| # taz.de -- Privater Datenhandel per App: Persönliche Infos zum Sonderpreis | |
| > Mithilfe einer App sollen Nutzer selbst entscheiden können, wem sie ihre | |
| > private Daten anbieten. Doch wer nichts verkauft, wird zur Kasse gebeten. | |
| Bild: Citizenme soll nicht nur eine Datenbörse sein. Die App analysiert auch, … | |
| BERLIN taz | Bisher schwirren sie überall unkontrolliert herum: unsere | |
| privaten Daten. Sie machen uns zu Zielscheiben personalisierten Marketings | |
| und pumpen unaufhörlich Geld in die Taschen der sozialen Netzwerke. Doch | |
| warum bestimmen wir nicht selbst, wem wir unsere Daten verkaufen? Der Erlös | |
| ginge dann an uns selbst und nicht an „Zwischenhändler“ wie facebook oder | |
| twitter. Ein Londoner Startup tüftelt nun an einer App namens | |
| [1][Citizenme] mit der Internetnutzer ihre privaten Daten bündeln, ihren | |
| Wert erfahren, und sie direkt an ein Unternehmen ihrer Wahl verkaufen | |
| können. | |
| Noch kann die App das allerdings nicht. Bisher analysiert Citizenme nur die | |
| Daten, die der Internetnutzer in den sozialen Netzwerken gespeichert hat. | |
| Das funktioniert ganz einfach: Zunächst verknüpft die App das Handy mit den | |
| den sozialen Netzwerken Facebook, LinkedIn und Twitter. Die Daten werden | |
| lokal auf dem Handy gespeichert, nicht auf dem Server von Citizenme. Dem | |
| Surfer wird dann angezeigt, welche Daten er öffentlich preisgibt. | |
| „Zuerst einmal müssen wir das Bewusstsein der Leute schärfen“, sagte | |
| Citizenme-Gründer StJohn Deakins dem Technikmagazin Wired. Die Nutzer | |
| sollen mithilfe der App einen besseren Überblick über Einstellungen zu | |
| Privatsphäre und Datenschutz erhalten. Ein besonders alarmierender Umgang | |
| mit Daten – wie Facebooks Zugriff auf Fotos – leuchtet rot auf. Wenn sich | |
| Nutzungsbedingungen ändern, schlägt Citizenme Alarm und fragt den | |
| Betroffenen, wie er diese Änderung findet. Diese Abstimmung ist allerdings | |
| rein symbolischer Natur. Das Feedback der Nutzer hat keinerlei Einfluss. | |
| In Zusammenarbeit mit der Cambridge University hat Deakins zudem eine Serie | |
| an Persönlichkeitstests entwickelt, in die man die Daten einspeisen kann. | |
| Die Testergebnisse zeigen an, ob man politisch liberal oder konservativ | |
| eingestellt ist und ob dies dem eigenen Erscheinungsbild im Internet | |
| entspricht. Informationen über die politischen Gesinnung gehören noch zu | |
| den harmloseren Daten, die über Citizenme verkauft werden sollen. Mit der | |
| Erlaubnis des Nutzers wollen Deakins und sein vierköpfiges Team künftig | |
| auch Daten über Aufenthaltsort, Gesundheit analysieren lassen. Sogar | |
| Informationen über den eigenen Chromosomensatz sollen für die App nutzbar | |
| gemacht werden. | |
| ## Zahlzwang für Geheimniskrämer | |
| Solche Pläne dürften bei so manchem Datenschützer Entsetzen hervorrufen. | |
| Doch Deakins ist nicht der Einzige, der sich für eine Öffnung der digitalen | |
| Privatsphäre ausspricht. Dirk Helbing, Physiker und Professor für | |
| Soziologie an der ETH Zürich, hat sich ein ähnliches Konzept ausgedacht. Im | |
| Januar verteidigte er im taz-Interview den Handel mit privaten | |
| Informationen - allerdings mit Einschränkungen. „Meine Gesundheitsdaten | |
| stelle ich anonym der Forschung zur Verfügung, aber nicht den Pharma- und | |
| Versicherungsunternehmen.“ Angaben zu Religion und sexueller Orientierung | |
| würde Helbing nicht digital teilen. | |
| Ansonsten sieht er viele Vorteile in der gezielten Veröffentlichung | |
| privater Daten. „Meine Kreditkartendaten teile ich anonym mit Firmen, damit | |
| ich bessere Produktangebote bekomme. Meine Mobilitätsdaten teile ich anonym | |
| mit Unternehmen, damit ich kostenlos Verkehrsinformationen erhalte.“ Eine | |
| Datenbörse, in der jeder Bürger bestimmen kann, welche Daten er frei gibt, | |
| sei für ihn „Empowerment und eine Wiederherstellung des Gleichgewicht | |
| zwischen Staat, Wirtschaft und Bürger.“ Er halte es nicht für nötig, dass | |
| sich jeder am Datenhandel beteiligt. „Man kann ja seinen Datenaccount | |
| einfach auf "nicht teilen" einstellen.“ | |
| Bei Citizenme soll offiziell auch kein Zwang zum Datenverkauf bestehen. | |
| Doch wer seine Daten für sich behalten will, wird einen Mitgliedsbeitrag | |
| zahlen müssen. „Wenn manche Nutzer ihre Daten verkaufen, damit andere | |
| Nutzer die App kostenlos nutzen können, ist das nicht fair“, findet | |
| Deakins. Schließlich will auch das Gründerquintett vom Handel mit brisanten | |
| Daten profitieren. Die Gruppe hat vor, einen Teil des Geldes, das der | |
| Nutzer durch den Datenhandel erhält, einzubehalten. | |
| Jedoch stellt sich die Frage, ob überhaupt jemand seine Daten verkaufen | |
| will. Deakins ist zuversichtlich. Seiner Ansicht nach gibt es zwei | |
| verschiedene Arten von Nutzern: Die älteren wollten eine bessere Kontrolle | |
| über ihre Privatsphäre und seien bereit, dafür Geld zu zahlen. Die jüngere | |
| Generation sei hingegen gewohnt, dass zum Beispiel Facebook Profit aus | |
| ihren Daten schlage und wollten nun auch etwas davon abbekommen. | |
| 26 Jul 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://citizenme.com | |
| ## AUTOREN | |
| Bianca Bär | |
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