| # taz.de -- Lohnt sich ein Myfest-Besuch noch?: Pro: Eine irre Atmosphäre | |
| > 40.000 Menschen schoben sich durchs Myfest. Trotzdem machte es Spaß: | |
| > Alles war liebevoll angerichtet und improvisiert. | |
| Bild: Alle so gut drauf hier: Am 1. Mai in Kreuzberg. | |
| Wie ein Lindwurm schieben sich die Massen durch die Straßen. Von oben | |
| betrachtet ist das bestimmt ein irres Bild. Mittendrin ist es noch irrer. | |
| In den Schluchten hängen die Rauchschwaden von gebratenen Köfte und | |
| Hühnerbeinen. Aus Kneipen, geöffneten Fenstern und von den Bühnen hämmern | |
| die Beats. Mehr als 40.000 Besucher hat es dieses Jahr auf das Myfest in | |
| Kreuzberg getrieben. So viele wie nie zuvor. Nicht nur die Zugänge zum | |
| Fest, auch die U-Bahnhöfe Kottbusser Tor und Görlitzer Bahnhof mussten | |
| zeitweise wegen Überfüllung geschlossen werden. Was suchen die Menschen | |
| dort alle nur? | |
| Bestimmt nicht Kommerz. Von einem Rummel mit Zuckerwatte, Karussell und | |
| Schießbuden ist das Myfest weit entfernt. Viele der kulinarischen | |
| Köstlichkeiten, die an mittlerweile mehr als 300 Ständen feilgeboten | |
| werden, sind selbst gemacht. An Vorbereitung und Verkauf sind ganze | |
| Familien beteiligt. Stände bewilligt bekommen nur Leute aus dem Kiez. Alles | |
| ist liebevoll angerichtet und improvisiert. Das ist der Hauptgrund für den | |
| Erfolg und macht den Charme der Riesenparty aus. Dass sich die Anwohner am | |
| 1. Mai ein paar hundert Euro dazu verdienen – so what? Und sei es, dass sie | |
| leere Flaschen sammeln oder eine Leiter aufstellen, von der Besucher für 50 | |
| Cent ein Übersichtsfoto von der Menge machen können. | |
| Ein unpolitisches Fest? Nonsens. Wer Politik sucht, findet sie. An den | |
| Infoständen der Flüchtlinge auf den Oranienplatz etwa, wo auch die | |
| Schlafsäcke der vor Kurzem noch Hungerstreikenden liegen. Oder auf dem | |
| Mariannenplatz: Vom Energietisch über die Anti-Atom-Gruppe und Mehr | |
| Demokratie sind dort viele Initiativen und linke Parteien der Stadt | |
| vertreten. Dann gab es um 17 Uhr eine Spontan-Demonstration: Hunderte zogen | |
| gegen Gentrifizierung und Abschiebung durch das Gewühle. Anschließen | |
| erwünscht! Das alles auf einem Haufen gibt es – noch so friedlich – | |
| nirgendwo sonst. | |
| Sehen und gesehen werden, Spaß haben, einen über den Durst trinken, ein | |
| paar Joints rauchen, chillen – Feiern ist nun mal so. Wenn alle Welt auf | |
| das Myfest abfährt, wird’s eben eng. Wer das nicht abkann, bleibt in | |
| Zukunft besser zu Hause. | |
| 2 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Plutonia Plarre | |
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