# taz.de -- Plagiatsaffäre Annette Schavan: Eine bitterböse Abrechnung | |
> Die Uni Düsseldorf hat den Fall der ehemaligen Wissenschaftsministerin zu | |
> den Akten gelegt – mit einem Abschlussbericht, der sich gewaschen hat. | |
Bild: Hat ihren Doktorhut an den Nagel hängen müssen: Annette Schavan. | |
KÖLN taz | An die unerfreuliche Episode dürfte Annette Schavan nicht mehr | |
so gerne erinnert werden. In ihrer Abschiedsrede im Bundestag Ende Juni | |
erwähnte die christdemokratische Ex-Wissenschaftsministerin ihre | |
Plagiatsaffäre, die ihr im Februar vergangenen Jahres den Doktortitel | |
kostete, mit keinem Wort. Jetzt hat auch die Düsseldorfer Universität den | |
Fall zu den Akten gelegt – mit einem Abschlussbericht, der sich gewaschen | |
hat. ([1][Bericht als pdf]) | |
Verfasst hat das an den Uni-Senat adressierte und als „vertraulich“ | |
gekennzeichnete Papier der Dekan der Philosophischen Fakultät, Bruno | |
Bleckmann. Es liest sich wie eine bitterböse Abrechnung mit Schavan und | |
etlichen Granden des Wissenschaftsbetriebs, die ihr beim Kampf um den Titel | |
als willige Helfer zur Seite sprangen. | |
Auf 24 Seiten plus 49-seitigem Anhang dokumentiert Bleckmann die direkten | |
und indirekten Einflussnahmen, mit denen renommierte Professoren und | |
Wissenschaftsfunktionäre zugunsten Schavans intervenierten. Es habe eine | |
„partiell orchestrierte Kampagne gegen die Philosophische Fakultät“ | |
gegeben. Dadurch sei der Eindruck entstanden, „es gehe um einen Konflikt | |
innerhalb der Wissenschaft, obwohl das eigentlich nur in dem Sinne richtig | |
sein kann, in dem es einen Konflikt zwischen Astrologen und Astronomen, | |
zwischen Kreationisten und Vertretern der Evolutionstheorie gibt“. | |
Bleckmann lässt kein gutes Haar an der eigenen Zunft. „Aktive Präsidenten | |
von Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen waren – auch hier ohne | |
Kenntnis der Aktenlage und in flagranter Verletzung des Autonomieprinzips – | |
an vorderster Front“, schreibt der Düsseldorfer Althistoriker. Dazu zählt | |
er – neben vielen anderen – den damaligen Präsidenten der | |
Max-Planck-Gesellschaft, den Ex-DFG-Präsidenten Ernst-Ludwig Winnacker | |
sowie den Ex-Leiter des Cusanuswerks Ludger Honnefelder. | |
## „Wie vor der preußischen Promotionsreform“ | |
Nicht nur der Chef der Hochschulrektorenkonferenz Horst Hippler habe | |
gefordert, „die politischen Dimensionen zu würdigen und den | |
Gleichheitsgrundsatz zu verletzen“. Sarkastisch konstatiert Bleckmann, da | |
könne „man auch zur früheren Promotionskultur zurückkehren und Doktorgrade | |
wieder gegen Geldleistungen oder das Ausrichten eines Festmahls ausstellen, | |
wie vor der preußischen Promotionsreform vielfach üblich.“ | |
Die Verbitterung über die scharfen Angriffe, denen sich die Fakultät | |
ausgesetzt sah, sitzt bei Bleckmann tief. „Intensiv blühte das Genre der | |
ungefragten, aber emotional und mitunter auch in persönlich beleidigender | |
Form vorgebrachten Expertise“, konstatiert er. „Die zahlreichen verbalen | |
Entgleisungen sind vielleicht dereinst für die historische | |
Invektivenforschung von Interesse“. | |
Ein anschauliches Beispiel liefert die Mail, die der Augsburger Professor | |
Klaus Kienzler an seinen Düsseldorfer Kollegen Stefan Rohrbacher schrieb. | |
Rohrbacher, der im Auftrag der Philosophischen Fakultät die Dissertation | |
von Schavan untersucht hatte, sei im „Jagdfieber“, verbreite | |
„Verleumdungen“ und betreibe „Rufschädigungen“. Entweder sei er wohl �… | |
irgendeiner Seite beauftragt“ oder „professorale Ehrsucht“ sei sein Motiv. | |
Schavan selbst habe „in ständiger Verquickung ihrer persönlichen | |
Betroffenheit und ihrer Rolle als Wissenschaftsministerin mit immer wieder | |
neuen Äußerungen dazu beigetragen, falsche Vorstellungen über das, worüber | |
verhandelt worden ist, zu erwecken“, so Bleckmann. | |
Nachdem das Verwaltungsgericht im März dieses Jahres die Aberkennung ihres | |
Doktortitels bestätigte, habe sie sich als „schlechte Verliererin“ gezeigt: | |
„Die vollkommen eindeutige und unmissverständliche Bestätigung unseres | |
Standpunktes durch das Verwaltungsgericht hat bei der Ex-Ministerin zu | |
keinerlei Modifikation dieser Haltung geführt.“ | |
Die Niederungen des deutschen Politik- und Wissenschaftsbetriebs hat | |
Annette Schavan inzwischen gegen ein schönes Büro in der Via di Villa | |
Sacchetti in Rom getauscht. In diesem Monat trat die gläubige Katholikin | |
ihren neuen Job als Botschafterin der Bundesrepublik im Vatikan an. Die Uni | |
Düsseldorf verlieh vor ein paar Tagen ihren Professoren Bleckmann und | |
Rohrbacher die Universitätsmedaille. Als Auszeichnung für ihre | |
„beispielhafte akademische Zivilcourage“. | |
24 Jul 2014 | |
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[1] http://www.docdroid.net/f4h2/abschlussbericht-vertraulich.pdf.html | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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