Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 226.-227. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: „Ignace, wir müssen …
> Wie der Präsident und der Vizepräsident der FDLR sich am Telefon streiten
> und entfremden, wenige Monate vor ihrer Verhaftung.
Bild: FDLR-Führer unter sich.
BERLIN/STUTTGART taz | Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni sitzen seit
drei Jahren gemeinsam in Stuttgart auf der Anklagebank, aber die besten
Freunde sind sie offensichtlich nicht. Das wird nicht nur aus ihren
unterschiedlichen Strategien im Kriegsverbrecherprozess gegen sie in ihrer
Funktion als Präsident und 1. Vizepräsident der ruandischen Hutu-Miliz FDLR
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) deutlich. Auch in den Monaten
vor ihrer Verhaftung im November 2009, als sie schon wussten, dass gegen
sie ermittelt wird, läuft zwischen den beiden nicht mehr viel.
Das zeigt sich in einem langen Telefongespräch zwischen den beiden, das am
30. April - kurz vor dem dritten Jahrestag des Prozessbeginns in Stutttgart
- in die Verhandlung eingeführt wird. Musoni ruft gegen 18 Uhr am 10.
August 2009 Murwanashyaka an, und sie reden 1 Stunde und 20 Minuten
miteinander. Dabei schreien sie sich auch an - vor allem Murwanashyaka
schreit - und streiten sich heftig.
Musoni fühlt sich vernachlässigt und hat wenig Zeit. „Ich verpasse einiges,
kann nur weniges verfolgen“, sagt er. Er befindet sich in der Trennung von
seiner Frau, wie aus anderen Gesprächen bekannt ist. Er muss umziehen, sich
um die Kinder kümmern. Er muss nach einer Umschulung Prüfungen machen. Er
hat zuhause kein Internet. „Wir müssen uns einen Tag zusammensetzen“,
schlägt er seinem Präsidenten vor.
Der will aber nicht. „Manchmal muss Ute zur Ausbildung, ich muss das
Wochenende mit den Kindern verbringen“, sagt er. „Probleme mit Kinder habe
ich auch.“ Dann wird er grundsätzlich: „Wir kämpfen zur Zeit mit der ganz…
Welt, das musst du wissen. Das kann kein Anwalt lösen. Aber er kann Zeit
gewinnen. Du sollst beten und die Probleme Gott mitteile. Gott kann alles
lösen und mehr lösen als Anwälte, die du suchst. Vergiss nicht, dass Gott
uns helfen wird... Andere wären längst verhaftet worden. So wie es jetzt
läuft, Gott beschützt uns.“
## „Welche Infos gibst du ihnen?“
Murwanashyaka weiß aber, dass sich die Schlinge um den Hals der FDLR
zuzieht: die UNO, die EU, Deutschland, die Menschenrechtorganisationen
sammeln Informationen über die Miliz. Er findet, die FDLR sollte darauf
stärker reagieren. „Welche Infos gibst du ihnen (den deutschen Stellen),
damit sie keine Sanktionen verhängen?“ fragt er Musoni.
Musoni sagt, er habe „nicht viele Briefe“ geschrieben. „Communiqués sind
keine offiziellen Dokumente, mit denen du Verantwortliche eines Staates
überzeugen kannst.“
„Du magst sie nicht als wichtig betrachten, aber andere tun das“, antwortet
Murwanashyaka. „Jedes Dokument, das von Verantwortlichen unterzeichnet
wird, ist wichtig.“
Musoni findet das nicht. Einfach Erklärungen ins Internet zu stellen,
reicht nicht, sagt er sinngemäß.
„Du hast keine Zeit, sie zu lesen“, sagt Murwanashyaka dazu. „Nur weil du
wenig Zeit hast, liest du sie nicht!“ Er redet sich in Rage. „Du sollst
Communiqués gut lesen! Du kannst nicht sagen, dass wir nichts getan haben!“
„Hast du jemals eine Antwort bekommen?“ fragt Musoni.
„Sie antworten nicht“, antwortet Murwanashyaka. „Dennoch kannst du nicht
sagen, sie wissen es nicht.“
Die in Ruanda regierende ehemalige Tutsi-Guerilla RPF (Ruandische
Patriotische Front) sei schließlich auch nicht an die Macht gekommen, weil
sie Communiqués geschrieben haben, wendet Musoni ein.
## „Obama ist nicht durch Waffen an die Macht gekommen. Aber wir“
„Les, was Obama gesagt hat“, ist Murwanashyakas Antwort darauf. „Um an die
Macht zu kommen, muss man kämpfen. Er ist nicht durch Waffen an die Macht
gekommen. Aber wir.“ Sie schreien durcheinander. „Setz dich hin, schreib
den Brief“, herrscht der Präsident seinen Vize an.
