Pakistan
Geheimdienst
Schwerpunkt Pressefreiheit
Pakistan
Pakistan
Schwerpunkt Pressefreiheit
Beschneidung
TTP
Pervez Musharraf
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