# taz.de -- Pro & Contra Bezirkswahlreform: Zurück zum alten Wahlrecht? | |
> Viele mögliche Kreuzchen, Zusammenlegung mit dem EU-Wahltermin: War die | |
> Reform der Bezirkswahl richtig? Oder früher doch alles besser? | |
Bild: Vielleicht auch nicht ganz so überzeugt von den neuen Bezirkswahlen: Bü… | |
## Die Bezirkswahl war ein Erfolg | |
Die Bezirkswahl war ein Erfolg. Neue Mehrheiten in allen Bezirken – das ist | |
doch ein urdemokratisches Geschehen! | |
Jetzt kann man prima meckern, die Hamburger hätten das Wahlrecht nicht | |
verstanden. Das zeige die niedrige Beteiligung ebenso wie die Tatsache, | |
dass von Kumulieren und Panaschieren kaum Gebrauch gemacht worden sei. | |
Klar: Es ist schließlich das erste Mal. Die Wähler müssen üben, bis sie die | |
Möglichkeiten ausreizen. Und wenn sie das gar nicht wollen? Dann ist nichts | |
verloren, wenn sie weiterhin einfach ihre Lieblingspartei ankreuzen. Das | |
ist ja das Schöne dran: Alles darf, nichts muss. | |
Dass die Hamburger nachhaltig zu blöde seien, das Wahlrecht zu verstehen, | |
ist eine böse Unterstellung – und ein echtes Problem, denn die | |
Bürgerschaftswahlen laufen nach demselben Prinzip ab. Durchsichtig, dass | |
die SPD den Termin ungünstig findet, weil die EU-Wahl die Kommunalwahl | |
überlagert habe: Früher tat die Bürgerschaftswahl dasselbe. Damals hatten | |
viele Bürger Schwierigkeiten, den Unterschied zwischen beiden Abstimmungen | |
zu verstehen, und machten stumpf alle Kreuze beider SPD. | |
Über die niedrige Wahlbeteiligung sollte man keine Krokodilstränen | |
vergießen: Die war immer eine geborgte, nur kamen zur Bürgerschaftswahl | |
mehr Leute. Wer mehr will als Zahlen aufhübschen, muss den Bezirken mehr | |
Kompetenzen geben – und die Eingriffsrechte des Senats beschneiden. Dann | |
werden sich mehr Kandidaten finden, die lokal mitmischen wollen, und Wege, | |
sich persönlich bekannt zu machen. Parteien, denen beides nicht gelingt, | |
können zur politischen Willensbildung vor Ort auch wenig beitragen. JAN | |
KAHLCKE | |
## *** | |
## Das Modell hat sich nicht bewährt | |
Ein demokratischer Fortschritt war diese Bezirksversammlungswahl nicht. Das | |
Modell hat sich nicht bewährt, es muss wieder geändert werden. Dafür gibt | |
es vier Gründe. | |
Erstens überzeugt die Zusammenlegung mit der Europawahl nicht: Deren große | |
Themen überlagern die kleinen kommunalen, wie die AfD zeigt – sie wurde | |
gewählt, ohne eine einzige Silbe zu bezirklichen Fragen von sich gegeben zu | |
haben. | |
Zweitens schadet die Kombination der Wahlbeteiligung: Rund zwölf | |
Prozentpunkte weniger WählerInnen als bei der Bezirkswahl 2011 – das ist | |
kein Fortschritt. | |
Drittens sind die komplizierten Stimmzettel fast schon eine arglistige | |
Täuschung. Bei den Wahlkreislisten boten selbst Grüne, Linke und FDP nur | |
drei KandidatInnen – mitunter sogar nur eineN – für die fünf Kreuzchen an. | |
Dieses Verfahren spiegelt Vielfalt und Auswahl vor, schafft sie aber nicht. | |
Fünf Stimmen auf den Bezirkslisten nach Belieben verteilt ist die bessere | |
Alternative. | |
Viertens wäre eine Koppelung an die Bürgerschaftswahl inhaltlich | |
sinnvoller: Dann wird eben über Schulen und Straßen in Hamburg gestritten – | |
und entschieden. | |
Die Debatte über die Wahlrechtsänderung muss geführt werden, auch und | |
gerade gegen den Willen des Vereins „Mehr Demokratie“. Hinter dessen | |
Behauptung, die Bezirke stärken zu wollen, steht die Absicht, Hamburg zu | |
zerschlagen und am Ende mit sieben Kommunen in einem Bundesland namens | |
Hamburg dazustehen. Darüber kann man diskutieren, aber bitte offen und | |
transparent. | |
Her mit dieser Debatte über Hamburgs Zukunft. Und weg mit diesem | |
Bezirkswahlrecht. Es war ein Rückschritt. SVEN-MICHAEL VEIT | |
27 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Jan Kahlcke | |
Sven-Michael Veit | |
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