# taz.de -- Milch und Holz statt Mikroplastik: Kosmetik löst das Problem nicht | |
> Zahnpasta und Duschgels sollen bald ohne Plastikpartikel auskommen. Auch | |
> Hersteller anderer Konsumgüter forschen an Alternativen. | |
Bild: Den Skulpturen der Bildhauerin Christel Lechner ist es egal, womit sie du… | |
KÖLN taz | Die schwarze Liste des Umweltverbands BUND verbreitete sich | |
rasant. Unmittelbar nachdem die taz im Februar die Aufstellung von | |
Kosmetikprodukten mit umweltbelastenden Plastikpartikeln auf Facebook | |
verlinkt hatte, riefen 40.000 User sie ab. | |
Mittlerweile haben mehr als 200.000 sie heruntergeladen. Und | |
BUND-Meeresschutzreferentin Nadja Ziebarth meldet einen ersten Erfolg. | |
„Colgate-Palmolive hat hat uns mitgeteilt, dass er keine Plastikpartikel | |
mehr in seiner Zahnpasta verwendet“, berichtete sie am Dienstag in Köln bei | |
der Tagung „Mikroplastik in der Umwelt“. | |
Schätzungsweise 500 Tonnen Mikroplastikpartikel werden in der kosmetischen | |
Industrie in Deutschland im Jahr eingesetzt, sagte Roland Essel vom | |
Forschungsinstitut Nova, das zu der Tagung eingeladen hatte. Zum Einsatz | |
kommen die weniger als fünf Millimeter kleinen Teilchen unter anderem in | |
Zahnpasta, Duschgels und Make up. | |
## Kritik nützt | |
Die Hersteller reagieren auf die Kritik von Umweltschützern und vor allem | |
Verbrauchern. „Wir arbeiten an Alternativen“, sagte Michael Meyberg vom | |
Industrieverband Körperpflege und Waschmittel. Aber das klappe nicht von | |
heute auf morgen: „Ich gehe davon aus, dass sich der Einsatz in drei Jahren | |
drastisch reduziert hat.“ | |
Auch wenn die deutsche Kosmetikbranche freiwillig auf den Einsatz von | |
Plastik verzichten sollte, ist das Problem nicht gelöst. Jährlich werden | |
weltweit 288 Millionen Tonnen Plastik hergestellt für Verpackungen, aber | |
auch für Autoteile, synthetische Textilfasern, Baumaterialien und andere | |
Produkte. | |
Wissenschaftler gehen davon aus, dass 10 Prozent davon in die Meere | |
gelangen. Schifffahrt, Fischer und Industrie verschmutzen die Ozeane, aber | |
auch Privatleute mit jeder Waschmaschinenladung mit Textilien aus | |
synthetischen Fasern wie Fleecejacken. | |
13.000 Plastikmüllpartikel schwimmen pro Quadratkilometer auf der | |
Wasseroberfläche – und dort finden sich nur 15 Prozent der Gesamtmenge, | |
weitere 15 Prozent werden an die Küsten gespült, 70 Prozent sinken auf den | |
Meeresboden. Nahezu alle Meeresschildkröten haben Plastik im Körper, mehr | |
als 40 Prozent der Wale und Delfine und mehr als ein Drittel der Seevögel. | |
Menschen nehmen die Partikel auf, wenn sie Meeresbewohner verzehren. | |
## Fiese Darmverletzungen und Verweiblichung | |
Über die gesundheitlichen Folgen wissen die Wissenschaftler noch sehr | |
wenig. Plastik kann bei Tieren Verletzungen und Probleme im Verdauungstrakt | |
verursachen. Auch transportieren die Partikel giftige Chemikalien, | |
Weichmacher haben Auswirkungen auf das Hormonsystem. | |
„Es gibt dringenden Handlungsbedarf“, sagte Stefanie Werner vom | |
Umweltbundesamt. Eine Plastikflasche benötigt 450 Jahre, um sich zu | |
zersetzen. Ein Nylonnetz, das zum Fischfang benutzt wird, 600 Jahre. | |
Jährlich geraten unkontrolliert 25.000 Netze, in denen unzählige Tiere | |
qualvoll verenden, in die Meere. | |
Müllvermeidung und Recycling allein lösen das Plastikproblem nicht. | |
Alternativen gibt es durchaus, etwa natürliche Stoffe wie Wachse, | |
Aprikosenkerne, Walnussschalen oder Holzmehl. Auch Biokunststoffe sind eine | |
Option. Start-ups haben aus Holz, Milch, Zucker oder anderen nachwachsenden | |
Rohstoffen vielversprechende Polymere entwickelt. „Technisch sind wir in | |
der Lage, 90 Prozent der petrochemischen Polymere zu ersetzen“, sagte | |
Michael Carus, Geschäftsführer des Nova-Instituts. Doch nicht jeder | |
Biokunststoff ist wirklich geeignet. Erst muss erforscht werden, ob und | |
unter welchen Bedingungen er restlos biologisch abgebaut wird – damit ein | |
Problem nicht durch ein anderes ersetzt wird. | |
3 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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