# taz.de -- Zum Tode von Bobby Womack: Gospel und sein Gegenteil | |
> Seine Stimme klang noch in der heftigsten Zerknirschung einschmeichelnd. | |
> Die Welt hat mit Womack einen der größten Soulsänger verloren. | |
Bild: Nach Abstürzen hat er sich immer wieder berappelt: Bobby Womack. | |
Mächtige Schranken fielen in den USA der sechziger Jahre. Zuerst | |
diejenigen, die die Demarkationslinie zwischen Schwarz und Weiß bildeten. | |
Einen großen Anteil daran trug zweifelsohne der Sound des Rhythm & Blues, | |
seine universell verständlichen Botschaften, seine mitreißende, | |
Schlagzeug-getriebene Musik. So konnte Pop in den Sechzigern eben nicht | |
mehr mit dem paternalistischen Label „Race Music“ verkauft werden. | |
Auch innerhalb der Black Community wurden Grenzen überwunden, etwa die | |
strikte Trennung zwischen Gospelmusik und Rhythm & Blues, zwischen dem von | |
Sünden gereinigten Lobpreisen des Herrn und der Devil’s Music, die sich mit | |
den stetigen Verlockungen des Weltlichen in der Songform auseinandersetzte. | |
„Ein Mensch kann nicht zwei Herren dienen. Aus der Kirche auszutreten, galt | |
als grobe Profanisierung des Glaubens“, so beschreibt der Autor Peter | |
Guralnick in seinem Buch „Sweet Soul Music“ das ungeschriebene Gesetz, das | |
noch bis Ende der fünfziger Jahre galt. | |
Aufgebrochen hat dies erst der Gospelsänger Sam Cooke, der zwischen 1957 | |
und 1964 eine kometenhafte Karriere als Popstar machte, ohne dass er | |
deswegen von seinen Gospeleinflüssen abrückte. Und Cooke hatte mit Bobby | |
Womack einen Ziehsohn, der es ihm nachmachen wollte. | |
Zunächst galt es für Womack, den steinigen Weg über Studioarbeit und | |
Songwriting zu gehen. Wie Cooke in Chicago sang auch der 1944 in Cleveland | |
geborene Womack mit seinen Brüdern in einem Gospelquartett, bevor ihn Cooke | |
als Gitarrist für seine Band rekrutierte. Nach Cookes gewaltsamen Tod 1964, | |
arbeitete Bobby Womack in den großen Studios und schrieb unter anderem für | |
Aretha Franklin und Wilson Pickett Songs. Ein gründlicher, ein | |
herausragender Komponist. | |
## Wie sehr versöhnlicher Sex | |
Seine Solokarriere verlief holpriger. Erst 1971 veröffentliche Womack sein | |
Debütalbum „Communications“ – aber was für eins. Es hat Soul, aber es | |
kommen darin auch Country & Western-Anteile zum Vorschein und eine | |
gediegene Burt-Bacharach-Coverversion. Genug Material, um auf mehreren | |
Hochzeiten zu tanzen. Was vor allem Womacks Stimme geschuldet ist: Sie | |
klingt auch noch in der heftigsten Zerknirschung einschmeichelnd. | |
Deutlich das Gospel-Motiv in dem Song [1][„Yield not to temptation“] und | |
wie er freilich das Gegenteil zum Ausdruck bringt: Speziell bei seinen | |
Balladen klingt Womack unverwechselbar, schiebt sich in super Slow-Motion, | |
tiefenentspannt, wie sehr versöhnlicher Sex. Als Sänger konnte er sich auf | |
unvergleichliche Weise zurücknehmen, seine Stimme hatte trotzdem | |
überragende Präsenz, weil ihr Vibrato fast natürlich zum Ausdruck kam. | |
Als Musiker ein ausgebuffter Profi, in seinem Privatleben eher amateurhaft | |
zu Werke gehend – auch das war Bobby Womack, der austeilte, aber auch | |
einsteckte. Der Sam Cookes Witwe wenige Wochen nach dessen Tod heirate und | |
dafür von seiner Familie verstoßen wurde. Dessen Lieblingsbruder Harry | |
ermordet wurde, wovon er sich nie wieder erholen sollte. Dessen Song | |
[2][„Woman’s gotta have it“] das Recht auf weibliche Lust formulierte, | |
dessen Ehen aber scheiterten. Dessen Kokainsucht ihn immer wieder abstürzen | |
ließ. Immer berappelte sich Womack wieder und veröffentlichte ein neues | |
Album, zuletzt 2012 [3][„The Bravest Man in the Universe“.] | |
Und dann komponierte er auch den Soundtrack für einen der schönsten | |
Blaxploitation-Filme, „Across 110th Street“ asu dem Jahr 1973. Sein | |
Regisseur Barry Shear ist heute vergessen, aber Womacks Titelsong wurde in | |
Quentin Tarrantinos Film „Pulp Fiction“ nochmals verewigt. Sein Interpret | |
Bobby Womack ist am Freitag gestorben, er wurde 70 Jahre alt. | |
29 Jun 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=3T51KDy_Cq4 | |
[2] http://www.youtube.com/watch?v=LxnAUobJD1Y | |
[3] http://www.youtube.com/watch?v=2x6pxeZfhOE | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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