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# taz.de -- Brasilien vor dem „kleinen“ Finale: Die letzte Tränenshow
> Nach Brasiliens Desaster geht es im Spiel um Platz drei gegen Holland.
> Die Seleção kämpft um Wiedergutmachung und gegen die Verstaatlichung.
Bild: Wollen sich mit einem Lächeln verabschieden: Brasiliens David Luiz und T…
Es ist dafür prädestiniert, ein Grottenkick zu werden, den eigentlich
niemand sehen will. Der holländische Trainer Louis van Gaal will das Spiel
um den dritten Platz am liebsten abschaffen. Für die Brasilianer hingegen
stellt sich die Frage, ob ihre erste Auswahl wirklich so schlecht ist, wie
sie gerade noch aussah. Und ob es sich lohnt, ein paar der Spieler zu
reimportieren.
Natürlich, Supergaupotenzial hätte es erst gehabt, hätte die Seleção am
Samstag in die Verlegenheit kommen können, nach dem desaströsen Spiel gegen
Deutschland auch noch gegen Erzrivale Argentinien zu verlieren. Der Gegner
Holland birgt immerhin nicht mehr die Gefahr eines Katastrophenszenarios.
Doch die Debatten in Brasilien machen deutlich: Es gibt einiges wieder
gutzumachen. Sonst wird der Fußball verstaatlicht.
Denn in Brasilien wird wild debattiert, wie es nicht nur mit der
Nationalmannschaft, sondern, selbstredend, mit dem Fußball generell
weitergehen kann. „Ich bin kein Freund davon, dass die Regierung die
Präsidenten des Fußballverbands oder der Fußballvereine wählt. Aber wir
müssen überlegen, ob der Regierung nicht eine größere Beteiligung zusteht�…
sagte Sportminister Aldo Rebelo, als feststand, dass Brasilien bestenfalls
noch Dritter werden kann. Die Niederlage habe gezeigt, dass es einer
Kraftanstrengung bedürfe, um das Management brasilianischer Clubs neu zu
strukturieren, sagte Rebelo.
Staatspräsidentin Dilma Rousseff, wie Rebelo von der linken Arbeiterpartei
PT, stimmte ein: „Brasilien kann nicht weiter Fußballspieler exportieren.
Der Export von Fußballspielern bedeutet, dass wir unsere Hauptattraktion
abgeben.“
## Schluss mit dem Spielerexport
Tatsächlich gehört es bei vielen BrasilianerInnen zum Populärgeschimpfe,
dass die besten brasilianischen Spieler auswandern. Und es stimmt, dass es
auch vielen Profimannschaften in Brasilien nicht gut geht. Die
Infrastruktur vieler Vereine lässt im vermeintlichen Land des Fußballs
deutlich zu wünschen übrig – und im internationalen Vergleich spielt die
brasilianische Liga kaum eine Rolle. Lediglich vier Spieler des 23-köpfigen
WM-Kaders spielen überhaupt in Brasilien, darunter die Ersatztorhüter.
Es dürfte allerdings kompliziert werden, diesen für die Clubs wichtigen
Export- und Devisenhandel zu verstaatlichen. Und so dürfte der
wirtschaftsnahe Oppositionskandidat Aécio Neves zumindest recht haben, wenn
er vermutet, dass Brasiliens Regierung aus der historischen Schlappe schon
wieder ein Wahlkampfthema macht – im Oktober stehen Präsidentschaftswahlen
an, und die aussichtsreiche Amtsinhaberin verstand es bislang gut, die WM
für sich zu nutzen.
Schlimmer als das Spiel gegen Holland ist aber selbstredend die Tatsache,
dass ausgerechnet Argentinien beim entscheidenden Spiel im Maracanã-Stadion
einlaufen darf. Die beiden Länder verbindet nicht nur fußballerisch eine
gepflegte Feindesliebe – und es wäre vielen Brasilianern sicher wohl
bekommen, im Spiel um Platz drei ein wenig der verlorenen Ehre
zurückerobern zu dürfen, indem ihre Mannschaft es den blau-weiß gestreift
gekleideten Rivalen verpasst – oder eine Schmach von noch unschönerer Unart
antut. Insofern ist das blasse Spiel gegen Holland tatsächlich eher so ein
Spiel für die Statistik, bei der es allerdings für Trainerstab und Spieler
noch um etwas geht.
## „Diese WM lächelnd beenden“
„Wir müssen das Spiel gegen die Niederlande angehen, als ob es ein Endspiel
wäre, und diese WM lächelnd beenden“, sagte etwa der verletzte Neymar. „W…
haben jetzt alles beweint, was es zu beweinen gab.“ Auch im Trainerstab
wird zuversichtlich getan, nachdem die Mannschaft am Donnerstag, zwei Tage
nach der beispiellosen Klatsche, wieder das Training aufgenommen hat. Alle
seien sich sicher, dass die Fans im Stadion ihre Mannschaft im Spiel um
Platz drei unterstützen werden – na ja.
Felipe Scolari muss ja auch gute Miene zum schlechten Spiel machen – und
das tat er in den vergangenen Tagen reichlich. Der Vertrag des bislang von
vielen verehrten Trainers endet nach der Weltmeisterschaft. Zahlreiche
Zeitungen attestierten ihm nach dem Spiel gegen Deutschland, als Einziger
ein völlig anderes Match gesehen zu haben.
Scolari hatte für die historische Packung zwar alle Schuld auf sich
genommen, wirkte in einer Pressekonferenz danach aber erstaunlich
unberührt. „Platz drei ist jetzt unser Traum“, sagt er inzwischen. Damit
dürfte er ziemlich allein dastehen. In Brasilien gibt es zwar viele Träume.
Aber niemand träumt vom dritten Platz. Echt nicht.
12 Jul 2014
## AUTOREN
Martin Kaul
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Fußball
Brasilien
Niederlande
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Luiz Felipe Scolari
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