| # taz.de -- Kriegsstimmung in Israel: „Heuchelei der Linken“ | |
| > Das winzige Friedenslager Israels schrumpft. Die Debatte wird | |
| > aggressiver. Wer Mitgefühl für die Opfer in Gaza zeigt, muss mit | |
| > Drohungen rechnen. | |
| Bild: Überall laufen die Fernseher mit den Nachrichten vom Kriegsgeschehen: Ba… | |
| TEL AVIV taz | Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Gazastreifen | |
| erhitzen den innerisraelischen Diskurs: Ein Zeitungskolumnist braucht | |
| Personenschutz, einer Schauspielerin wird wegen ihrer politischen | |
| Anschauungen ein Auftrag gekündigt. In Haifa und Tel Aviv jagen | |
| rechtsnationale Schlägerbanden Friedensdemonstranten. | |
| Ruhiger geht es einzig im Zelt des „Elternzirkels“ zu, dem Forum von | |
| Müttern und Vätern, die ihre Kinder oder engste Angehörige bei | |
| Terroranschlägen verloren haben. Allabendlich bauen die „Eltern“ auf dem | |
| Platz vor der Cinematheque Tel Aviv ein Zelt auf und laden Passanten zum | |
| Gespräch. „Es wird erst enden, wenn wir reden“, ist das Motto der | |
| Friedensaktivisten, die ihre Kinder verloren haben und hier nur deshalb in | |
| den letzten zwei Wochen von den Rechtsaktivisten verschont worden sind. | |
| „Unsere privaten Tragödien geben uns den Anstoß, den Dialog zu suchen“, | |
| sagt Ayelet Harel von der Elterninitiative, die sich für einen Dialog | |
| zwischen den Eltern der Opfer und der Täter starkmacht. „Aufzugeben können | |
| wir uns nicht erlauben.“ Rund 20 Leute sitzen auf Plastikstühlen im Kreis | |
| vor dem Kino, Frauen und Männer, Junge und Alte, nicht alle sind einer | |
| Meinung. | |
| „Ich heiße Doron, komme aus Aschkelon und arbeite gleich hier um die Ecke“, | |
| stellt sich ein Mann mit schwarzer Kippa auf dem Kopf vor. Natürlich solle | |
| man reden, greift er das Motto der „Elternzirkels“ auf, aber dazu sei die | |
| Hamas nicht bereit. „Die Hamas will nur schießen“, sagt er. Ayelet Harel | |
| schaltet als Antwort das Video eines palästinensischen Aktivisten ein. Er | |
| erzählt auf Arabisch über den Prozess des Umdenkens, seine Stimme hallt | |
| über den Platz. | |
| ## Wer zum Frieden aufruft, gilt als Defätist | |
| „Ihr seid Schweine“, ruft es aus einem vorbeifahrenden Auto, und ein | |
| Passant schimpft auf die „Heuchelei der Linken“, die es sich gemütlich | |
| machten, während andere die Drecksarbeit erledigten. Solange die Islamisten | |
| in Gaza Raketen auf Israel abfeuern, und solange Zigtausende Soldaten ihren | |
| Kopf hinhalten, damit die Angriffe aufhören, gilt es als Defätismus und | |
| demoralisierend, dazu aufzurufen, die Kampfhandlungen einzustellen. | |
| So schrumpft das ohnehin winzige Friedenslager Israels weiter zusammen. In | |
| einer Umfrage der regierungsnahen Tageszeitung Israel Hajom befürworten 80 | |
| Prozent der Befragten die Bodenoffensive gegen Gaza, Araber und Juden | |
| zusammengerechnet. 71 Prozent treten sogar für eine Ausweitung der | |
| Militäroperationen ein. | |
| Immer aufgeregter und aggressiver wird die Debatte. In Haifa forderten | |
| Tausende rechtsnationale Demonstranten „Tod den Arabern“ und: „Schickt die | |
| Linken in die Gaskammern.“ Die jüdisch-arabische Partei Hadasch hatte am | |
| Wochenende zu einem gemeinsamen Friedensmarsch aufgerufen, der indes nie | |
| stattfand, weil die Pazifisten von der rechten Menge auseinandergetrieben | |
| und verjagt wurden. | |
| Von einem „Pogrom“ berichtet der 23-jährige Jurastudent aus Haifa, Nevo | |
| Scheffi, ein Aktivist der linken Partei Meretz. „Früher sind wir nur | |
| beschimpft worden, jetzt schlagen die Rechten zu.“ Gideon Levy von der | |
| liberalen Zeitung Ha’aretz, der mit Berichten aus den besetzten Gebieten | |
| dem Leser die andere Seite näherzubringen versucht, hat Todesdrohungen per | |
| Telefon und per Mail erhalten. In seinem letzten Text fragt er, „was die | |
| Hamas wirklich will“, und listet die „allesamt „zivilen Forderungen auf. | |
| Levy: „Wenn von Gaza aus keine Raketen auf Israel geschossen werden, | |
| kümmert sich hier niemand um sie.“ | |
| ## „Ich schäme mich für mein Volk“ | |
| Als „verrückte, linke Araberliebhaberin“ bezeichnete sich die populäre | |
| Schauspielerin Orna Banai in einem Interview selbst, und sie äußerte | |
| Mitleid mit den Opfern auf beiden Seiten. „Ich schäme mich für mein Volk“, | |
| sagte sie – und zog sich damit nicht nur Hunderte boshafte | |
| Facebook-Eintragungen zu, sondern verlor auch noch ihren Werbejob bei einem | |
| Kreuzfahrtunternehmen. Eine der Facebook-Eintragungen fordert Banai dazu | |
| auf, nach Gaza zu gehen. „Dort werden sie dich gern vergewaltigen und deine | |
| Töchter auch.“ | |
| Ähnliche Reaktionen bekam die Filmemacherin Schira Geffen zu hören, als sie | |
| zu einer Schweigeminute für die vier palästinensischen Kinder aufrief, die | |
| beim Fußballspielen am Strand unter Beschuss gerieten. Und Kulturministerin | |
| Limor Livnat (Likud) sprach von einer „Schande für den Staat Israel“ und | |
| meinte vier Regisseure, die sich gegen den Krieg in Gaza wandten. | |
| 24 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Knaul | |
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