# taz.de -- Lohnt sich ein Myfest-Besuch noch?: Contra: Ein närrisches Volksfe… | |
> Das Myfest ist nichts anderes als Karneval – und alle beteiligen sich | |
> gerne an der Inszenierung: die Polizei, die Anwohner, die Besucher aus | |
> aller Welt. | |
Bild: Ziemlich kitschig und riecht irgendwie nach Rummel: Kreuzberg am 1. Mai. | |
Im Grunde ist es der Ursprungsgedanke des traditionellen Karnevals, dem das | |
Kreuzberger Myfest folgt: Für ein paar Tage wird der Bevölkerung gestattet, | |
Herrin in der Stadt beziehungsweise im Kiez zu sein. | |
Die üblichen Machtverhältnisse werden währenddessen – rein symbolisch, | |
versteht sich – auf den Kopf gestellt: In den klassischen Karnevalsgegenden | |
wird das durch die Übergabe der Rathausschlüssel an die NärrInnen | |
inszeniert, in Kreuzberg stellt sich die Polizei zur Verfügung, um als | |
Ventil für das sonst übliche Gefühl der Machtlosigkeit zu dienen. Die | |
BewohnerInnen, die sich an diesem Teil des Festes nicht beteiligen wollen, | |
nutzen es, um sich – auch das ist ein Ausdruck von Souveränität – dessen | |
Gästen als GastgeberInnen und UnterhalterInnen zu präsentieren: mit Köfte | |
wie bei Muttern und kurdischen Volkstänzen. | |
Und die Gäste kommen zuhauf: Das Fest zieht mittlerweile BesucherInnen weit | |
über Berlins Landesgrenzen hinaus an, die sich der närrischen Illusion | |
begeistert hingeben. Biertrinkende Provinzjungs grölen „Revolution“, wenn | |
am frühen Abend schwarz ge- (oder ver-?) kleidete Grüppchen von Polizisten | |
verfolgt durch die Menge jagen – die Mutigeren (oder Betrunkeneren) unter | |
ihnen werfen sogar noch einen halbvollen Bierbecher hinterher. Mädchen in | |
nigelnagelneuen Öko-Baumwoll-Pluderhosen fotografieren sich gegenseitig vor | |
einem von Obdachlosen bewohnten Haltestellenhäuschen, deren Habseligkeiten | |
dort in Plastiktüten und alten Einkaufswagen aufgestapelt sind – als hätten | |
sie mit diesem Elend etwas zu tun. | |
Ist das schlimm, weil unpolitisch? Oder darf das Myfest eben einfach ein | |
cooles Volksfest sein? Diskutieren kann man darüber viel. Entscheiden | |
können es nur die KreuzbergerInnen – in einem Akt tatsächlicher | |
Souveränität. | |
2 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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