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# taz.de -- Honorare für Pille danach: Rezeptpflicht macht Ärzte reicher
> Bei einer Bundestagsanhörung zur Freigabe von Notfall-Verhütungsmitteln
> liefern sich Frauenärzte einen Schlagabtausch.
Bild: Befreiung von der Verschreibungspflicht könnte vieles einfacher machen.
BERLIN taz | Im Streit um die Rezeptpflicht für die Pille danach hat das
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, also die deutsche
Zulassungsbehörde, unlängst eine interessante Zahl recherchiert: 400.000
Verordnungen, so das BfArM, würden pro Jahr in Deutschland mit der Diagnose
„Notfallkontrazeption" ausgeführt.
Welches Geschäft sich für die rund 20.000 Frauenärzte hierzulande in Praxen
und Kliniken hinter dieser Zahl verbirgt, das verriet Christian Albring,
Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte, den Mitgliedern des
Gesundheitsausschusses am Mittwochnachmittag bei einer öffentlichen
Anhörung zur Pille danach: 7,19 Euro, so Albring in seiner Stellungnahme,
erhielten Ärzte von den gesetzlichen Krankenkassen für die Beratung einer
Frau, die ein Rezept für die Pille danach braucht.
Und 11,45 Euro könnten sie abrechnen, wenn sie der Frau eine „kombinierte
Beratung mit Untersuchung“ anböten. Bei 400.000 Verordnungen im Jahr kommen
da Summen von 2,9 beziehungsweise 4,6 Millionen Euro zusammen. Der
Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen indes geht davon aus, dass
die Honorare der Frauenärzte noch sehr viel höher liegen.
„Je nach Patientin und in Abhängigkeit der regionalen
Honorarverteilungsmaßnahmen werden die Frauenärzte circa 25 bis 29 Euro im
Behandlungsfall abrechnen“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage der taz mit.
Das würde bedeuten, dass die Verordnung der Pille danach den Ärzten
Einnahmen von bis zu 11,6 Millionen Euro bringt.
## „Kompetente Beratung“
Die wahren Gründe freilich, weswegen der Berufsverband der Frauenärzte und
auch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe den
Bundestagsabgeordneten „dringend empfehlen“, die umstrittene Rezeptpflicht
aufrechtzuerhalten, orientieren sich nach Angaben Albrings ausschließlich
am Wohl der Frauen: Nur Ärzte könnten Frauen, die wegen einer
Verhütungspanne schnelle Hilfe brauchen, „kompetent beraten“, behauptete
Albring. Apothekern sei dies „auf Grund ihrer Weiterbildung“ nicht möglich,
sie seien „nur“ in der Lage, über Nebenwirkungen und Kontraindikationen zu
beraten.
Zugleich suggerierte Albring seinen Zuhörern, es bestehe ein direkter
Zusammenhang zwischen der Schwangerschaftsabbruchrate in einigen Ländern
und der Freigabe der Pille danach. In Schweden und den USA etwa, wo die
Pille danach rezeptfrei erhältlich sei, sei die Schwangerschaftsabbruchrate
viermal höher als in Deutschland, in Großbritannien sogar fünfmal höher.
Die Botschaft dahinter: Wenn wir die Pille danach in Deutschland von der
Verordnungspflicht befreien, dann drohen uns wieder mehr Abtreibungen.
Diese These veranlasste die ebenfalls geladene Expertin Julia Bartley,
Leiterin der Abteilung für gynäkologische Endokrinologie an der Berliner
Charité und spezialisiert auf Sexualmedizin, zu der Rüge, es sei
wissenschaftlich „nicht seriös“, einen solchen „monokausalen Nachweis
herstellen“ zu wollen. Der Wirkstoff Levonorgestrel sei ein seit 30 Jahren
erprobtes, sicheres Mittel, den Eisprung zu verzögern und damit eine
Schwangerschaft erst gar nicht entstehen zu lassen.
In 80 Ländern weltweit sei die Pille danach frei verfügbar. Für die
Wirksamkeit sei allerdings die „schnelle Einnahme“ wichtig, sagte Bartley
mit Verweis auf die entsprechende Empfehlung der
Weltgesundheitsorganisation – was für eine Entlassung aus der Rezeptpflicht
spreche, da Arztpraxen am Wochenende und abends, anders als Apotheken,
gewöhnlich geschlossen seien.
## SPD im Koalitionsdilemma
Seit der zuständige Sachverständigenausschuss im Auftrag des
Bundesgesundheitsministeriums Anfang des Jahres erneut empfohlen hat, die
Pille danach aufgrund der quasi nicht-existenten Nebenwirkungen von der
Verschreibungspflicht zu entbinden, ist im Bundestag ein Glaubenskrieg
entbrannt. Linke, Grüne und SPD möchten die Rezeptpflicht abschaffen und
hätten dazu eine parlamentarische Mehrheit; die Sozialdemokraten allerdings
stecken in einem koalitionären Dilemma: Die Union weigert sich strikt, das
Notfallverhütungsmittel ohne Rezept am Apothekentisch verkaufen zu lassen.
Im Koalitionsvertrag findet sich kein Wort zum Umgang mit der Pille danach.
Dazu kommt: Befreiungen von der Verschreibungspflicht erfolgen generell per
Verordnung des Bundesgesundheitsministers – und mit Zustimmung des
Bundesrats, also der Länderkammer. Der Bundestag hat dabei nichts
mitzureden. Derzeit nun ist es so, dass eine ganze Reihe von Medikamenten
aus der Verschreibungspflicht entlassen werden sollen – per Gesamtpaket.
Die SPD-dominierte Länderkammer hatte schon 2013 beschlossen, diesem an
sich unstrittigen Paket nur unter der Bedingung zuzustimmen, dass der
Katalog der künftig rezeptfreien Mittel um die „Pille danach“ erweitert
wird. Bleibt sie bei dieser Haltung, dann werden künftig viele Medikamente,
die auch die SPD gern rezeptfrei hätte, weiterhin nur von Ärzten
verschrieben werden können.
Unklar ist, ob dies wiederum zu Klagen von Pharma-Herstellern führen
könnte, die nach dem Arzneimittelgesetz unter bestimmten Bedingungen einen
Anspruch darauf haben könnten, dass ihre Präparate aus der
Verschreibungspflicht entlassen werden.
3 Jul 2014
## AUTOREN
Heike Haarhoff
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Schwerpunkt Abtreibung
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