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# taz.de -- Brasilien nach der Niederlage: Wie sollen wir unsere Kinder tröste…
> Der Gastgeber erreicht das Spiel um Platz drei. Eine Demütigung, die kaum
> zu verkraften ist. Die Brasilianer wittern eine Verschwörung.
Bild: Augen zu und durch: WM-Rekordtorschütze Klose (l.) und David Luiz.
Brasilien ist am Ende. „Schande, Katastrophe, es tut weh, Gott sei uns
gnädig. Wie sollen wir unsere Kinder trösten?“ Ein Blick ins Internet ist
wie die Suche nach Superlativen. „Es ist der Untergang der Titanic!“
Fassungslos. Die Brasilianer verstehen nicht, was passiert ist. Nur langsam
besinnen sie sich, aber der Schock wirkt nach.
Kaum jemand hat gut geschlafen in dieser Nacht. Es ist nicht der verpasste
Einzug ins Finale, alle wussten, dass diese Seleção nicht besonders gut
ist, alle wussten, dass trotz der enthusiastischen Stimmung bei dieser
Fußball-WM vieles nicht stimmte. Es war nicht so mitreißend, wie es hätte
sein müssen, zu viele Zweifel, zu viel Streit und Kritik, und das schon
seit langem. Gegen die netten und guten Deutschen im Halbfinale ausscheiden
– doof, aber okay.
Doch das Drama, das sich in Belo Horizonte abspielte, ist was anderes. Eine
Demütigung, so unerwartet wie nicht zu verkraften. Vor den Augen der ganzen
Welt, im eigenen Land, im Fußball. Wütend sind die Brasilianer, ohne
richtig zu wissen, worauf. Auf den Trainer, der einfach nur zugesehen hat,
auf die Spieler, die sich nicht gewehrt, die nicht gekämpft haben. Auf die
Kolumbianer, die ihren Neymar rausgekickt haben. Auf die Fifa. Auf die
Fans, die noch die eigene Mannschaft auspfeifen. Das Gefühl bleibt das
gleiche, peinlich, ärgerlich, traurig.
Brasilien liebt die sozialen Netzwerke, dort wird der Frust herausgelassen.
Verschwörungstheorien machen die Runde, natürlich war Geld im Spiel, der
argentinische Trainer Kolumbiens hat es eingefädelt. Einige versuchen es
mit Humor: „Mit 7:1 sind wir noch gut bedient. Endlich im Guiness-Buch! Wo
haben die Deutschen ihr Quartier? In Bahia, dort sind die
afrobrasilianischen Heiligen, die Spieler haben ein Axé-bad genommen.“
## Fiese Schmach
Recht fassungslos auch die WM-Kritiker. Einige hatten sich ein frühes
Ausscheiden gewünscht, damit diese WM doch nicht so harmonisch verläuft,
wie von oben verordnet. Doch diese Schmach, die ist fies. Politische
Auswirkungen werde das Debakel aber nicht haben, ist Orlando Junior vom
Comitê Popular da Copa überzeugt.
„Es ist falsch und naiv, dem Sport und bestimmten Ergebnissen politische
Bedeutung beizumessen.“ Bestimmt würden einige jetzt versuchen, mit diesem
Ergebnis Stimmung zu machen, für oder gegen irgendetwas. „Doch das
funktioniert nicht, die Menschen ticken anders und lassen sich davon nicht
beeinflussen“, sagt Orlando Junior. Wenig später twitterte bereits der
erste Oppositionspolitiker, dass die „kalte“ Regierung für die Niederlage
verantwortlich sei und die Rechnung präsentiert bekäme.
Wichtiger seien Botschaften wie die von David Luiz. „Er ist einer der
wenigen Nationalspieler, die nicht nur Verständnis für die Protestewelle
des vergangenen Jahres zeigten, sondern sie auch unterstützt haben,“ so
Orlando Junior. Direkt nach Spielende entschuldigte sich Luiz im Interview
am Spielfeldrand und sagte mit Tränen in den Augen: „Vor allem wollte ich
dem Volk Freude bereiten, den Leuten, die sowieso schon so viel Leid
haben.“
## „Schüttle den Staub ab“
Gewohnt beherrscht reagierte Präsidentin Dilma Rousseff: „Wie alle
Brasilianer bin ich sehr, sehr traurig. Aber wir werden uns nicht
unterkriegen lassen.“ Und zitierte einen populären Samba: „Steh auf,
schüttle den Staub ab und gewinne.“
Unmittelbar nach dem Abpfiff ließen einige ihren Frust auf den Straßen
heraus. In São Paulo gingen über 20 Busse in Flammen auf, mehrere Buslinien
stellten den Verkehr ein. Mehrere Geschäfte wurden geplündert. Auch in
Curitiba und Maceió wurden Busse angegriffen und Schaufenster
eingeschmissen. Nahe dem Fanfest in Rio, aber auch in anderen Städten kam
es zu Überfällen, die Polizei nahm zahlreiche Menschen fest.
„Imagina na Copa – Stell dir vor, das würde bei der WM passieren!“ Der
populäre Spruch, der seit Jahren bei allen Pannen während der Vorbereitung
zitiert wurde, ist auch in dieser Nacht auf Twitter beliebt. Der
brasilianische Humor und die genüssliche Selbstverarschung zeigt jetzt
schon, dass das Trauma von 1950 Geschichte ist. „Hätten wir doch nur im
Endspiel 1:2 gegen Uruguay verloren!“ unkt der Nächste. Die Analyse des
schlechtesten Spiels der Seleção aller Zeiten wird Experten und Psychologen
noch eine Weile beschäftigen. Die Schmach wird zwar nicht vergessen, aber
auch nicht tragisch sein.
9 Jul 2014
## AUTOREN
Andreas Behn
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Brasilien
Deutschland
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