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# taz.de -- Konflikt in der Ukraine: Neue Vorwürfe aus Washington
> Laut USA soll Russland von eigenem Territorium aus ukrainische Stellungen
> beschossen haben. Derweil wurden am Absturzort von Flug MH17 weitere
> Leichen gefunden.
Bild: Noch Tage brannten die Trümmer der abgestürzten Malaysia-Airlines-Masch…
WASHINGTON/KIEW/DEN HAAG ap/dpa | Nach dem mutmaßlichen Flugzeugabschuss
über dem Osten der Ukraine erheben die USA neue Vorwürfe gegen Moskau: Vom
eigenen Territorium aus habe Russland Stellungen der ukrainischen Armee mit
Artillerie beschossen, erklärte Außenamtssprecherin Marie Harf am
Donnerstag. Sie berief sich auf Geheimdiensterkenntnisse, ging aber nicht
ins Detail. Zudem gebe es neue Beweise, dass Moskau die Rebellen in der
Ostukraine mit leistungsfähigeren Raketenwerfern als bisher versorgen
wolle, sagte Harf in Washington weiter.
Gleichzeitig steht die Ukraine unter Kritik von Seiten der
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Diese hat der Führung in
Kiew vorgeworfen, beim Einsatz von Raketen in einem von Rebellen
kontrollierten Gebiet 16 Zivilisten getötet zu haben. Zwischen dem 12. und
21. Juli hätten Regierungstruppen und regierungsnahe Milizen im Raum Donezk
mindestens viermal „Grad“-Raketen russischer Bauart eingesetzt, hieß es in
einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung.
Solche zielungenauen Raketen in dicht besiedelten Gebieten abzuschießen
verstoße gegen das Kriegsrecht und könnte als Kriegsverbrechen eingestuft
werden. Human Rights Watch rief alle Parteien in dem Konflikt auf, künftig
auf „Grad“-Raketen zu verzichten.
## Vize-Premier Groisman übernimmt Amtsgeschäfte
Zu den jüngsten Anschuldigungen, den anhaltenden Kämpfen in der Ostukraine
und massiven Problemen bei der Aufklärung des mutmaßlichen
Flugzeugabschusses kam auch noch eine schwere Regierungskrise in Kiew:
Ministerpräsident Arseni Jazenjuk kündigte seinen Rücktritt an, weil seine
Regierungskoalition zerbrochen war. Die Zeichen stehen nun auf Neuwahlen.
Die nationalistische Swoboda-Partei und die von Ex-Boxweltmeister Vitali
Klitschko geführte Udar-Bewegung hatten ihre Abgeordneten zurückgezogen.
Daraufhin sagte Jazenjuk am Donnerstag im Parlament: „Im Zusammenhang mit
dem Zusammenbruch der Koalition kündige ich meinen Rücktritt an.“ Das
Parlament könne unter den neuen Bedingungen nicht mehr arbeiten und die
nötigen Gesetze verabschieden.
Regierungschef Jazenjuk wies auf die verzweifelte Lage seines Landes hin.
In der Rada waren zuvor mehrere Wirtschaftsgesetze gescheitert – auch
eines, das die Beteiligung ausländischer Investoren am maroden
Gastransportsystem der Ukraine ermöglicht hätte. Damit sollte die
Abhängigkeit des Transitlandes von Russland verringert werden. Der
bisherige Vize-Ministerpräsident Wladimir Groisman soll die Regierung
übergangsweise führen.
## UN-Truppe soll Absturzort sichern
In der Ostukraine erhalten Ermittler auch eine Woche nach dem mutmaßlichen
Abschuss der malaysischen Passagiermaschine keinen ungehinderten Zugang zum
Absturzort. Deswegen soll nun nach einem Vorschlag der Niederlande und
Australiens eine UN-Truppe die Gegend sichern. 50 australische Polizisten
wurden am Donnerstag in Erwartung einer solchen Mission nach London
geschickt.
Der australische Premierminister Tony Abbott holte sich nach eigenen
Angaben in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin
dessen Unterstützung für das Vorhaben ein. Außenministerin Julie Bishop
flog mit ihrem niederländischen Kollegen Frans Timmermans nach Kiew, um
auch die ukrainische Regierung dafür zu gewinnen, dass eine internationale
Polizeitruppe die Absturzstelle sichert, wie Abbott sagte.
Bisher kontrollieren ausschließlich prorussische Rebellen die
Absturzstelle. Die Boeing 777 ist nach Darstellung der USA von einer
Boden-Luft-Rakete getroffen worden. Auch die malaysischen Ermittler am
Absturzort gehen nach OSZE-Angaben von einem Raketentreffer aus. Dafür
sprächen stark durchlöcherte Wrackteile, sagte Michael Bociurkiw von der
Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE) am Donnerstag dem ZDF. Alle 298 Menschen an Bord kamen ums
Leben.
Die Niederlande flogen weitere sterbliche Überreste der bei dem Absturz
umgekommenen Insassen aus. Die meisten Opfer des Absturzes sind
Niederländer. Aber auch Australier, Briten, Deutsche und andere
Staatsbürger saßen in dem Flugzeug. Am Mittwoch wurden die ersten
sterblichen Überreste von Opfern ausgeflogen, am Donnerstag folgten von
Charkow zwei weitere Flügen nach Eindhoven. Australische Medien berichteten
am Freitag, im Trümmerfeld seien ein neues großes Wrackteil sowie weitere
Leichen gefunden worden.
Als Reaktion auf die Tragödie um Flug MH17 wollen führende Köpfe der
internationalen Luftfahrtindustrie zu einem Strategietreffen
zusammenkommen. Bei der für nächsten Dienstag im kanadischen Montreal
geplanten Sitzung gehe es um Sicherheitsfragen, die die Katastrophe
aufgeworfen habe, sagte ein Vertreter der Internationalen
Zivilluftorganisation IACO, die die Tagung organisiert. Neben der
UN-Behörde nehmen Delegierte der für Fluglinien zuständigen Internationalen
Luftverkehrs-Vereinigung, der Flugsicherungsorganisation CANSO und des
internationalen Dachverbands der Flughafenbetreiber ACI teil.
Ein weiteres Spitzentreffen der Funktionäre soll es laut den Angaben vom
Donnerstag im kommenden Februar geben.
## EU weitet Sanktionen aus
Die Europäische Union (EU) erweiterte derweil ihre Liste von
Einreiseverboten und Kontensperrungen gegen Vertreter Russlands und der
Separatisten. Mit den neuen Strafmaßnahmen erhöht sich die Zahl der
betroffenen Personen in Russland und der Ostukraine auf 87, wie Diplomaten
sagten. Erstmals wurden auch 18 Organisationen und Unternehmen auf eine
schwarze Liste gesetzt. Sie dürfen in der EU keine Geschäfte mehr machen.
Über andere Verschärfungen der EU-Sanktionen soll später entschieden
werden. Dabei geht es vor allem um einen erschwerten Zugang Russlands zu
den Finanzmärkten, einen Lieferstopp für Hochtechnologiegüter für
Erdölförderung und um ein Verbot von Waffenlieferungen an Moskau.
25 Jul 2014
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