# taz.de -- Europa, das periphere „Westkap Asiens": Ist jetzt überall Krieg? | |
> Wohin man auch blickt von unserer Insel des Wohlstands aus: In fast jeder | |
> Richtung begegnet einem ein Szenario aus Mord, Zerstörung und Gewalt. | |
Bild: Rebell in der syrischen Provinz Homs: Die Kriege um uns herum vernebeln d… | |
„Gibt es eigentlich noch einen sicheren Weg Richtung Osten oder ist überall | |
Krieg?“ Es klingt wie eine ganz beiläufige Frage, die der | |
Spiegel-Journalist Hasnain Kazim da unlängst auf seiner Facebook-Seite | |
stellte. Natürlich lässt sich noch in den Osten reisen! Vielleicht nicht | |
mehr ganz so entspannt wie 1968, als man mit dem VW-Bus gemütlich von | |
München nach Kabul tuckern konnte. Aber könnte man nicht das Schiff nehmen | |
und durch den Suezkanal vorbei am Horn von Afrika …? | |
Oh. Na gut, aber man könnte problemlos in ein Flugzeug steigen und dann | |
ostwärts über die … verdammt. Sehr schnell ist, wer über sichere Wege in | |
den Osten grübelt, bei der Transsibirischen Eisenbahn angelangt. Oder der | |
Seidenstraße, sofern man unter Abweichung von den historischen Routen durch | |
Armenien und den nördlichen Iran reisen und die Zustände in | |
zentralasiatischen Despotien für „sicher“ halten mag. | |
Je länger man über eine Antwort auf diese teuflische Frage nachdenkt, umso | |
mehr enthüllt sich um uns her ein Panoptikum des Grauens. Während Syrien in | |
seinem ganz eigenen Dreißigjährigen Krieg versinkt, errrichten zwischen | |
Euphrat und Tigris frömmelnde Psychopathen auf Pritschenwagen von Toyota | |
ein neues Reich des Schreckens, und in den Weizenfeldern der Ukraine | |
spielen betrunkene Gorillas mit anspruchvoller Militärtechnik herum: ein | |
Szenario aus Krieg und Gewalt, wie es von der hohen europäischen Warte seit | |
Generationen nicht mehr erblickt wurde. Und in dem Europa doch nur das | |
periphere „Westkap Asiens“ ist, als das es Arno Schmidt bezeichnete. | |
Aus dieser Perspektive erscheint Europa als zivilisierte Insel des | |
Wohlstands und der Verwöhnung in einem Meer der Barbarei. Eine Insel, deren | |
Bewohner sich die Zeit durch hysterische Selbstgespräche über sportliche | |
Wettbewerbe und die Anerkennung ihrer Fettleibigkeit als Schönheitsideal | |
vertreiben. So wie man sich auf dem Forum in Rom noch über den Sieg der | |
Roten beim Wagenrennen freute, über die gestiegenen Preise für ägyptisches | |
Getreide und über die Einwanderung all der „hungrigen Griechlein“ klagte, | |
als die Vandalen am Strand von Gibraltar bereits ihre Boote ins Wasser | |
schoben, um sich die römischen Kornkammern in Afrika mal aus der Nähe | |
anzuschauen. | |
## Wie sicher ist der Weg nach Westen? | |
## | |
Wobei dieser Vergleich nicht nur hinkt, sondern schon im Rollstuhl sitzt. | |
Der Blick nach Süden zeigt, dass auch unter libyscher oder ägyptischer | |
Sonne auf absehbare Zeit kein Club Méd mehr eröffnet werden wird – während | |
sich im Westen die alte imperiale Schutzmacht abwendet und Europa zur | |
eigenen Sicherheit belauscht. Noch beunruhigender wird Kazims ohnehin schon | |
beunruhigende Frage, wenn man sie einfach umdreht. Wie sicher ist der Weg | |
nach Westen? | |
Was ist die feine „Agentur“ zur Sicherung der europäischen Grenzen, wenn | |
nicht eine vorgeschobene paramilitärische Verteidigungslinie gegen das | |
Elend, das sich an den Rändern unseres Reichtums anlagert? Ein Europa | |
übrigens, das in seiner wirtschaftspolitischen Verfasstheit den kühnen | |
Träumen verdächtig weit entgegenkommt, die noch 1942 im | |
Reichssicherheitshauptamt geträumt wurden. Und in dessen Metropolen | |
neuerdings wieder Synagogen überfallen werden, während das ideologische | |
Exportgut „Demokratie“ außerhalb des Kontinents so sehr nachgefragt wird, | |
wie es in Brüssel gepflegt wird – nämlich kaum mehr. | |
Es ist natürlich nur so ein diffuses und daher dummes Gefühl, das an Jakob | |
van Hoddis’ berüchtigtes Gedicht vom „Weltende“ erinnert: „Dem Bürger | |
fliegt vom spitzen Kopf der Hut, / In allen Lüften hallt es wie Geschrei, / | |
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei / Und an den Küsten – liest man – | |
steigt die Flut.“ Imperiales Ausgreifen und paranoides Selbstmitleid | |
scheinen die beiden einzigen möglichen Seinsformen jeder Zivilisation zu | |
sein. Zwei Seiten einer Münze, die immer schon eine gute Fälschung gewesen | |
sein könnte. Sichere Wege, egal wohin, hat immer schon der Krieg angelegt. | |
24 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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