Der Vize versucht zu sagen, dass die FDLR ihre Schreiben gezielt an
einzelne Adressaten richten sollte, nicht generall an die ganze Welt.
Murwanashyaka findet aber nicht, dass das etwas ändern würde, und wenn,
sollte Musoni es halt machen. „Ja, hab ich nicht gemacht“, gesteht Musoni.
Murwanashyaka findet, die FDLR solle einfach systematisch jeden einzelnen
Vorwurf dementieren, der gegen sie erhoben wird. „Ich als Organisation“,
sagt er - eine Übersetzung, die Murwanashyakas Anwältin in Stuttgart
vergeblich beanstandet - „wenn sie uns was vorwerfen, telefoniere ich mit
Levite und Omega hin und her, frage wie die Lage vor Ort ist, sie erzählen
ihre Version, wir veröffentlichen ein Communiqué, für mich ist es damit
abgeschlossen.“
Musoni ist skeptisch: „Das ist deine Lösung in deinem Kopf“, meint er.
„Hast darüber mit einer Person geredet, die sich juristisch auskennt?“
„Beschäftige dich nicht damit“, herrscht Murwanashyaka ihn an.
## „Nein!“
„Ignace, darüber müssen wir reden!“ sagt Musoni. „Du kannst einen Anwalt
sehen, bevor wir uns treffen“, schimpft Murwanashyaka. „Geh und sag dem
Anwalt, dass wir Vorwürfe dementieren. Frag ihn, ob das ausreicht.“
„Du sollst mitkommen“, sagt Musoni dazu. „Nein!“ schreit Murwanahyaka. …
beschäftige mich nicht mit dem Zeug! Wenn es dir nicht ausreicht, dann geh
doch!“
„Nein, es reicht nicht“, hält Musoni dagegen - er lässt sich nicht
niederschreien und wird auch im Vergleich nicht wirklich laut. Aber er
beginnt, zu betteln. „Ignace, warum willst du nicht, dass wir uns treffen,
um darüber zu reden? Das verstehe ich nicht.“ „Du hast keine Zeit“, sagt
Murwanashyaka. „Ich habe auch keine Zeit“, bestätigt Musoni.
Der kabarettreife Dialog endet schließlich damit, dass sie doch noch
zusammenfinden. Was bei dem Treffen herauskam, wird an diesem
Verhandlungstag nicht mitgeteilt.
Mitarbeit: Simone Schlindwein
27 Jun 2014
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
FDLR
Kriegsverbrecherprozess
Ignace Murwanashyaka
Straton Musoni
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
FDLR
FDLR
FDLR
FDLR
FDLR
FDLR
FDLR
FDLR
## ARTIKEL ZUM THEMA
234.-252. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Der Bundesrichter erinnert sich
Vor der Sommerpause 2014 werden frühere Zeugenaussagen überprüft. Und der
Richter, der die Angeklagten 2009 als Erster vernahm, sagt aus.
230-233 Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: 500 Stockschläge Strafe
Die Zweitvernehmung eines Ex-Majors ergibt nur am Rande neue Erkenntnisse.
Zum Beispiel über das Ausmaß körperlicher Bestrafung.
229. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Die Staatsanwältin
Kongolesische Opfer der FDLR wurden vor diesem Prozess von Deutschen
vernommen. Die zuständige Staatsanwältin beschreibt die Umstände.
224.-225. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Musoni gibt Geschichtsunterricht
Der 1. Vizepräsident der FDLR erläutert vor Gericht die Entstehung und
Struktur seiner Miliz – und die lähmenden Machtkämpfe der frühen Jahre.
220-223 Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: „Alle Häuser waren angezündet“
Ein ehemaliger hochrangiger Milizenkommandant schildert, wie die FDLR das
kongolesische Dorf Mianga dem Erdboden gleichmachte.
210-219 Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Der Sekretär weiß alles
Ein zentraler Ex-Mitarbeiter des militärischen FDLR-Hauptquartiers packt
aus: von der Vorgeschichte bis zur Verhaftung des Präsidenten.
204.-209. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Funksprüche und Bodenschätze
Ein FDLR-Funker aus Ostkongo erzählt, wie er von seiner Führung eine
Ankündigung des Angriffs auf das Dorf Busurungi erhielt – und einiges mehr.
201.-203. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Der „kleine Weiße“
Ein ehemaliges Mitglied des FDLR-Generalstabs erklärt, wie der in Stuttgart
angeklagte FDLR-Präsident instrumentalisiert wurde.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.