# taz.de -- Israel-Gaza-Konflikt: Der Krieg und seine Opfer | |
> Inzwischen ist die Zahl der Toten im Krieg zwischen Israel und der Hamas | |
> auf über 1.000 angestiegen. Weit über 5.000 Menschen sind verletzt. | |
Bild: Gaza Stadt: Palästinensische Jungen in den Ruinen eines Wohnhauses. | |
JERUSALEM taz | Babys, die ihre Mütter aus leeren Augen anstarren, Kinder | |
mit amputierten Gliedmaßen, mit zertrümmerten Schädeln – diese Bilder des | |
Grauens sieht Marad Humaid in der Kinderabteilung des Schifa-Hospitals in | |
Gaza. Die 23-jährige Palästinenserin nutzte die Feuerpause am Wochenende, | |
um sich selbst ein Bild über die Zerstörung zu machen: „Dort lag ein | |
zweijähriges Mädchen mit offenen Augen, obwohl es nicht mehr sehen kann“, | |
berichtet sie am Telefon. | |
Ein anderes Mädchen habe ein blau entstelltes Gesicht gehabt. „Die Mutter | |
sagte, dass sie durch eine Explosion an die Zimmerdecke geschleudert wurde | |
und dann direkt auf ihr Gesicht gefallen ist.“ Dabei seien der Nasen- und | |
die Wangenknochen gebrochen. Die Zahl der Toten im Gazastreifen – einem | |
dicht besiedelten Flecken Erde mit etwa 1,7 Millionen Einwohnern – stieg am | |
Wochenende auf mehr als 1.000 Menschen. Weit über 5.000 Palästinenser sind | |
verletzt, und 165.000 suchen Zuflucht in einer Einrichtung der UNRWA, der | |
UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge. | |
„Es werden täglich mehr“, sagt Adnan Abu Hassan, Sprecher des UN-Hilfswerks | |
im Gazastreifen. 85 Einrichtungen, vor allem Schulen, stehen den | |
schutzsuchenden Menschen zur Verfügung. „Die Leute haben alles | |
zurückgelassen.“ Nahrungsmittel, frisches Wasser und Matratzen stellte die | |
UN zur Verfügung. „Für Kleidung reichen unsere Ressourcen nicht“, sagt Abu | |
Hassan, der die Summe von 115 Millionen Dollar veranschlagt, die für die | |
Soforthilfe nötig wäre. | |
Nicht jeder Palästinenser auf der Flucht landet in den UN-Einrichtungen, | |
auch Maram Humaid wohnt nicht mehr zu Hause. „Wir sind vor zehn Tagen zu | |
meiner Tante gezogen.“ Die Wohnung liege in der Nähe des | |
Schifa-Krankenhauses, deshalb hoffen Humaid und ihre Familie, hier sicherer | |
zu sein. 40 Menschen lebten inzwischen in der Fünf-Zimmer-Wohnung, sie | |
teilten sich eine Küche und ein Badezimmer. Gegen zehn Uhr morgens seien am | |
Sonntag trotz Feuerpause wieder Bomben eingeschlagen. Dass die Hamas zuerst | |
geschossen habe, streitet Humaid ab. Die israelischen Soldaten hätten schon | |
am Vortag die vereinbarte Waffenruhe gebrochen und auf Flüchtlinge | |
geschossen, die zu ihre Wohnungen zurückwollten. | |
„In der Straße parallel zu unserer ist heute früh ein Haus zerstört | |
worden“, berichtet die junge Palästinenserin. Außerdem habe es einen | |
punktgenauen Angriff durch eine Drohne auf den TV-Sender der Hamas gegeben. | |
„Wenn ein komplettes Haus zerstört werden soll, nehmen sie die F-16, bei | |
einzelnen Wohnungen sind es immer Angriffe von Drohnen.“ Im Gazastreifen | |
scheint sich jeder gut auszukennen über die Kampfmöglichkeiten der | |
Luftwaffe. | |
## Am Rande der Ohnmacht | |
Maram Humaid ist Aktivistin auf Twitter und Facebook. Sie hat ihr Englisch, | |
das sie fließend schreibt und spricht, in Gaza studiert. Zusammen mit ihren | |
Geschwistern besuchte sie am Samstag das schwer umkämpfte Viertel | |
Schedschaja im Osten der Stadt Gaza. „Wir kannten die Bilder aus dem | |
Fernsehen“, erzählt sie, „aber was wir dann gesehen haben, war schlimmer | |
als alles, was wir uns vorgestellt hatten“. Der Geruch von Blut habe sie | |
mehrmals an den Rand der Ohnmacht gebracht. Unter den Trümmern liegen | |
offenbar schon tagelang Menschen verschüttet. | |
Dass sich die Leute in Gaza selbst einen Eindruck über die Zerstörung | |
verschaffen, war auch erklärtes Ziel Israels für die Feuerpause. Die | |
zermürbenden Bilder festigten indes die Vorstellungen der jungen | |
Palästinenserin über das Ende der Kämpfe zusätzlich. „Die Blockade muss e… | |
Ende haben“, sagt sie. Niemand im Gazastreifen werde einer Feuerpause | |
zustimmen, bevor die Grenzen geöffnet werden. | |
Im Viertel Schedschaja steht eine neue Schlacht bevor. Humaid weiß, dass | |
die Bevölkerung erneut Textnachrichten erhielt, mit denen die israelische | |
Armee vor Angriffen warnt. Am heutigen Montag beginnt das dreitägige Eid | |
al-Fitr, das Fest des Fastenbrechens am Ende des muslimischen Monats | |
Ramadan. Die Leute kaufen gewöhnlich neue Kleider und Geschenke für die | |
Kinder, und die Frauen backen ein traditionelles Gebäck mit Datteln. | |
„Wir haben nichts vorbereitet“, sagt Humaid. Noch nicht einmal Süßigkeiten | |
für die kleineren Geschwister gäbe es. Das Eid al-Fitr ist ähnlich wie | |
Weihnachten ein fröhliches Fest. Für sie und ihre Familie, so fürchtet | |
Humaid, wird es vermutlich „nur ein weiterer blutiger Tag“. | |
27 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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