# taz.de -- Pro und Contra Europäischer Fußball: Spiel ohne Grenzen? | |
> Schaffen Champions League, EM und die Uefa Teilhabe und emotionalen | |
> Kontinentalkitt? Oder sind sie ein unfaires Elitenprojekt? | |
Bild: Fußball verbindet alle: Polnischer, irischer und spanischer Fan bei der … | |
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In ganz Europa werden sie am Samstagabend wieder gebannt vor den TV-Geräten | |
sitzen. Vor fünf Jahren bereits übernahm das europäische | |
Champions-League-Finale die Spitzenposition als das weltweit meistgesehene | |
Sportereignis. Real gegen Atletico Madrid – das ist weit mehr als ein | |
Städtefinale. Es ist auch weit mehr als ein spanisches Endspiel. Es geht um | |
weit mehr als um die Vorherrschaft unter den reichsten Vereinen. | |
Doch all das kann die kollektive europäische Begeisterung nicht erklären, | |
die die TV-Sender gewiss wieder Rekordquoten verkünden lässt wie beim | |
letztjährigen deutschen Finale. Es ist vielmehr die europaweite Teilhabe, | |
die die allgemeine Faszination erklärt. Der portugiesische Real-Stürmer | |
Ronaldo oder der türkische Atletico-Mittelfeldspieler Arda Turan können an | |
diesem Abend Geschichte schreiben im Zusammenspiel mit einem Franzosen, | |
Kroaten, Belgier oder Deutschen. Hier werden verbindende Momente | |
geschaffen, die sich tief ins Gedächtnis von Millionen Menschen | |
einschreiben werden. Es ist der emotionale Kontinentalkitt, von dem viele | |
europafreundliche Politiker nur träumen können. | |
Natürlich geht es auch ums Geschäft. Aber während in vielen nationalen | |
Ligen der ungeregelte Wettbewerb zum Auseinanderdriften des | |
Kräfteverhältnisses führt, sanktionierte der Europäische Fußball-Verband | |
(Uefa) jüngst erstmals Verstöße gegen das Financial Fair Play. | |
Vielfach wurde außerdem Uefa-Chef Michel Platini gescholten, weil er die | |
Aufstockung des EM-Teilnehmerfelds von 16 auf 24 Länder durchboxte. Ihm mag | |
es um die Stimmen der kleinen Fußballverbände gegangen sein; was er aber im | |
Ergebnis geschaffen hat, ist eine größere Teilhabe am größten europäischen | |
Fußballfest. Als völlig verrückt wurde seine Initiative kritisiert, die EM | |
2020 nicht an ein oder zwei Länder zu vergeben. Stattdessen wird sie in | |
verschiedenen europäischen Metropolen ausgetragen. | |
Dabei stärkt dies doch die emotionale und ökonomische Partizipation an | |
Europas größtem Fußballfest. Zudem werden der Aufwand und die Kosten auf | |
mehrere Schultern verteilt. Eine clevere Idee, die kleine Länder künftig | |
nicht mehr von Großereignissen ausschließt. | |
Erweiterung und Vertiefung zugleich? Wer kennt sie nicht, die paranoid | |
erscheinenden Parolen von europäischen Politbürokraten. Die Uefa ist dabei, | |
beides zusammenzubringen, und verdient prächtig damit. Warum nicht? | |
JOHANNES KOPP | |
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Europa ist ein Kraftprotz, meistens jedenfalls. Und Kraftprotze möchten | |
sich messen. Der Fußball ist ideal dafür. Seit 1897 gibt es | |
länderübergreifende Wettbewerbe wie den Challenge Cup oder den | |
Mitropapokal. Das bis dahin größte europäische Fußballprojekt aber begann | |
1955 mit der Einführung des Europapokals. Die Wirren des Krieges waren | |
halbwegs überstanden. In der Sportszene als Surrogat des Politischen konnte | |
nun wieder die Frage erörtert werden: Wer ist der Beste, wer ist der King | |
in Europa? | |
Außerdem nervten diese Engländer, die das beste Fußballteam der Insel gern | |
mal zum Weltmeister kürten, 1954 die Wolverhampton Wanderers. Resteuropa | |
konnte es nicht hinnehmen, dass eine Elf aus einem Nest bei Birmingham die | |
Welt und den Kontinent beherrschte – einfach so, ohne einen Wettbewerb mit | |
den Spaniern von Real Madrid oder den Portugiesen von Benfica Lissabon. | |
Die Spiele um den Europapokal galten als sinnstiftend für den Alten | |
Kontinent. Der Wettbewerb war bis in die 80er Jahre hinein ein Wettbewerb | |
der Möglichkeiten, an dem sich auch Mannschaften aus dem Ostblock | |
beteiligten. Und weil es so gut lief, expandierte der europäische Fußball. | |
Seit 1960 wurde der Europapokal der Pokalsieger vergeben, seit 1971 der | |
Uefa-Pokal. Damals gewannen Mannschaften Titel und Trophäen, die heute aus | |
verschiedenen Gründen keine Chance mehr hätten: Slovan Bratislava, 1. FC | |
Magdeburg, Celtic Glasgow oder IFK Göteborg. | |
Der Wettbewerb der politischen Blöcke garantierte Abwechslung und Spannung, | |
nach dem Fall des Eisernen Vorhangs aber wurde der altehrwürdige und | |
traditionsreiche Europapokal nicht nur umbenannt in Champions League und | |
Europa League, er verkam auch mehr und mehr zu einem fußballerischen | |
Elitenprojekt. Im Grunde ist daraus ein Vierländerkampf geworden: Immer | |
finanzkräftigere Teams aus England, Spanien, Italien und Deutschland machen | |
so gut wie immer die Titel unter sich aus. Dieses Länderquartett hat 101 | |
Titel gewonnen. Mithalten können nur die Niederlande und Portugal mit | |
zusammen 18 Titeln. Der Rest von Europa muss sich mit 22 Europapokalen | |
begnügen. | |
Im europäischen Fußball haben wir es also mit einer Klassengesellschaft zu | |
tun. Sechs Länder räumen ab, die restlichen 48 Mitgliedsverbände der Uefa, | |
des europäischen Fußballverbandes, haben eigentlich keine Chance – auch | |
deswegen, weil der Teufel immer auf den größten Haufen scheißt. Wer einmal | |
in der großen Verlosung der Champions-League-Hauptgewinne drin ist, der | |
scheffelt Kohle, mit Fernsehgeldern manchmal über 50 Millionen Euro pro | |
Spielzeit. | |
Europas Fußball hat sich kapitalisiert, und zwar kräftig. Ein fairer | |
Wettbewerb - auch in den nationalen Ligen – ist wegen der extrem | |
gepamperten Topklubs aus der Liga der Champions nicht mehr möglich. Auf | |
europäischer Ebene dürfen sich die Fans immerhin damit trösten, dass sie | |
den unterhaltsamsten Fußball des Kontinents geboten bekommen. MARKUS VÖLKER | |
24 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
Markus Völker | |
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